Es ist schwierig, nicht Geld zu produzieren
Es ist schwierig, nicht Geld zu produzieren
Ein Gespräch mit dem gebürtigen Lienzer Robert Moser, der nach einer erfolgreichen Bankkarriere nach neuen Wegen suchte, eine Psychotherapieausbildung macht und kürzlich zum Vorstand einer etwas anderen Bank wurde: der Bank für Gemeinwohl.

Was ist Gemeinwohl?

Gemeinwohl ist, wenn etwas mehreren zugutekommt, nicht einem Einzelnen. Ein Beispiel ist ein Wiener Wohnbauprojekt, das 40 Personen miteinander nach ökologischen und nachhaltigen Kriterien aufgebaut haben und in dem sie jetzt wohnen.

Auf die Bank für Gemeinwohl umgelegt: Man hat nicht nur sein Konto, sondern auch Aufgaben?

Wenn man Genossenschafter ist, kann man die Rahmenbedingungen festlegen. Ins Bankgeschäft oder in einzelne Kredite einzugreifen, ist nicht möglich. Die Herausforderung wird, die Mitbestimmung für 40.000 Leute zu organisieren. Es sind so viele, denn das Projekt soll aus der Zivilgesellschaft heraus entstehen.

Wie viel Geld muss man haben, um mitzumachen?

200 Euro. Damit kann man das Minimum von zwei Genossenschaftsanteilen kaufen. Das Maximum sind 100.000 Euro, damit niemand die Bank kaufen kann.

Warum sollte ich meine Bank wechseln?

Damit ich weiß, was mit meinem Geld passiert. Bei uns ist transparent, wofür wir das Geld verwenden. Männer und Frauen verdienen gleich viel und die Differenz zwischen dem mit dem geringsten und dem mit dem höchsten Gehalt beträgt maximal das Fünffache.

Was unterscheidet die Bank für Gemeinwohl von den Ethikbanken? 

Die Gemeinwohlorientierung. Normale Wohnungsfinanzierung werden wir nicht machen, weil das nicht dem Gemeinwohl dient, außer es ist ein ganz neues Energiekonzept, wodurch man sehr viel CO2 spart oder nachhaltig baut.

Ich kann nicht zu euch kommen, wenn ich einen Kredit für ein Auto brauche?

(lachend) Nein.

Für mein Fahrrad vielleicht?

Das Fahrrad wäre überlegenswert. Es animiert Leute mitzumachen, weil wir keine Konsumfinanzierung machen und Firmen nur finanziert werden, wenn sie den Gemeinwohlkriterien entsprechen, faire Arbeitsplätze bieten und einen wertschätzenden Umgang mit Menschen haben. Wenn man heute für eine Region, in der es keine Arbeitsplätze gibt, Arbeit schafft, nachhaltig produziert, keine langen Lieferwege hat, dann ist das ein Vorzeigeprojekt, wie jener Schuhproduzent im Waldviertel.

Jeder behauptet heute, nachhaltig zu sein. Habt ihr dafür Kriterien festgelegt?

„Nachhaltig“ und „ethisch“ kann man nur für sich selbst definieren: Ethisch ist, wenn du noch in den Spiegel schauen kannst, und nachhaltig, wenn die Enkelkinder solch eine Welt vorfinden, wie wir sie haben.

Kann man mit vielen kleinen Projekten etwas ändern?

Das ist das Faszinierende, die Leute sagen nicht: „Die Banken sind so, da kann man nichts machen“, sondern sie sagen: „Gründen wir doch eine eigene Bank!“ Es arbeiten 100 Freiwillige bei uns. Ohne Bezahlung. Sie kommen zwischen zwei Arbeitsplätzen zu uns. Viele machen ein Ausbildungsjahr oder eine Bildungskarenz.

Wenn ich fünf Stunden pro Woche hätte und mitarbeiten möchte?

Dann schauen wir, wo es am besten passt. Es gibt vier Arbeitskreise: Bankplanung, Genossenschaftsentwicklung, Kampagne & PR, Informationstechnologie & Sicherheit. Der Leiter sitzt wiederum im Koordinationskreis, wo die Entscheidungen getroffen werden.

Es entscheidet nicht der Vorstand, Christine Tschütscher und du?

Genau. Jetzt, da wir eine Genossenschaft sind, haften wir beide. Wenn wir etwas nicht machen wollen, machen wir es nicht. Aber wir haben die soziokratische Abstimmung, wo starker Widerstand ein Projekt oder eine Idee scheitern lässt.

Das soziokratische Prinzip ist mehr als ein Konsens?

Ja. In der Sparkasse Kitzbühel meinte ich, wir sollten es ganz demokratisch machen, und habe bei der Jahresplanung Menschen aus jeder Abteilung eingeladen. Heute erst merke ich, dass immer nur die entschieden haben, die den Mund am weitesten aufmachten.

Das kann in der Soziokratie nicht passieren, weil nachgefragt wird. Man weiß, man wird gehört, muss nicht nervös werden, quer rufen oder etwas zerstören. Man kann auch seine Meinung ohne Gesichtsverslust ändern.

Ich kenne diesen Prozess nur vom Occupy Movement.

(lachend) Die Leute sind schon begeistert, wie das läuft. Es braucht Zeit, aber es entstehen dadurch bessere Ideen.

"Früher wusste man: Jemand hat Schuhe gemacht, hat dafür Geld bekommen und konnte es weiter verwenden.
Wenn man aus Geld Geld machen kann, wird jede Kreativität untergraben."
Robert Moser

Nochmals zurück zur Nachhaltigkeit: Man macht ja nicht so einfach bei solch einer Bank mit. Ist das für euch auch ein Lebenskonzept?

Ja. Ich habe vor ein paar Jahren angefangen, Psychologie zu studieren und Vorträge darüber zu halten, ob es Sinn ergibt, heute in einer Bank zu arbeiten. Auch, ob man im Leben Spuren hinterlassen kann, wenn man in einer Bank arbeitet.

Positive Spuren, für die Gesellschaft?

(lachend) Ja, negative haben andere Bankmanager hinterlassen. Was mich am meisten gestört hat, war der Druck auf die Menschen, etwas zu verkaufen. Auch dass sehr viele Geschäfte keinen realen Hintergrund mehr gehabt haben. Georg Simmel sagte einmal, Geld sei seines Ursprungs entkleidet. Man weiß nicht mehr, woher es kommt. Früher wusste man: Jemand hat Schuhe gemacht, hat dafür Geld bekommen und konnte es weiterverwenden. Wenn man aus Geld Geld machen kann, wird jede Kreativität untergraben. Man muss dann nicht mehr überlegen, was man für die Gesellschaft tun kann, sondern schaut nur noch auf sein Geld und dass es mehr wird.

Die Bank für Gemeinwohl wird doch auch Geld einnehmen.

Es ist schwierig, nicht Geld zu produzieren, doch wir werden schauen, dass Kredite und Einlagen einander die Waage halten.

Geht das im internationalen Bankensystem überhaupt? Man muss ja Rücklagen bilden.

Es ist schwer. Aber auch unsere Rücklagen müssen dem Gemeinwohlprinzip genügen. Wir werden hauptsächlich in Staatsanleihen investieren. Es ist dann sicher schwerer, Gewinne zu erzielen, aber darum geht es uns ja nicht. Wir brauchen Gewinn, um Rücklagen zu bilden und das Eigenkapital zu stärken, aber nicht um Gehälter in dem Ausmaß zu zahlen, wie es sonst üblich ist.

Kann man bei euch auch „normale“ Bankgeschäfte abwickeln, ein Gehaltskonto haben oder ein Sparbuch?

Ja. Beim Sparbuch bekommt man eine marktübliche Verzinsung angeboten, doch man kann auf die Hälfte der Zinsen verzichten und dieser Teil kommt in einen Gemeinwohlfonds. Damit werden Projekte gefördert, die sonst vielleicht nicht umgesetzt werden könnten.

Das Crowdfunding etwa ist bei uns die Kreditplattform. Ein Unternehmer möchte ein Projekt machen und ist bereit so oder soviel zu zahlen. Die Bank bietet es den Kunden an. Der Nachteil ist, dass normale Spareinlagen gesichert sind, dieses Geld aber nicht. Du hast das Risiko und vielleicht einen höheren Ertrag.

Können auch künstlerische Projekte finanziert werden? Ein Film über Nachhaltigkeit vielleicht?

Durchaus, weil er wieder Menschen auf die Idee bringt, nachzudenken.

Wird dir insgesamt schnell langweilig?

(lachend) Ja, Dinge werden zur Routine, was schädlich für Innovation und Kreativität ist.

Ist Kreativität auch wichtig für das Gemeinwohl?

Ja, damit man das Nachdenken über Dinge fördert. Viele Menschen denken nur dann nach, wenn ihnen die Arbeit nicht passt. Niemand denkt darüber nach, wie es sein müsste, damit es ihnen gefiele.

Hier gibt es viele Menschen, die die Dinge nicht einfach hinnehmen, sondern sie hinterfragen. Fragen ist die beste Methode, um weiterzukommen.

Gibt es ein Modell, an dem ihr euch bei der Bankengründung orientiert habt?

Hauptsächlich an der GSL Bank in Deutschland und der GFB in Basel. Diese beiden Ethikbanken unterstützen uns. Sie werden Genossenschafter. Auch österreichische Banken unterstützen uns.

In Österreich arbeiten zwei Banken mit einer Gemeinwohlbilanz, die jeweils von der Gemeinwohlökonomie nach den Kriterien der Gemeinwohlmatrix geprüft wird: Das sind die Raiffeisenbank in Lech und die Sparkasse in Dornbirn. Sie haben vielleicht nicht 100 Punkte, doch die Einstellung ändert sich. Auch das ist ein Anliegen von uns, dass sich die Einstellung der anderen Banken ändert.

Eine Gesellschaftsveränderung?

Das klingt zu groß, aber alles, was du sagst und tust, ändert etwas, zum Guten oder Schlechten.

Man braucht sich nicht ohnmächtig zu fühlen?

Ganz und gar nicht! Es gibt immer wieder Wege. Wenn eine Tür zugeht, geht eine andere auf. Nur sieht man sie meist nicht, weil man immer nur auf die Türe schaut, die zugegangen ist. Man muss sich nur einmal umdrehen!

All diese Fragen, die wir hier behandeln, kommen, wenn es einem nicht gut geht, und mit dem Alter. Ich glaube, dass die Sinnfrage eine Altersfrage ist.

Sinn ist, wie bei Viktor Frankl, auf schöpferische Werte aufgebaut. Wenn ich Freunde habe, Familie, eine Arbeit, die mir taugt, wenn ich Sport mache und mit mir selber zufrieden bin, habe ich viele Werte. Wenn plötzlich einer nicht mehr da ist, kann ich mit den anderen weiter bestehen. Viele Menschen haben die Arbeit als einzigen Wert. Wenn die weg ist, ist alles weg.

Das klingt nach einer Lebenseinstellung, nicht nach einem Arbeitsplatz.

Mhm. Eines ist noch ganz wichtig: die Dinge tun, die man tun will! Nicht darüber reden, sondern tun. Ich wollte als Kind alles Mögliche werden und meine Eltern haben gesagt: „Probier’s.“ Dann hat man es halt probiert, es war vielleicht nichts, man kam zurück und hat das Nächste probiert. Eltern können viel beeinflussen, wenn sie das alles zulassen. Sie können einem Kind die Versicherung geben, wenn es nicht funktioniert, eimmer inen Hafen zu haben, in den man zurück kann.

Das klingt nach einer Welt, wie man sie gerne hätte. Aber angenommen es kommt eine große neue Wirtschaftskrise, seid ihr flexibler als andere?

Wir werden sicher flexibler sein, weil von der Grundeinstellung her ganz andere Menschen da sind. Aber gesamtwirtschaftlichen Systemen bist du immer ausgeliefert. Man kann das System nur langsam verändern.

Bist du einer der Bankgründer?

Nein, die Idee kam von Christian Felber.

Von attac?

Ja. Er hatte die Idee. Sie haben das vier Jahre lang mit Spenden erhalten. Ich habe die Psychotherapieausbildung gemacht, da sagte ein junger engagierter Arzt eines Tages zu mir: „Du, da wollen sie jetzt eine Bank gründen, da wärst du genau der Richtige.“ Ich antwortete ihm: „Mit Banken musst du mich in Ruhe lassen.“ Trotzdem hat er mir die Informationen geschickt.

Ich wollte ihn nicht enttäuschen, also meldete ich mich an, um dann sagen zu können, ich hätte es probiert. Es waren 60 Bewerbungen und zehn Leute wurden eingeladen. Dann dachte ich mir, ich fahre da auch noch hin und danach sage ich ihm, ich habe alles getan, was möglich war. Letztendlich bin ich dann hier gelandet.

Wo wärst du jetzt ohne ihn?

(zögernd) Was mir sehr gefallen hat, waren die drei Monate im Reha-Zentrum während meines Propädeutikums. Da waren viele Leute mit Burn-Out oder psychosomatischen Geschichten: zu viel arbeiten, zu wenig auf sich selbst schauen. In diese Richtung wollte ich etwas tun, weil ich von beiden Seiten eine Ahnung habe, von der Wirtschaft und jetzt auch im psychosomatischen Bereich.

Dir ist stets der Mensch wichtig, oder?

Das Wichtigste! Solange ich jung war, hatte ich das auch nicht so. Ich habe relativ viel gearbeitet und bin auch sehr schnell weitergekommen.

Du warst früh im Vorstand einer Bank.

Ja. Ich habe auch früh geheiratet, vor der Matura. Wir sind noch gemeinsam ein Jahr in die Schule gegangen. All das war prägend für mein Leben.

Gerade bei einer Bank für Gemeinwohl würde man meinen, dass es um das Persönliche geht. Wird es viele Filialen geben?

Ich bin ein Fan von Filialen, weil es für viele Menschen fast die einzigen sozialen Kontakte sind. Aber wir brauchen einen ganz neuen Zugang, weil man sich sonst als neue Bank keine Filialen leisten kann. Vielleicht finden wir etwas ganz Neues.

Ein Café für Gemeinwohl vielleicht?

Genau. In Kitzbühel habe ich Sonnentor zu einem günstigen Preis in die Hälfte der Filiale gebracht, das ist sympathischer als ein Geldtempel. Da steht „Sonnentor – Sparkasse“, das klingt irgendwie gut.

Fast hippiemäßig.

Wir sind keine Gegner der anderen Banken. Wir arbeiten mit einigen zusammen und sie wissen auch, dass ihre Mitarbeiter hier freiwillig mitarbeiten. Es interessiert sie ja auch, was wir tun und was man übernehmen kann.

Das erinnert an Karl Marx, der als der „Retter des Kapitalismus“ gilt.

(lachend) Die Konzepte scheitern halt nach der Reihe, weil einige Fundamentalisten ihre Geschichte durchdrücken.

Credits
  • Autorin: Daniela Ingruber
  • Fotografie: EXPA/Michael Gruber

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