Heavy
Metal
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An ihrem Körper zu arbeiten ist für Sonja Egger pures Wohlbefinden, Berufung und Beruf. Das Ergebnis kann sich sehen lassen und führt nicht selten zu Diskussionen. Mit Dolomitenstadt sprach die Kraftsportlerin über Frauen mit Muskeln, die Technik des Armdrückens und ihre wirkliche Kraft: Das positive Denken.

Mit Sonja Egger zu plaudern ist unterhaltsam. Mitten im Gespräch messen wir uns plötzlich am Besprechungstisch in der Dolomitenstadt-Redaktion im Armdrücken. Wer gewonnen hat, werden die meisten Leser ahnen. Dabei kommt es, versichert mir Sonja glaubwürdig, auf die Technik an, nicht auf die Muskeln. Na dann! Und ich dachte schon, mit meinen Muckis stimmt was nicht. Sonja sitzt vor mir in Shorts und schulterfreiem Shirt und ich muss einfach auf ihre Beine und Arme schauen – hm, starren. Sie kennt das, weil sie dauernd angestarrt wird, von Frauen wie Männern, mehr oder weniger offen. Wird sie auch angesprochen? „Ja, immer wieder einmal“, lächelt die Kraftathletin, die auf einem Bauernhof am Matreier Klaunzerberg aufwuchs, als Älteste unter vier Geschwistern.

Eine Stunde zur Schule, eine Stunde retour, vielleicht war auch das prägend, wie einige andere Qualitäten, die Sonja aus Matrei mitnahm. „Zum Beispiel eine gute Singstimme, die hab ich von meiner Oma geerbt“, lächelt sie und erzählt mir, dass sie bei Taufen singt. Unter die unverkennbar vom Matreier Idiom geprägten Ausführungen mischt sich das eine oder andere „Ne“, quasi als germanisches Satzzeichen im Iseltaler Sprechgefüge. Daran merkt man, dass Sonja lange in Deutschland war.

Zuvor absolvierte sie die landwirtschaftliche Lehranstalt in Lienz, dann die Krankenpflegeschule, ging nach Wien und schließlich weiter nach München. Als OP-Schwester vertrieb sie sich die Zeit außerhalb des Krankenhauses mit Sport auf dem Niveau, das ihrem Naturell entspricht. „Es gibt Rehe und Tiger“, erläutert Sonja Egger und ich frage nicht, zu welcher Spezies sie sich zählt. Matrei ist in Osttirol so etwas wie ein Kampfsport-Mekka, dort ranggeln schon die Kleinkinder und wer die Rauferei lieber asiatisch mag, macht Judo. Sonja kämpfte mit den Judokas und das war später in Deutschland eine gute Basis für den nächsten Tiger-Sport: Kickboxen. Ich bin froh, dass wir uns nicht in dieser Sportart gemessen haben, mir tut die Schulter noch vom Armdrücken weh.

Sonja war eine gute Kickboxerin, sauste zum Ausgleich im Winter bei Boardercross-Rennen über die Pisten und wurde sich darüber klar, dass Sport ihr Leben war. Also machte sie ihn auch zum Beruf und wurde Fitnesstrainerin. 2008 kehrte sie nach Osttirol zurück. Liegestütze auf einem Arm waren schon damals kein Problem für die Matreierin, die sich an ihren ersten sportlichen Berater erinnert: „Das war ein Strongman und da hat das Bodybuilding begonnen.“ Nun kann man Bodybuilding ja durchaus mit „Körper bauen“ übersetzen. Sonja baut an ihrem Körper.

Dabei ist viel oder groß nicht alles: „Bewertet werden auch die Symmetrie und die Ästhetik“, erklärt sie mir. Ihr Auftritt folgt einer exakten Choreografie, es ist eine Kür auf der Bühne, bei der auch „Weiblichkeit“ ein Wertungskriterium ist. Ich als Mann will natürlich Tacheles reden und frage, was sie so draufpackt auf die Hanteln? Zum ersten Mal wirkt Sonja kokett: „Keine Ahnung wieviel ich stemme. Aber ich bin froh, dass ich mein Auto alleine wo rausschieben kann.“ Sie fährt einen Kleinwagen, wie ich weiß. Ein paar hundert Kilo wiegt der auch.

Nach Topplatzierungen bei internationalen Bewerben in Deutschland feierte Sonja erst vor Kurzem bei den Int. Österreichischen Meisterschaften mit einem zweiten Platz ein weiteres Spitzenergebnis. Demnächst will sie Söhnchen Yuma zu einem Contest mitnehmen: „Ihm gefällt das.“ Und ihr selbst gefällt neben den Muskelevents noch eine andere Bühne, auf der man sie bislang erst einmal sah: der Lienzer Gemeinderat. Egger lebt in Lienz und wurde vor kurzem als Ersatzgemeinderätin der „Liste Stadt Lienz“ angelobt. Sie vertrat Listengründer Uwe Ladstädter in einer Sitzung und kam auf den Geschmack: „Das tät ich gern öfter.“ Ein Satz, der bezeichnend ist für Sonja, die gerne was ausprobiert.

Die nächste Herausforderung fällt wieder in ihre Kernkompetenz. Sie nimmt es im Armdrücken mit internationaler Konkurrenz auf, was mich – die Schulter schmerzt noch immer – nicht wundert. Schließlich ist ihr Lebensgefährte kein Geringerer als der Dölsacher Hans Peter Fuchs, Staatsmeister in dieser Kraftsportdisziplin und Mitveranstalter eines Events in der RGO-Arena, bei dem es heuer erstmals eine Frauenwertung gab. Drückerinnen aus der europäischen Oberliga kamen nach Lienz, Sonja Egger wurde Zweite und hat damit noch eine sportliche Perspektive.

Langeweile ist aber ohnehin kein Zustand für die Körperdesignerin, die zum einen sich selbst formt, zum anderen als professionelle Fitnesstrainerin anderen Frauen zu einem guten Körperfeeling verhilft. Nach dem Training spüre man den Esprit, mit dem die Frauen nach Hause gehen, man schwitzt nicht nur gemeinsam, sondern ist längst auch eine Fitness-Community: „Die fiebern vor Wettkämpfen mit mir mit und demnächst werden wir alle an den Highland-Games teilnehmen, weil’s einfach Spaß macht!“ Jetzt versteh ich’s. Es geht nicht um Kraft, sondern um positives Denken!

Und was, wenn ich auch als Mann mit Esprit nach Hause gehen möchte? In Sonjas Studio ist „gendern“ ein Fremdwort, da hat man als starkes Geschlecht ganz schwache Karten. „Man kann mich auch als Personal-Trainerin buchen“, lächelt Sonja und lässt keine Zweifel offen, dass sie mit jedem Gössermuskel fertig wird.

Credits
  • Interview: Gerhard Pirkner
  • Fotografie: Martin Lugger

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