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Ein Fenster als einseitige Betrachtung

Der Film über den Amlacher Andy Holzer hatte Kinopremiere.

Wenn man einen Film mit und über einen Blinden dreht, sollte man vor allem eines können: zuhören. Wenn man dann auch noch bereit wäre, in seiner eigenen Fragestellung auf das Rücksicht zu nehmen, was man hört, hätte man die Möglichkeit, ein wenig tiefer zu gehen und Schicht für Schicht abzutragen, bis man ganz bei dem Menschen angekommen ist, über den man einen Film dreht. Dass das bei Andy Holzer nicht allzu leicht ist, liegt auf der Hand. Zudem ist er aufgrund seines Berufs zu sehr Medienprofi, um nicht zu bemerken, wann er übertölpelt werden soll. Seine Waffe – und das zeigt der Film – Andy Holzer inszeniert zurück: „Spielen ist das letzte Werkzeug das ich habe, wenn Menschen vor lauter Bäumen den Wald nicht sehen. Dann spiele ich halt mit dem, was da ist.“ Dolomitenstadt traf ihn aus Anlass zur Uraufführung von Unter Blinden – Das extreme Leben des Andy Holzer beim Filmfestival Diagonale in Graz und das erste, was er tat war, das Interview umzudrehen. Er wollte genau wissen, wie der Film ist, was man darin sieht, wie er beim Publikum ankommen würde und sagte: „Wie soll ich mir denn ein Weltbild machen, wenn ich kein Feedback bekomme? Ich habe das Recht, mir von Sehenden zu holen, was sie im Film sehen.“
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„Wie soll ich mir denn ein Weltbild machen, wenn ich kein Feedback bekomme?" Andi Holzer mit Regisseurin Eva Spreitzhofer. Fotos: Diagonale/Klaus Pressberger
Während des Gesprächs wird deutlich, dass er kann, was im Film geschehen hätte sollen: zuhören. Zwar redet er ununterbrochen, reiht einen Schmäh an den anderen, doch auch Minuten später kommt er auf einzelne Formulierungen seines Gegenübers zurück und zeigt, was er auch im Film anspricht, er ist immer einen Schritt voraus. Was aber, wenn er jemanden vor sich hat, der ebenso schnell ist? Im Film fehlt ihm dieses Gegenüber. Dementsprechend ist Andy Holzer auf der Leinwand heillos unterfordert. Er spielt mit dem Filmteam, hat Zeit, Szenen ins Ironische zu lenken, er verweigert sich, spielt dann wieder brav mit, beantwortet Fragen geduldig und ist doch über weite Strecken im Widerstand. Dem Film schadet das nicht einmal, denn da treffen mit Regisseurin Eva Spreitzhofer und dem Protagonisten zwei Menschen aufeinander, die es ganz gut verstehen, einander zu nützen: Für die Regisseurin ist es ihr erster Film und der international bekannte Name des Andy Holzer vermarktet sich gut, während er nur allzu genau weiß, dass dieser Film ein großes Publikum finden wird, das dann wiederum sein Buch kaufen, zu seinen Vorträgen kommen wird oder in jedem Fall für Publicity sorgt, was ihm bei der Eigenvermarktung hilft, und die braucht man, wenn man so extreme Projekte finanzieren muss wie Andy Holzer.
Filmszene bei der Premiere von "Unter Blinden". Hauptdarsteller Andi Holzer: „Der Film ist ein Fenster in eine Welt, die man noch wesentlich mehr ausleuchten könnte." filmstill: Thimfilm
Filmszene bei der Premiere von "Unter Blinden". Hauptdarsteller Andi Holzer: „Der Film ist ein Fenster in eine Welt, die man noch wesentlich mehr ausleuchten könnte."
Dementsprechend ist er vorsichtig, wenn es um Kritik an Unter Blinden geht: „Der Film ist ein Fenster in eine Welt, die man noch wesentlich mehr ausleuchten könnte. Man hat mich da nicht zu 100 Prozent getroffen, das weiß ich.“ Er hätte das auch ganz anders ausdrücken können, denn was dem Film fehlt, ist jegliche Empathie. Andy Holzer wird ausschließlich als der Blinde gezeigt, der Unglaubliches geschafft hat, weil er nicht anders sein will. Das ist interessant, unterhaltsam und durchaus sehenswert. Aber ist ein Mensch wirklich nicht mehr als das, was er scheint? „Es ist wunderschön unterschätzt zu werden“, meint er selbst dazu, fügt aber gleich hinzu: „Ich weiß jetzt schon, dass mehr rauszuholen ginge, darüber wie oder was ich bin.“ Gleichzeitig ist er sich der Chance bewusst, die ein Film auch bieten kann: „Da geht es ja um eine Riesenverantwortung. Die wählen mich aus, schreiben ein großes Drehbuch, das ich zwar nie gesehen habe, aber ...“, dann schweift er ab.
„Es ist wunderschön unterschätzt zu werden“. Andi Holzer im Fels. Filmstill: thimfilm
„Es ist wunderschön unterschätzt zu werden“. Andi Holzer im Fels. Filmstill: thimfilm
Die beiden ehrlichsten Szenen im Film sind demensprechend jene, in denen er diese Verantwortung ein wenig abgibt, zum einen, wenn seine Frau redet, sich nicht stoppen lässt und es mehr als deutlich macht, dass sie genauso Heldin ist wie er, weil es ohne sie gar nicht ginge – nicht, weil Andy Holzer blind ist, sondern weil er alles fordert, alles will. Die andere Szene wäre jene, die ihn beim Radfahren zeigt. Es ist einer der wenigen Momente, in denen er zumindest ein paar Sekunden lang die Kontrolle abgibt und ist, wer er ist. Man muss allerdings genau hinsehen, um zu bemerken, wann er loslässt, denn gerne tut er das in der Öffentlichkeit wahrscheinlich nicht. Die Lienzer Premiere von Unter Blinden ist übrigens ausgerechnet für den Karfreitag geplant – und Andy Holzer ist zu Recht empört.

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