„Im Idealfall treffen wir Kunst überall an“
„Im Idealfall treffen wir Kunst überall an“
Das „Büro für Gegenwartskunst“ wurde 2020 mit Sitz in Tirol gegründet. Seine Öffnungszeiten: 24/7, denn sein Standort befindet sich aktuell im digitalen Raum.

Betrieben wird das Büro für Gegenwartskunst im Team, iniziiert von Barbara Unterthurner, Christa Pertl und Jasmin Sermonet. Grenzüberschreitend schafft das Projekt Sichtbarkeit und Vernetzung zeitgenössischer Kunst in der ländlichen sowie städtischen Alpenregion zwischen Zürich, Bregenz, München, Salzburg, Bozen und seinem Kern Innsbruck. Wir haben uns mit den Betreiberinnen über ihre Arbeit, ihre Ziele und ihre persönlichen Eindrücke zum Status der Gegenwartskunst im transalpinen Raum unterhalten.

Christa Pertl (links), Fotografin und Marketingfachfrau, und Barbara Unterthurner, Kunsthistorikerin und Redakteurin, stehen hinter dem Büro für Gegenwartskunst.

Wieso braucht es eurer Meinung nach ein Büro für Gegenwartskunst in Tirol? Worin besteht eure Arbeit?

Unsere Ziele sind einerseits, Gegenwartskunst einem breiten Publikum zugänglich und sichtbar zu machen. Andererseits wollen wir Menschen miteinander vernetzen und Diskussionen anregen. Wir sind als digitales Projekt mit Textbeiträgen zu verschiedensten Fragestellungen rund um Gegenwartskunst gestartet, aber mit der längerfristigen Strategie, auch Veranstaltungen im analogen Raum zu organisieren, denn das Zusammenkommen und Sich-Austauschen sind für unser Vorhaben zentral. Wir sind neugierig, welches Potenzial dahintersteckt und was passiert. Aufgrund der Pandemie war unsere Tätigkeit erstmals nur online möglich. Es war ein guter Start, aber wir haben noch einige Ideen im Köcher.

Warum der nationalgrenzen-überschreitende Fokus auf den transalpinen Raum?

Wir haben da quasi in Zugzeiten gerechnet und erstmals geschaut – wo kommen wir eigentlich in zwei Stunden Fahrzeit von Innsbruck aus überall hin? Dann haben wir uns diese Orte angesehen und sind mit Leuten in Kontakt getreten. Uns ist bald einmal aufgefallen, dass ein Dialog zwischen diesen Regionen Potenzial birgt und man im Austausch durchaus voneinander lernen kann, zum Beispiel was das Förderwesen oder Künstler:innenvereine betrifft, beides ist in unterschiedlichen Regionen anders organisiert. Was auffällt ist, dass sich alle inhaltlich über die gleichen Themen unterhalten und sich überall ähnliche Fragestellungen aufwerfen.

Wie steht die Landeshauptstadt Innsbruck im Vergleich zu den anderen alpinen Städten mit Gegenwartskunst da?

Die ganz große Institution für zeitgenössische Kunst fehlt in Innsbruck – das fällt im Vergleich mit Bozen, Bregenz, mit fast allen Hauptstädten Österreichs auf. Es gibt in Innsbruck viele kleinere Institutionen, die größte Reichweite hat sicher das Taxispalais Kunsthalle Tirol mit seinem qualitativ sehr hochwertigen Programm. Jede Stadt hat eben ihre eigene Gewichtung, in Innsbruck steht dafür nun beispielsweise das Haus der Musik mitten im Kulturquartier.

Einer eurer Schwerpunkte ist „Kunst lernen“. So viele Möglichkeiten einer Kunstausbildung gibt es in Tirol nicht. Was wollt ihr damit aufzeigen?

Wir hören öfters, dass es schade ist, dass in Westösterreich eine künstlerische Weiterbildungsstätte fehlt. Was wir aufzeigen wollen ist aber: Es gibt zwar keine akademische Ausbildung für Kunst im klassischen Sinne, trotzdem bestehen aber Möglichkeiten einer Ausbildung für künstlerische Praxis – dafür mit anderen Zugängen. So setzt die Bildnerische Erziehung in Innsbruck in Kooperation mit dem Mozarteum stark auf Vermittlung also Lehre, das ./studio3 auf experimentelle Architektur sowie in Bozen das Studium für Design und Künste. In allen drei Orten kommen Studierende aber in Kontakt mit Gegenwartskunst – das wollten wir aufzeigen.

Da kommt noch was! Gespräche mit Akteur:innen im Bereich Kunst der Jetztzeit werden für Social-Media-Kanäle aufbereitet.

Eure Beitragsreihe „Transalpine Gespräche“ führt die Anmerkung: „Achtung, dieser Text könnte Dialekte enthalten“ – was steckt hinter diesem Zusatz?

Das ist eine bewusste Entscheidung, da wir wegkommen wollen von einem elitären Zugang zu Kunst. Wir bewegen uns in einem kulturellen Umfeld, in dem Alltagssprache ihren natürlichen Platz hat. Unsere Gespräche sollen einfach zugänglich sein und sind in einem Alltag verortet, der eben auch ganz klar im Dialekt stattfindet. Wir wollen mit unserem Projekt alle ansprechen, die sich in irgendeiner Form für Kunst interessieren, nicht nur Expert:innen.

Wir bewegen uns in einem kulturellen Umfeld, in dem Alltagssprache ihren natürlichen Platz hat.
Barbara Unterthurner

Ein neues Projekt von euch ist die sogenannte „Map der Gegenwart“. Auf dieser virtuellen Karte finden sich in manchen Regionen, wie beispielsweise auch in Osttirol, nicht viele Einträge zu Gegenwartskunst…

Die Karte versammelt und markiert Orte, an denen zeitgenössische Kunst ausgestellt, organisiert, diskutiert oder einfach anzutreffen ist. Wir wollten auf einen Blick sichtbar machen, dass es so viele Initiativen außerhalb der großen Zentren gibt. Wenn also jemand einmal auf dem Weg nach Bregenz auch in Dornbirn und Feldkirch Halt macht, um etwas Neues zu entdecken, dann hat sich das Vorhaben schon ausgezahlt. Dabei wollen wir uns aber keinesfalls als Expert:innen mit dem Anspruch auf Vollständigkeit präsentieren.

Vielmehr freut es uns, wenn viele Menschen mitmachen und uns informieren, sobald sie zum Beispiel über Kunst im öffentlichen Raum stolpern oder wir in unserer Map eine Einrichtung übersehen haben. Wenn jeden Tag ein Ort dazukommt, sind wir auf dem richtigen Weg. Im Moment haben wir schon zweihundert zusammengetragen. Auch haben wir von Osttiroler:innen gehört, dass es dort noch Potenzial nach oben gäbe. In unserer Map verzeichnet ist auf alle Fälle das RLB Atelier Lienz, wo Silvia Höller immer sehr gute Ausstellungen bringt.

Macht ihr selber auch Kunst? Das Erscheinungsbild eures digitalen Büros wirkt jedenfalls sehr künstlerisch…

Nein, wir machen selber keine Kunst! Wir begreifen unsere Arbeit auch nicht als journalistischen Zugang, sondern sind in diesem Kontext Kulturarbeiter:innen. Auch das Netzwerken und Sichtbarmachen gehört unserer Meinung nach zur Kulturarbeit und dementsprechend gefördert. Zusätzlich sind wir recht unkonventionell unterwegs und offen für experimentelle Zugänge, in der Art wie wir kommunizieren. Im digitalen Raum, auf Social Media gibt es viel Raum dafür. So etwas wie eine Künstlerin ist da höchstens Jasmin, unser Grafik-Genie, die es geschafft hat, dem Projekt ein ästhetisch anspruchsvolles, unkonventionelles und stets ein wenig unruhiges Aussehen zu geben. So nehmen wir uns auch wahr.

Ihr habt auch einen eigenen YouTube-Channel sowie eine Playlist auf Spotify. Welche Art von Inhalten erwarten uns dort zukünftig?

Wir probieren uns gerade in alle Richtungen aus. Gerade sind wir mit unserem wöchentlichen Newsletter, der an einer internationalen Diskussion ansetzt und sie mit lokalen Themen verwebt, sehr erfolgreich. Wir wollen den digitalen Raum aber auch mit allen Kanälen benutzen, die er hergibt. „Multimedial“ war für uns schon immer ein zentrales Stichwort. Via YouTube wollen wir Einblicke in die Arbeit geben, auf Spotify gibt es Empfehlungen zu Podcasts und Playlists. Wir können auf alle Fälle aber schon mal vorgreifen und verraten: Da kommt noch was.

Credits
  • Autorin: Brigitte Egger
  • Fotografie: Büro für Gegenwartskunst

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