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Auch Osttirol hat Platz für weitere Flüchtlinge

Den Asylsuchenden droht der Tod – aber wir haben die Angst. Ein Kommentar.

Es ist nicht vorstellbar, was Menschen durchmachen, die – in einen Kühlwagen gepfercht – auf einen qualvollen Tod warten. Diese Menschen schreien um Hilfe und niemand hört sie. Sie beten, versuchen in Todesangst, Metallwände von innen aufzubrechen, erleben nacheinander den Tod bis auch der letzte von ihnen zu atmen aufhört. Millionenfach wird täglich auf dieser Welt gestorben, friedlich oder qualvoll, in Würde oder jeder Würde beraubt. Was im Burgenland an der Autobahn zu Tage trat, ist an würdeloser Qual, an Brutalität und Grauen kaum zu überbieten.
Mühsam verdecktes Grauen: 59 Männer, acht Frauen und vier Kinder starben in diesem Lkw. Foto: Reuters/Hans-Peter Bader
Mühsam verdecktes Grauen: 59 Männer, acht Frauen und vier Kinder starben Ende August 2015 mitten in Europa in diesem Lkw. Foto: Reuters/Hans-Peter Bader
Gerne reagieren wir auf das Unfassbare mit Sprachlosigkeit. „Mir fehlen die Worte“ hört man dann und schaut in ernste Gesichter. Ich kann nur für mich selbst sprechen. Mir fehlen die Worte nicht. Im Gegenteil. Ich bin wütend, traurig und mehr denn je davon überzeugt, dass nicht nur „die Politik“, nicht nur „die EU“ sondern jeder von uns etwas tun muss, um diesen Wahnsinn zu beenden. Die Mächtigen können dort anpacken, wo Macht benötigt wird, um skrupellosen Verbrechern ihr einträgliches Schlepper-Handwerk zu vereiteln. Wir „kleinen Leute“ haben eine andere Aufgabe. Wir müssen denen, die uns regieren, unmissverständlich klarmachen, dass sie uns nur dann imponieren, wenn sie menschlich handeln, mutig ihrem Herzen folgen, den Anstand wahren und dabei in keiner Sekunde auf Wählerstimmen schielen. Nichts ist billiger, verwerflicher und erbärmlicher, als vorhandene Möglichkeiten zur Linderung des Leidens von zigtausenden Menschen nicht zu ergreifen, nur um einen Posten als Bundes-, Landes- oder Gemeindepolitiker abzusichern. Wer Wählerstimmen mit Menschenleben aufwiegt, hat jedes Recht auf ein öffentliches Amt zumindest in meiner Auffassung von Humanität und Demokratieverständnis verwirkt. Seit gestern, seit dem Todesdrama im Burgenland, gilt auch für die heimischen Politiker und Politikerinnen: Wartet nicht ab. Fragt euch nicht, was die Bevölkerung denken könnte. Beendet den Konjunktiv. Tut das, wofür man euch gewählt hat: handelt nach bestem Wissen und Gewissen. Zieht den Kopf nicht ein und werdet aktiv. Schnell, vielleicht auch unkonventionell. Was das mit Osttirol zu tun hat? Viel. Osttirol hat 33 Gemeinden, von denen nur drei Asylbewerber beherbergen: Lienz hat ca.120 Personen, Dölsach ca. 35 Personen und Prägraten ca.15 Personen untergebracht. In Summe zwischen 150 und 170 Menschen finden Aufnahme in einem Bezirk mit knapp 50.000 Einwohnern, in dem ständig über die „Abwanderung“ gejammert wird. Wenn jene 30 Gemeinden, in denen derzeit kein einziger Flüchtling untergebracht ist, je zehn Menschen aufnehmen würden, hätten weitere 300 Personen ein menschenwürdiges Quartier. Auf je 1000 Osttiroler kämen dann im Schnitt zehn Flüchtlinge. Wirtschaftliches Risiko: Null. Die Unterbringung wird bezahlt. Soziales Risiko: Null. Weder in Dölsach, noch in Prägraten oder Lienz ist ein Problem zu erkennen. Warum sollte das in Sillian, Matrei, Debant, St. Jakob, Oberlienz oder Tristach anders sein? Und das politische Risiko? Liebe Osttiroler Bürgermeister, in wenigen Monaten wird gewählt. Habt ihr Angst, ihr könntet Stimmen verlieren? Die solltet ihr nicht haben. Die „Abwehrkämpfer“ sind laut, aber in der Minderheit. Die Mehrheit der Menschen hilft gerne, wenn echte Not gelindert werden soll. Zu zeigen, dass man Mut, Mitgefühl und Führungsqualitäten hat, schadet keinem Politiker, egal welcher Farbe. Werdet aktiv, sucht gemeinsam mit euren Bürgern nach Quartieren, übernehmt die Führung in dieser Frage der Menschlichkeit, seid unbürokratisch und offen. Vielen der Asylsuchenden droht der Tod – aber wir haben die Angst! Wovor eigentlich? Vor ein paar syrischen Kindern in unseren Schulen? Vor ein paar Männern und Frauen anderer Herkunft in einem leerstehenden Gebäude? Diese Angst war immer schon absurd. Seit dem gestrigen Tag ist es aber nachweisbar auch Beihilfe zum brutalen bis tödlichen Menschenhandel. Wären die Grenzen nicht so dicht – im Kopf und in der Wirklichkeit – würden die Schlepper ihr Geschäft verlieren und die Flucht würde zwar beschwerlich bleiben, aber nicht länger lebensgefährlich sein. Daran müssen wir alle arbeiten. Ab sofort.
Gerhard Pirkner ist Herausgeber und Chefredakteur von „Dolomitenstadt“. Der promovierte Politologe und Kommunikationswissenschafter arbeitete Jahrzehnte als Kommunikationsberater in Salzburg, Wien und München, bevor er mit seiner Familie im Jahr 2000 nach Lienz zurückkehrte und dort 2010 „Dolomitenstadt“ ins Leben rief.

14 Postings

Zuckerpuppe
vor 9 Jahren

Lieber Instinktivist! danke für die Worte! und liebe nanny - wenn wir nicht im Schlaraffenland leben, wer dann? Und auch viele Flüchtlinge aus den Kriegsgebieten waren vorher nicht arm und haben alles was sie hatten, zu Geld gemacht! Und mal ehrlich - wer würde nicht für seine Kinder alles unternehmen, um ihnen Leben zu retten! Noch einmal: etwas weniger Angst, etwas mehr Mut und viel mehr Menschlichkeit - BITTE!

 
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Instinktivist
vor 9 Jahren

Für eine andere Sichtweise auf den Begriff "Wirtschaftsflüchtling" empfehle ich euch Allen das Buch "Im Meer schwimmen Krokodile" von Fabio Geda. Eine wahre Geschichte und laut den Aussagen unten ist er ein Wirtschaftsflüchtling ... er könnte aber auch das Kind sein, welches vor kurzem an die türkische Küste gespült wurde. Wir kennen den Preis von Allem, aber offensichtlich den Wert von Nichts. Wir sprechen darüpber was das alles kostet und dass wir uns das nicht leisten können und dass es so viele Arbeitslose gibt... Ich frage mich nur, wenn wir es uns nicht leisten können... WER DANN???

lg

 
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nanny
vor 9 Jahren

@Zuckerpuppe. Also ihr Beitrag ist voll verständlicher Emotion, aber leider nicht sachlich. So ist es doch zumindest nicht klar, warum Flüchtlinge sehr wohl Zeit haben, Geld für Schlepper zusammenzukratzen (sind ja nicht billig diese kriminellen Herrschaften), aber nicht die Zeit finden, persönliche Papiere mitzunehmen. Auch fürchte ich, dass gerade diese Schlepper ihren "Kunden" vorgaukeln, hier in Europa kommen sie ins Schlaraffenland - was ja nicht stimmt. Und ihnen vielleicht auch raten, keine Papiere mitzunehmen? Was sich abspielt in Syrien, Irak usw. ist furchtbar. Aber werden wir in Österreich + einige andere Staaten das alles auffangen können? Die meisten Staaten der EU "drücken" sich ja elegant. Lösung weiß ich auch keine.

 
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Zuckerpuppe
vor 9 Jahren

wirtschaftsflüchtlinge....- sind dann osttiroler und osttirolerinnen, die hier nicht die arbeit finden, die sie haben wollen und ins ausland gehen um dort zu arbeiten auch wirtschaftsflüchtlinge oder gilt das nur umgekehrt? einfach nur mal dankbar sein für das, was wir haben und weniger feindselig und ängstlich... und dann noch noch ---- warum hat nicht jemand, der vor wasser oder feuer flüchten muss seine (versicherungs)papiere dabei, vielleicht aber sein handy? und..... diejenigen die hasstriaden posten (siehe facebook & co) sollen doch mal dorthin reisen und sich ein bild machen. diverse hilfsorganisationen brauchen immer mutige! na dann los ihr lieben!

 
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bergfex
vor 9 Jahren

@Macki und @nanny, bin bei ihren Gedanken . RICHTIG Flüchtlinge (Kriegsflüchtlinge ok, aber nicht WIRTSCHAFTSFLÜCHTLINGE. Da ist eben die Politik gefordert. Warum haben diese Herrschaften keine Ausweise? Die österreichischen Behörden sollen schauen wer diese Leute sind. Normaler wäre, die "Flüchtlinge" müssten ihre Herkunft bestätigen. So würden die Verfahren um einiges verkürzt werden und die Wirtschaftsflüchtlinge gehören SOFORT wieder in ihre Heimat geschickt.

Ob ich nun als Fremdenasser hingestellt werde, ist mir ehrlich schnurz und habe kein Problem damit.

GEDANKEN SIND FREI, jeder Mensch soll sich Gedanken machen (dürfen).

 
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nanny
vor 9 Jahren

Naja, das Thema ist "heiß". Es geht ja nicht nur um die momentane Unterbringung, ein sicher zu lösendes Problem, sondern um das "und was dann?" Irgendwie habe ich ein eigeartiges Bauchgefühl; warum haben die meisten Flüchtlinge ihr Handy dabei - aber keinerlei Ausweispapiere? Urkunden zum Nachweis ihrer Identität? Ihrer Bildungsabschlüsse? Sind doch wichtige Papiere, die ich nötigenfalls (damit sie mir niemand abnimmt) auch in am Leib zu tragenden Kleidungsstücke einnähen würde? Und wenn Asyl gewährt wird: Arbeitsplätze? Wohnungen? Ärztliche Versorgung? Alles wäre bewältigbar, wenns eben nur jetzt "rund geht" und in ein oder zwei Jahren ebbt alles ab. Aber bei der kriegerischen und wirtschaftlichen Lage im Osten, in Afrika usw. schaut es ja nicht danach aus. Wie lange halten wir das durch?

 
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spitzeFeder
vor 9 Jahren

Wow.

Herr Pirkner, einfach nur DANKE für diesen Kommentar.

Bitte, bitte liebe Leser: Nehmt ihn euch zu Herzen, diesen Kommentar, und helft, wenn Hilfe nötig ist. Und Hilfe gegenüber unseren Mitmenschen - wo auch immer auf dem Globus die Hilfesuchenden geboren wurden - ist nötiger denn je zuvor.

 
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Macki
vor 9 Jahren

Mir tun die richtigen Asylsuchenden im Jahr 2016 oder 2017 leid, die dann nicht mehr nach Europa kommen, weil die Grenzen geschlossen werden. Alle die glauben mit Sprüchen wie "es geht um Menschen" und "wir haben genug Platz" löst sich das Problem, werden erkennen müssen, dass die europäischen Medien die Büchse der Pandora geöffnet haben und der Strom an Menschen aus dem Süden nicht abreissen wird. Ich zB hab keine Angst vor Afrikanern, hab ja lange in Wien und Innsbruck mit ihnen zu tun gehabt, aber ich will auch keine 5 fremde Österreicher in meinem Haus aufnehmen müssen. Vor allem mit der Aussicht dass es demnächst 10 sind. Man kann dieses Problem auf Rassismus runterziehen, aber ich merke eher, dass die Österreicher logisch denken und wissen, dass wir nicht jedes Jahr 100.000 Personen aufnehmen und versorgen können.

 
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Zuckerpuppe
vor 9 Jahren

Herr Pirkner! danke für diesen Artikel! Diese "wer hat Angst vorm schwarzen Mann" Mentalität k... mich an. Syrien z.B war vor dem Krieg ein wunderschönes und kulturell sehr interessantes Land - die Menschen freundlich. Schade dass es Einheimische (und dazu gehören auch österreichische Politiker) gibt, die nicht erkennen, dass es nur reine Glücksache ist, wohin man geboren wird.... sein wir doch ein bisschen dankbar dafür und helfen wi. Ich hätte kein Problem damit, eine Flüchtlingsfamilie in der Nachbarschaft zu haben. Und sein wir doch ehrlich: in jeder Gemeinde gibt es irgend ein leerstehendes Gebäude, das geeignet wäre - jedenfalls besser geeignet als ein Zelt.

 
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Spitzkofel
vor 9 Jahren

@ rosemarie

Leider Gottes (wie treffend) haltet sich dir Kirche großteils raus. Wieviele Klöster, Pfarrhäuser, Kirchengebäude usw. stehen (trotz vorhandener Infrastruktur) leer! Ich würde mich getrauen zu behaupten, dass es Hunderte sind! Meiner Meinung nach verhält sich die Kirche im Grunde genommen weder menschenfreundlich, noch hilfsbereit. Sicherlich eine, für manche, harte Aussage, aber .... vom Beten alleine ist noch keinem Flüchtling geholfen!

@ Bürgermeister - gebe es eine Quote für jede Gemeinde, von klein bis groß, würden wir den Flüchtlingen ausreichend Plätze zur Verfügung stellen können! Bsp. Würde jede Gemeinde z.B. wie Lienz ca. 1% Flüchtlinge aufnehmen, wären in Österreich ca. 85.000 Plätze geschaffen! Bsp. - St.Jakob im Defereggental -- hier wären es nicht mal 10 Personen

Kommen Personen anderer Nationalität als Touristen (egal welcher Herkunft, Glauben, Hautfarbe, ...) sind sie in Massen willkommen um Ihnen das Geld aus der Tasche zu ziehen - Kommen sie weil Ihre Häuser zerbombt sind und sie Ihre Familie in Sicherheit bringen wollen, schauen viel zu viele einfach weg!

Einfach 70 Jahre zurückdenken - Vielen unserer Eltern, Großeltern, ... usw. ging es genauso!

#refugeeswelcome

 
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ohli
vor 9 Jahren

danke, danke für diesen Kommentar! wir ALLE sind gefordert unseren Mitmenschen zu helfen! Begrüßen würde ich, wenn die kath. Kirche ( Ortspfarrer) den Bürgermeistern helfen würde- IHR "Wort" würde sicher gewichtig sein.

 
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Spitzkofel
vor 9 Jahren

@ Pirkner Gerhard

Ich bin nicht immer einer Meinung mit Ihren Kommentaren - aber in diesem Fall stimme ich Ihnen 1000%ig zu!

Ich würde es auch sehr begrüßen wenn Dolomitenstadt (liberales, weltoffenes Online-Medium, unabhängig von politischen Parteien, Institutionen und Interessengruppen) ein Zeichen setzen würde - und zwar im wahrsten Sinne des Wortes.

Wie wärs mit dem "Refugee Welcome" Logo - an prominenter Stelle auf dieser Plattform! Vielleicht regen Sie damit viele Bürger zum Nachdenken an!

Würde mich sehr freuen!

 
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Lienz4ever
vor 9 Jahren

Stimmt absolut! Diese Verantwortung haben wir!

 
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MadMagistah
vor 9 Jahren

Super Kommentar!!! Teile zu 100% Ihre Meinung

 
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