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„Da bauen wir uns unsere eigene Welt.“

Designer Martin Bergmann im Gespräch mit Dolomitenstadt.at.

Martin Bergmann, EOOS Design
Martin, du bist in Lienz geboren und aufgewachsen und hast dann eine erstaunliche Karriere gemacht, die dich sogar ins Burgtheater geführt hat. Wie kommt man auf diese legendäre Bühne und warum hast du ihr wieder den Rücken gekehrt? Ja, an diesen intensiven Lebensabschnitt erinnere ich mich gern zurück. Ich bin damals als junger Student quasi in einer Spontanaktion im Burgtheater zu einem Vorstellungsgespräch erschienen. Und ich hatte auf Anhieb Glück, denn Regisseur Peymann hat recht schnell Gefallen an meinem Typ gefunden. Vier Jahre waren es, in denen ich dann immer wieder fürs Burgtheater gebucht wurde, aber ich hab auch in Filmen von Michael Haneke, Michael Cencig und Steven Spielberg mitgespielt. Ich hatte das Glück, mit unheimlich talentierten Menschen wie Gert Voss oder Helmut Gasser auf der Bühne stehen zu dürfen. Was mich aber schon damals ganz besonders fasziniert hat, war die Inszenierung der Bühne als Raum, durch Requisiten, durch Möbel und Menschen. Während dieser Zeit als Schauspieler habe ich dann schließlich auch die Aufnahmeprüfung für das Industrial-Design-Studium an der Angewandten absolviert. Am Tag der Aufnahmeprüfung sind mir bereits Gernot und Harald das erste Mal über den Weg gelaufen. Wir haben uns sofort verstanden und dann gab es plötzlich zwei Möglichkeiten, meinen zukünftigen Lebensweg zu bestreiten. Ich hab mich aus dem Bauch heraus, aber trotzdem sehr konsequent fürs Design entschieden. Ich wusste, da werden wir uns unsere eigene Welt bauen. EOOS genießt – ganz ohne Übertreibung – Weltgeltung als Designstudio. Kannst du dich an den Durchbruch erinnern, den ersten großen Auftrag?        
Das Sofa "Jason" mit klappbaren Armstützen begründete die Zusammenarbeit zwischen EOOS und Walter Knoll.
  Das war wohl unser „Jason“ Sofa. Als wir uns Mitte der 90er Jahre kurz nach dem Diplom an der Angewandten gerade als junges Designstudio durchs Leben kämpften, hat unser ehemaliger Professor einen ersten Kontakt zu Markus Benz, dem CEO und Eigentümer des deutschen Polstermöbelproduzenten Walter Knoll hergestellt. Wir bekamen also die Chance, die Firma in Baden-Würthemberg zu besuchen und uns dort vorzustellen. Markus Benz legte uns ein Buch auf den Tisch, „125 Jahre Knoll“. Er meinte, wir sollen uns die Vergangenheit und bisherige Entwicklung des Unternehmens anschauen und darauf Überlegungen aufbauen, wie Walter Knoll in der Zukunft aussehen kann. Mit diesem Auftrag hat er uns heim nach Wien geschickt. Und wir sind mit dem Entwurf für „Jason“, einem eleganten Sofa mit intelligenter Mechanik zum Umlegen der Armlehnen, wiedergekommen. Dass „Jason“ gleich ein so großer Erfolg war, hat uns ganz schön aufatmen lassen. Andernfalls hätten wir damals wahrscheinlich härter um Folgeaufträge kämpfen müssen. Und interessanterweise ist „Jason“ bis heute erfolgreich im Walter-Knoll-Programm vertreten. Es gibt mittlerweile sogar eine große „Jason“-Kollektion mit Sofa, Sessel, Stühlen, Tischen und Barhocker. Du hast EOOS 1995 gemeinsam mit Gernot Bohmann und Harald Gründl ins Leben gerufen. Ihr seid noch immer ein Trio. Wie ist eure Arbeitsteilung und wie siehst du deine Rolle bei EOOS? Wir vergleichen unser Zusammenarbeiten im Studio gern mit einer Band, die sich zu einer Jam Session trifft. Natürlich hat nach so vielen gemeinsamen Jahren jeder seine Bereiche, wo die anderen intuitiv wissen, das kann der Gernot oder der Harald oder der Martin am besten. Aber im Prinzip versuchen wir Rollenfestlegungen und starre Abfolgen im kreativen Entwicklungsprozess möglichst zu vermeiden. Wenn einer das Gefühl hat, heute ist er am Schlagzeug besonders gut, soll er Schlagzeug spielen. Wir wollen ja schließlich keine Kreativität vergeuden. Designer eures Kalibers stehen hinter Produkten, die wir alle kennen. Ihr entwerft vorwiegend Möbel und Interior-Design für Weltmarken wie Alessi, Bulthaup, Bene, Walter Knoll und Zumtobel, um nur einige zu nennen. Kannst du aus der Fülle der Arbeiten zwei, drei nennen, die besonders wichtig für euch waren? Das ist schwer, wir haben in jeden unserer Entwürfe unser Herzblut gelegt. Sehr wichtig sind für uns sicher immer wieder Möbel, die sich aus der Zusammenarbeit mit Walter Knoll entwickeln. Ein gutes Beispiel dafür ist vielleicht "Together", unsere Neuinterpretation des Archetyps Eckbank, die wir ja auch aus vielen Tiroler Bauernstuben kennen. Zuletzt haben wir etwa mit dem reduzierten Dickleder-Stuhl "Cuoio" und dem Sofaprogramm "Jaan Living" sehr schöne Entwürfe mit Walter Knoll realisieren können. Eine weitere wichtige Arbeit in der EOOS-Geschichte war sicher auch das Sitzsystem "Kube" für die italienische Firma MatteoGrassi. Dafür haben wir im Jahr 2004 den "Compasso D'Oro" gewonnen, immerhin einen der wichtigsten internationalen Designpreise. Und dann wäre da natürlich noch unsere Werkstatt-Küche "b2" für Bulthaup, unsere zeitgemäße Formulierung einer mobilen, modular aufgebauten Möbelküche, bestehend aus Werkbank, Werkschrank und Maschinenschrank. Wie funktioniert bei euch der Designprozess, die Freisetzung von Kreativität? Und wie sehr ist eure Arbeit fremdgesteuert, von den Wünschen eurer Auftraggeber? Wir haben uns bewusst dafür entschieden, mit weniger Auftraggebern, mit diesen dafür aber sehr intensiv zusammenzuarbeiten. Design ist ein großer Kommunikationsprozess, in dem alle Partner unterschiedliche Betrachtungen, Ideen, Innovationen und Technologien einbringen – ein gemeinschaftlicher, evolutionärer Weg. Ein Gefühl von Fremdsteuerung haben wir da eigentlich nicht. Allerdings muss ich schon sagen, dass solch positive partnerschaftliche Designentwicklungen nur funktionieren, wenn das Unternehmen über ein ausgeprägtes kulturelles Designbewusstsein verfügt. Der aus Österreich stammende Designlehrer Victor Papanek fordert in seinem Klassiker "Design for the real World" ein sozial verantwortliches Design, das nie Selbstzweck ist, sondern den Menschen nützt. Ist so ein Anspruch im modernen Designbusiness einzulösen? In diesem Feld gibt es natürlich viele theoretische Konzepte und „Nachhaltigkeit“ als Trendwort kann auch viel heißen. Aber generell kann ich mit Freude sagen: mehr denn je werden Fragen ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit im Designprozess von Anfang an mitgedacht und mehr denn je sind die produzierenden Firmen auch offen in diese Richtung. Es ist ein großer Paradigmenwechsel im Gang, der sich in den nächsten Jahren noch stark intensivieren wird. Mit Zumtobel haben wir 2009 beispielsweise einen LED-Strahler realisiert, bei dem vom Start weg die Ökobilanz mitgedacht wurde. Durch eine radikale Reduktion von Bauteilen und Transportwegen im Produktionsprozess konnten wir viel erreichen. Trotzdem sind wir hier erst am Anfang und es muss sich noch viel bewegen, auch in der Denkweise über Nachhaltigkeit. Auch ein Sofa wie „Jason“, das man sich nach 15 Jahren immer noch gern ins Wohnzimmer stellt, ist nachhaltig. Hast du ein Ziel? Wohin geht die Reise des Designers Martin Bergmann in den nächsten Jahren? Zurück ins Osttiroler Gebirge wohl eher nicht, oder? Immerhin trete ich die Reise ins Osttiroler Gebirge immer noch ein paar Mal im Jahr an … und es wird immer öfter! Mich zieht diese Gegend magisch an und außerdem lebt ja auch ein Teil meiner Verwandtschaft dort. Im Sommer genieße ich es sehr, mit dem Mountainbike die Bergwelt zu erkunden. Da habe ich auch immer meinen Fotoapparat mit. Im Winter komme ich gerne zum Skitouren gehen nach Osttirol. Und wo die Reise sonst hingeht? Ich hoffe, in eine noch höhere Konzentration!  
Gerhard Pirkner ist Herausgeber und Chefredakteur von „Dolomitenstadt“. Der promovierte Politologe und Kommunikationswissenschafter arbeitete Jahrzehnte als Kommunikationsberater in Salzburg, Wien und München, bevor er mit seiner Familie im Jahr 2000 nach Lienz zurückkehrte und dort 2010 „Dolomitenstadt“ ins Leben rief.

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