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Pulverschnee aus der futuristischen Wolkenkammer

Michael Bacher will die Schneeerzeugung revolutionieren.

Es klingt nach Science Fiction, ist dennoch bereits Realität und könnte ein großes Problem der Wintertouristiker zumindest teilweise lösen: Die gezielte technische Erzeugung einer Wolke aus der es schneit – nicht Eiskörnchen, wie aus einer Schneekanone, nein, echten Schnee, griffig durch Schneekristalle, wie sie bislang nur die Natur selbst erzeugt. Der Mann, der den Job von Frau Holle übernehmen möchte, stammt aus Osttirol, war in den vergangenen Monaten in den Schlagzeilen großer Medien in ganz Europa und heißt Michael Bacher. Bacher wurde in Lienz geboren und forscht gemeinsam mit Kollegen der Universität für Bodenkultur Wien und der Technischen Universität Wien seit 2009 zum Thema Schneeerzeugung.
Walter Klasz und Michael Bacher in ihrer "Wolke".
Walter Klasz und Michael Bacher in ihrer "Wolke". Fotos: pro.media
Mittlerweile hat Bacher die „Dendritic Snow Production“ patentiert und 2014 das Unternehmen „Neuschnee“ gegründet. Im November stellte er gemeinsam mit Walter Klasz nahe der Mittelstation der "Hohen Mut-Bahn" in Obergurgl einen Prototyp seiner Wolke auf, die pro Kubikmeter Wasser bis zu 15 Kubikmeter Pulverschnee mit relativ geringer Dichte von 80-220 kg/m³ erzeugen kann. Klasz ist Architekt und Designer, er zeichnet für die Form des Wolkengestells aus Stahlrohren verantwortlich, das ein Gebilde aus Membranen enthält.
Auf diesem Bild gut zu sehen ist die innere (grün) und die schützende äußere Membran.
Auf diesem Bild gut zu sehen ist die innere (grün) und die schützende äußere Membran.
Die Genialität der Konstruktion liegt in ihrer einfachen Logik: der Schnee wird genau so erzeugt, wie in der Natur. In Bachers Wolkenkammer werden Wassertropfen eingesprüht und damit eine kleine, künstliche Wolke erzeugt. Durch die tiefe Umgebungstemperatur – es sollten zumindest Minus fünf Grad sein – kühlen die Tröpfchen ab, meist unter den Gefrierpunkt, ohne dabei selbst zu gefrieren. In diesen Nebel werden "Kristallisationskeime" eingebracht, kleine gefrorene Eisplättchen. Damit sind in der Wolke alle drei Phasen des Wassers gleichzeitig vorhanden: fest, flüssig und gasförmig. Die Kristallisationskeime wirken wie Magnete, die laufend Wassermoleküle, also Wasserdampf, anziehen und in der festen Phase binden. Das bedeutet, dass diese Keime zu größeren Kristallen wachsen und als Schnee aus dem Wolkenbehälter nach unten ausfallen. Genauso, wie es auch in der Natur passiert. Bachers Verfahren braucht 20% weniger Energie als die herkömmlichen Kanonen und viel weniger Wasser. Während Kanonenschnee eher an Graupeln erinnert und erst von Pistenraupen gepresst werden muss, damit er befahrbar wird, erzeugt Bachers Wolke echten "Pulver". Konventioneller Kunstschnee wiegt durchschnittlich pro Kubikmeter 390 Kilogramm, Bachers Neuschnee ist dagegen nur 65 bis 220 Kilogramm schwer. Die Labor-Wolke ist natürlich viel kleiner als ihre Vorbilder in der Natur, sie arbeitet dafür aber mit mehr Verdichtung und kann so passable Schneemengen erzeugen. Doch wie bringt man diesen Schnee auf die Piste? Konstrukteur Bacher und Designer Klasz haben auch dafür visionäre Ideen. Am Institut für Gestaltung der Universität Innsbruck wurden gemeinsam mit Studierenden Anwendungsbeispiele entworfen, darunter zum Beispiel ein „Schneedrucker“, der über die Pisten fährt. "Man könnte den Neuschnee in einer stationären Anlage erzeugen und durch einen dicken Schlauch auf der Piste verteilen", meint Bacher, "aber viel interessanter sind mobile Kunstwolken, die auf unbemannten Raupen ganz langsam über die Piste fahren und sie beschneien."
Bei der Präsentation der Wolke in Obergurgl von links: Harald Gohm (Standortagentur Tirol), Walter Klasz (unit koge), Michael Bacher (Neuschnee GmbH) und Oliver Schwarz (Ötztal Tourismus).
Bei der Präsentation der Wolke in Obergurgl von links: Harald Gohm (Standortagentur Tirol), Walter Klasz (unit koge), Michael Bacher (Neuschnee GmbH) und Oliver Schwarz (Ötztal Tourismus).
In Zusammenarbeit mit Designern des Instituts für Konstruktion und Gestaltung an der Universität Innsbruck wurde bereits ein Modell für ein solches Gerät entworfen. Die Vision ist, dass in einigen Jahren derartige "Schneedrucker" den eisigen Untergrund mit feinem Pulverschnee beschneien. Aber auch in Städten, wo für Fun-Veranstaltungen Pulverschnee gebraucht wird, könnte das Verfahren nützlich sein oder als touristischer Hingucker eingesetzt werden. Doch noch ist die Wolkenkammer ein Forschungsprojekt. Wieviel „Output“ eine Wolke unter echten Wind- und Wetterbedingungen liefern kann, wird in den nächsten Monaten in Obergurgl erforscht. Kurz vor Weihnachten wurde ein weiterer wichtiger Meilenstein in Richtung Realisierung der künstlichen Wolke gesetzt. Bachers Neuschnee GmbH kooperiert künftig mit dem Europäischen Forschungszentrum CERN in der Schweiz. "Im Rahmen eines Business Incubation Center dürfen wir vom Wissen des CERN profitieren und mit der Unterstützung der Forscher unsere Wolkenkammer weiter optimieren," erklärt der Osttiroler. „Mit all diesen wertvollen Erfahrungen können wir vielleicht im nächsten Winter schon die erste ‚echte‘ Wolke in Betrieb nehmen“.
Gerhard Pirkner ist Herausgeber und Chefredakteur von „Dolomitenstadt“. Der promovierte Politologe und Kommunikationswissenschafter arbeitete Jahrzehnte als Kommunikationsberater in Salzburg, Wien und München, bevor er mit seiner Familie im Jahr 2000 nach Lienz zurückkehrte und dort 2010 „Dolomitenstadt“ ins Leben rief.

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