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Historische Fronten als aktuelle Reiseziele

Der späte touristische Nutzen des Ersten Weltkrieges.

Beitragsbild-Soca
An der Soca (Isonzo) fanden zahlreiche Schlachten zwischen Italien und Österreich-Ungarn statt. Heute wird dort Geschichte vermarktet. Foto: riverwalk.eu

Auf der Website des Tourismusverband Julisch-Venetien findet sich unter der Rubrik „Erlebnisse“ am Ende einer mit vielen anderen touristischen Attraktionen vergleichbaren Aufzählung ein besonderer Hinweis auf den Ersten Weltkrieg. Unter anderem wird in dem Text auf die Karnischen Alpen als ehemaliges Frontgebiet verwiesen. Wie es scheint, eine Selbstverständlichkeit für die italienischen Tourismuswerber, die um das Interesse des internationalen wie italienischen Publikums an den Schauplätzen des 1. Weltkriegs wissen.

Schon 2013 ließ die slowenische Tourismusinformation via Presseaussendung wissen, wie und wo sich der geschichtsinteressierte Gast in Museen wie in restaurierten Stellungen sein eigenes Bild der Schlachten an der Soča-Front machen kann. In einer grenzüberschreitenden Kooperation Italiens und Sloweniens bewirbt eine Reisebroschüre die natürlichen und kulinarischen Reize entlang eines 100 Kilometer langen Friedensweges. Um den Kriegsereignissen gerecht zu werden, wurde vor 15 Jahren eigens eine staatliche Stiftung gegründet, die zusammen mit Historikern einen „Weg des Friedens“ entwickeln sollten.

Im benachbarten Sexten widmet sich seit 2005 der Verein Bellum Aquilarum der, gerade für die Südtiroler Bevölkerung, schwerwiegenden Kriegsereignisse. Die Leiden und Leistungen beider Kriegsparteien werden im Rahmen der historischen Aufarbeitung des Stellungsgebirgskriegs gewürdigt, die besonders auch bei italienischen Gästen auf starkes Interesse stoßen. Kooperationspartner des Vereins, der auch geführte Touren zu den ehemaligen Kriegsschauplätzen organisiert und anbietet, ist der Südtiroler Tourismusverband Hochpustertal.

In Italien selbst wird der Erste Weltkrieg schlicht La grande guerra genannt. Das Interesse an ihm und seiner Geschichte ist groß, teils größer als am Zweiten Weltkrieg.

In Frankreich ging man bestens vorbereitet in die Gedenkjahre 2014 – 2018, wie die Mission Centenaire eindrucksvoll unter Beweis stellt. In der selbsttitulierten Grande Nation besteht das vitale Interesse an den Schlachtfeldern des mörderischen Waffengangs schon sehr viel länger. Um es zu kanalisieren und einen bedenklichen Gruseltourismus hintanzuhalten, pflegt zum Beispiel das 1951 gegründete „Comité National du Souvenir de Verdun“ das Andenken an die leidvolle Geschichte. Auf Basis der historischen Aufarbeitung, die einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, ebnete diese engagiert betriebene Erinnerungsarbeit unter anderem auch den Weg zur deutsch-französischen Aussöhnung. Als angenehmer Nebeneffekt der historischen Tätigkeit lukriert Frankreich alleine aus dem Erinnerungstourismus rund um den Ersten Weltkrieg bis zu 6 Millionen Gäste.

Auf österreichischem Gebiet gibt es nur wenige verbliebene Frontabschnitte. Einer davon liegt am Karnischen Kamm. An ihm haben jetzt Historiker die Arbeiten zur historischen Kartierung des Gebiets aufgenommen. Restaurierungsarbeiten sollen folgen. Bis 2018 sind sie möglicherweise abgeschlossen, pünktlich zum Ende der Gedenkjahre 2014 – 2018.

Marcus G. Kiniger wurde 1969 in Wien geboren. Seine Familie kam 1976 nach Sillian, wo der gelernte Tourismuskaufmann und ambitionierte Musiker bis 2008 lebte, bevor er nach Hamburg übersiedelte. In Norddeutschland vertreibt Kiniger Produkte aus Tirol. Er schreibt für dolomitenstadt.at die Kolumne "Waterkantiges" und ist auch regelmäßiger Autor im DOLOMITENSTADT-Printmagazin.

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