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Alle Fotos: Ramona Waldner

Alle Fotos: Ramona Waldner

Daumen grün, Garten bunt

Das Wort „Garten“ allein reicht wohl nicht ganz aus, um die Biotope zu beschreiben, die wir auf den nächsten Seiten besuchen. Zu banal erscheint es, zu gewöhnlich – einen Garten hat fast jeder. Und die Gärten, die wir uns ansehen, sind alles andere als gewöhnlich.

Uns erwartet eine unbeschreibliche Vielfalt an Kräutern, Gemüse, Blumen und auch Tieren, die beinahe paradiesisch anmutet. Und wachen Augen wird nicht entgehen, dass diesen Gärten auch eine gewisse Wildheit innewohnt. Wenig haben sie gemein mit mächtigen Plantagen oder fast steril scheinenden Gewächshäusern.

Das Zauberwort – oder wohl eher der Zauberspruch – heißt „Natur im Garten“. Dabei handelt es sich um den Namen einer Initiative des Tiroler Bildungsforums. Sie soll die Bevölkerung des Bundeslandes motivieren, sich für „naturnahe“ und vielfältig gestaltete Gärten einzusetzen, die Lebensraum für Mensch, Pflanzen und Tiere gleichermaßen bieten. Die Kernaufgabe besteht dabei in der Vermittlung von Wissen und Fertigkeiten zur ökologischen Gestaltung und Pflege von Gärten und Grünräumen. Das Forum „Blühendes Tirol“ vergibt seit 2014 die „Natur im Garten“-Plakette für naturnahe Gärten.

In Osttirol ist es Gerald Altenweisl, der als Koordinator und Prüfer die angemeldeten Gärten genau unter die Lupe nimmt. Er unterstreicht die besondere Bedeutung der über 100.000 Gärten in Tirol. „In der Zeit der intensiv genutzten landwirtschaftlichen Flächen sind naturnahe Gärten und Grünanlagen nicht nur in der Stadt, sondern auch auf dem Land wichtige ökologische Trittbretter für Pflanzen und Tiere.“

Will man die „Natur im Garten“-Plakette einheimsen, spielt auch die Gestaltung des Gartens eine Rolle.

Darum also will man alle für das freudvolle ökologische Gartln begeistern. Und tatsächlich, mitmachen kann fast jeder: Vom Balkongarten über Schulgärten bis hin zu öffentlichen Parkanlagen. Tatsächlich spielt es auch keine Rolle, wie groß oder „schön“ so ein Garten ist. Nur einige Kriterien müssen eingehalten werden: Zum Beispiel braucht so ein naturnaher Garten ein „Wildes Eck“. Galt früher ein Stück nicht gemähter Wiese als ungepflegt, weiß man heute um dessen große Bedeutung als Rückzugsort für kleinere Tiere und Insekten.

Die drei Kernkriterien sind der Verzicht auf Pestizide, Kunstdünger und Torf. Diese bilden die Grundlage und müssen zur Gänze erfüllt werden. Als Faustregel gilt: Was beim biologischen Landbau erlaubt ist, ist auch im Garten erlaubt. Auch die ökologische Bewirtschaftung, wie zum Beispiel Regenwassernutzung, spielt eine Rolle, ebenso wie Naturgartenelemente – in diese Kategorie fällt etwa das genannte „Wilde Eck“. Außerdem wird auch auf die Gestaltung des Gartens ein Augenmerk gelegt. Erfüllen die grünbedäumten Gartenbesitzer mindestens 17 Punkte der Kriterien-Checkliste, bekommen sie feierlich die Plakette verliehen und dürfen ihre Gärten fortan als „naturnah“ bezeichnen.

Die Auszeichnung mit der Plakette ist für die Naturgärtner einerseits Motivation, andererseits auch eine Bestätigung, dass sie auf einem guten Weg sind. Naturgärten werden von Freunden exzessiver Gartenpflege manchmal belächelt oder gar als verwahrlost empfunden. Zu Unrecht. Außerdem sind die Naturgärtner durch die Aktion in ein Netzwerk eingebunden, werden über Neuigkeiten und Veranstaltungen informiert und genießen sogar manche Vergünstigung. Momentan gibt es in Osttirol rund dreißig ausgezeichnete Gärten und auch in diesem Jahr wurden wieder einige angemeldet.

Wir haben uns drei „Naturnahe Gärten“ in Osttirol genauer angesehen und in jedem von ihnen eine Besonderheit entdeckt.

Mehr Informationen unter
www.tiroler-bildungsforum.at

„Unser Garten ist Balsam für die Seelen und perfekter Ausgleich für Körper und Geist.“

Christa und Thomas Haidenberger

Wer Christa und Thomas Haidenberger aus Iselsberg-Stronach hinters Haus folgt, findet sich in einem imposanten Garten wieder – ein paar hundert Quadratmeter ist er groß. Früher war hier nur ein steiler Hang voller Haselnussstauden – Christa und Thomas haben ihn eigenhändig in mehrere mit allerlei Pflanzen bewachsene Terrassen gegliedert. Die Besonderheit an ihrem Garten: Er besteht nahezu vollständig aus recyceltem Material.

Das hübsche Geländer stammt aus der Volksschule Nußdorf-Debant und wäre schon längst auf dem Müll gelandet, hätten es die beiden Lehrer, die an der Volksschule Iselsberg-Stronach unterrichten, nicht entdeckt und kurzerhand für ihre Zwecke umfunktioniert. Nun führt es über die Terrassen hinauf zum Tomatenhaus, das ebenfalls ein komplett recyceltes Produkt ist. Es besteht aus nicht weniger als acht ausrangierten Duschkabinen. Thomas hat sie von einem Schrotthändler. Sie eignen sich perfekt, um den Tomaten das richtige Klima zu bieten, außerdem sind sie auch die ideale Übergangsstation für Blumen.

Bei Christa und Thomas Haidenberger: aus Alt mach Neu. Die Besonderheit am Garten der Haidenbergers: Er besteht fast zur Gänze aus recycelten Materialien.

Tomaten werden meist reichlich geerntet – der Keller ist gerammelt voll mit Einmachgläsern. Der Inhalt: Christas selbst gekochtes Tomatensugo. Beim Tomatenzüchten hat jeder Gärtner eine eigene Technik, die Haidenbergers belassen zum Beispiel während des Heranreifens den Großteil der Blätter an der Pflanze. „Sonne allein macht keine Tomate rot“, ist Thomas überzeugt.

Ein weiteres Gewächshaus ist gerade im Entstehen – die Pflanzen darin wachsen nicht etwa ganz gewöhnlich in Blumentöpfen, ihnen dienen alte Kanister als Beet. Das Gerüst besteht aus einem ehemaligen Unterstellplatz für Einkaufswagen. Werden in anderen Gärten zur Hangsicherung sogenannte „Krainerwände“ aus Holz verwendet, haben sich die Haidenbergers auch hier etwas Besonderes einfallen lassen. In ihrem Garten bestehen diese aus Beton. Thomas selbst hat sie mithilfe einer alten Leitschiene gegossen.

Das Gewächshaus war früher ein Einkaufswagenunterstand.
„Geschenkte Blumen gedeihen besonders gut!“ – Wie die Sommeranemone, die die Haidenbergers von einem befreundeten Paar erhalten haben.

In diesem fröhlichen und bunten Durcheinander von Blumen, Gemüse, Trockensteinmauern und Teich fühlen sich auch die Ringelnatter, Glattnatter, Blindschleiche, der Alpenskorpion und noch einige andere Tierchen wohl. „Mir tun diese Tiere leid, weil kein Mensch sie mag. Also habe ich beschlossen: Ich mag sie“, erzählt Christa. Außerdem seien sie sehr nützlich, weiß die Gärtnerin. Hier gibt es in einem spannenden Artikel über Reptilien in Osttirol mehr über diese Tiere zu erfahren.

Auch Unkraut ist in diesem Garten nicht nur geduldet, sondern gern gesehen. Für die  Haidenbergers gibt es nämlich keine Unkräuter, bei ihnen laufen diese unter dem Namen „Beikräuter“ – und landen schon mal im Salat. Die Gemüsepflanzen wachsen in Mischkulturen, zum Beispiel vertragen sich Zwiebeln besonders gut mit Karotten, dazwischen blühen viele bunte Kräuter und Blumen. Einige davon kommen von befreundeten Gärtnern, mit denen die Haidenbergers gelegentlich Pflanzen tauschen. Sie beschenken sich auch gegenseitig, sehr zur Freude von Christa, denn: „Die geschenkten Pflanzen gedeihen immer besonders gut“, ist sie sich sicher.

Für die Errichtung der Trockensteinmauer hat Thomas Steine aus der Umgebung zusammengetragen.
Acht ausrangierte Duschkabinen bieten den Tomaten ein ideales Klima.

Übrigens: Auch der Schulgarten der Volksschule Iselsberg wurde in diesem Jahr mit der „Natur im Garten“-Plakette ausgezeichnet.


Christa und Thomas kochen:
Tomatensalsa

Zutaten
1,5 kg Tomaten, 70 dag Zwiebeln, 10 dag Knoblauchzehen, 75 dag Paprika grün, einige scharfe Pfefferoni (frisch oder aus dem Glas), Salz, Essig, Zucker

Zubereitung
Gemüse putzen und in Stücke schneiden, dann durch den Fleischwolf drehen. Das faschierte Gemüse mit etwas Olivenöl in einen Kochtopf geben und aufkochen. Mit Zucker, Salz und Essig abschmecken. Langsam einkochen lassen, damit die Salsa dickflüssiger wird und nach Erreichen der gewünschten Konsistenz heiß in kleine Schraubgläser füllen und sofort fest verschließen.


„Wer hätte gedacht, dass Gartenarbeit Freude macht?“

Ottilie Stemberger

Ottilie Stemberger wurde – für sie völlig überraschend – vom Gartenfieber gepackt. Zwar sei sie am Bauernhof aufgewachsen, habe aber als Kind im Garten nur gerne Erdbeeren gepflückt. Die Idee, beim neu gebauten Haus auch einen Garten anzulegen, kam eigentlich von ihrem Mann. Vier Hochbeete wurden gebaut, die Erde mit altem Pferdemist vom Nachbarn und Kompost gemischt, danach noch mit Hornspänen gedüngt – und alles wächst und gedeiht. Eine besondere Zierde in Ottilies Garten ist der Mohn. Der Samen stammt von einem Imker und gehört zu einer alten Sorte, die man schon früher im Defereggental angebaut hat. Geerntet werden die schon trockenen, braunen Mohnkapseln. Diese werden dann in Büschel gebunden und noch einige Tage am Balkon nachgetrocknet.

Bei Ottilie Stemberger: Hoch das Beet! Ottilies Pflanzen gedeihen in selbstgebauten Hochbeeten. Der große dekorative Stein in der Mitte war der erste und größte, der beim Grundausheben auftauchte.

„Als letztes Jahr der Obst- und Gartenbauverein Defereggental gegründet wurde, war Gerald Altenweisl ganz begeistert, wie es in den Hochbeeten hier auf 1.330 Meter Höhe wuchert“, erzählt Ottilie stolz. Inzwischen ist die ehemalige Amtsleiterin von St. Veit Schriftführerin im Verein und glückliche Besitzerin der „Natur im Garten“-Plakette. Durch ihr Mitwirken sind auch noch weitere interessante Gartenprojekte im Defereggental geplant – der Verein interessiert sich auch für alte Obstbäume und plant, eine Streuobstwiese anzulegen.


Ottilie kocht:
Kesseliskrapflen mit Mohnfülle

Zutaten
Krapfenteig: 500 g Weizenmehl, 3 ganze Eier, 2 EL Butter, ½ Stück frischer Germ, Prise Salz, etwas Zucker, knapp ¼ l warme Milch und ein ordentlicher Schuss Rum oder Schnaps Mohnfülle: geriebener Mohn, Zucker, Vanillezucker, etwas Zimt, ein Schuss Rum und ein wenig Milch

Zubereitung
Einen glatten Germteig zubereiten, zu einer Rolle formen und in drei Zentimeter große Stücke schneiden, diese flachdrücken, bis schöne Kreise daraus werden. Für die Fülle alle Zutaten leicht aufkochen und dann abkühlen lassen. In die Mitte jedes Teigblattes einen gehäuften Teelöffel der Mohnfülle geben, zusammenschlagen und den Teig an den Rändern gut zusammendrücken. Etwas aufgehen lassen, in einem hohen Topf Öl gut erhitzen und vorsichtig herausbacken. Abtropfen lassen, mit Staubzucker bestreuen und zum Kaffee servieren.


„Wer einen Garten besitzt, egal wie groß, trägt eine Verantwortung.“

Brigitte Vogl-Lukasser

In Assling, weit oberhalb der Pustertaler Höhenstraße, auf 1.450 Höhenmetern, findet man den Binderhof, wo Brigitte Vogl-Lukasser ihr Domizil hat. Die alte Hofstelle brannte ab und wurde 2003 mitsamt dem Haus neu aufgebaut. Brigitte nahm die Landschaftsgestaltung selbst in die Hände – und schuf ein atemberaubendes Gesamtkunstwerk. Auf diesen zwei Hektar Land fühlt man sich sofort wohl und kommt aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Das Wort Vielfalt bekommt bei Brigitte noch einmal eine ganz neue Bedeutung. Und hier findet sich auch so manche ganz besondere Pflanze. Brigitte hat sich nämlich die Erhaltung gefährdeter Kulturpflanzen – vor allem Lokalsorten aus Osttirol – auf die Fahnen geschrieben.

Bei Brigitte Vogl-Lukasser: die Vielfältige. Es gibt fast nichts, was Brigitte Vogl-Lukasser in ihrem Garten nicht hat. Hier wachsen exotische und heimische Pflanzen harmonisch nebeneinander.

Ihr Vorgehen dabei ist einzigartig. In einer Art „bewusstem Durcheinander“ wachsen hier exotische, alte heimische und sogar invasive Pflanzen, wie etwa die Kanadische Goldrute, in Harmonie und Eintracht mit bekannten und weniger bekannten Gemüsesorten. Bei einem Rundgang durch den Garten entdeckt man sogar Artischocken – diese Pflanzen benötigen viel Platz und einen nährstoffreichen Boden. Gitti legt für ihre Artischocken ein großes Loch mit Schafwolle, Holzkohlestückchen, Gesteinsmehl und Kompost aus. Geerntet wird die Blüte vor dem Aufblühen. Zum Überwintern gräbt Brigitte die Artischocken aus und bringt sie in Kübeln in die Garage.

Der Gartenteich bietet 70 bis 80 Molchen und Fröschen ein Zuhause.
Brigittes Ehemann Christian bei der Heuarbeit. Mit dem Heu wird später auch gemulcht – das ist gut für die Pflanzen und bietet Tieren einen Lebensraum.

Weiter geht es, vorbei an einer alten Sorte von Feuerbohnen – ein Geschenk einer Gaimberger Bäuerin – zu den Teichen, die zweieinhalb Meter tief sind und Molchen sowie Fröschen ein Heim bieten. Im Gemüsegarten findet sich Roggen der alten Sorte ebenso wie Zuckermais, viele unterschiedliche Kartoffelsorten und nicht zu vergessen die Ackerbohne, über deren Bedeutung Brigitte schon ganze Bücher publiziert hat.

Zwischen all den Kulturpflanzen brummen auch immer wieder Bienen und Hummeln auf Flächen wilder Blumenwiese. Unterhalb des Hauses blüht die Phacelia, nach der besonders die Bienen ganz verrückt sind. Diese Pflanze gehört nicht zu den heimischen Blumen – deshalb kaufte Brigitte die Samen und säte sie in ihrem Garten aus. Das ist nur beim ersten Mal nötig, in den Folgejahren übernimmt das die Pflanze quasi selbst und vermehrt sich auf natürlichem Weg. Beim Saatgut ist Brigitte wählerisch. Für die Gemüsepflanzen verwendet sie meist ihr eigenes Saatgut, wenn sie welches zukauft, muss es bio sein. „Nur die Wenigsten wissen nämlich, dass beispielsweise in Steckzwiebeln viele Zusatzstoffe stecken“, erklärt sie. Daher sei die Aktion „Natur im Garten“ besonders wichtig als Bildungsmaßnahme. „Jeder Quadratmeter zählt“, findet sie und meint: „Wer einen Garten besitzt, egal wie groß, hat auch eine Verantwortung.“


Brigitte kocht:
Artischocken aus dem Backrohr

Zutaten
4 große oder 8 kleine Artischocken (frisch, noch nicht aufgeblüht), 10 EL Olivenöl, 2 EL weißer Balsamico, Saft von 2 Zitronen und Abrieb der Schale, ca. 1/8 l Weißwein, Lorbeer, Thymian, Salz, Pfeffer, Knoblauch; wenn vorhanden: ein paar kandierte Orangenschalen

Zubereitung
Alle Zutaten in einer Fettpfanne für das Backrohr gut vermischen. Artischocken waschen, Stiel auf 3 cm kürzen, die äußeren zwei Blätterreihen abschneiden, Stängel schälen, die Spitzen der Blütenblätter um ca. 1/3 einkürzen, Artischocken halbieren und das sogenannte Heu (unter den Blättern liegende feine, weiße Härchen) mit einem Teelöffel entfernen. Die geputzten Artischocken mit der vorbereiteten Flüssigkeit vermengen und gut verschließen. In das auf 200 Grad vorgeheizte Backrohr geben, etwa 40 Minuten schmoren, bis die Artischocken weich sind.


Evelin Gander ist nicht nur Stadtführerin und Biobäuerin, sondern auch Ideenlieferantin und Geschichtenerzählerin mit viel Einfühlungsvermögen. Thema ihrer Reportagen und Podcasts ist das Leben in all seinen Facetten.

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