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Kälte gegen Kälte: In klirrenden Nächten schwören Obstbauern auf Frostberegnung. Fotos: Dolomitenstadt/Wagner

Kälte gegen Kälte: In klirrenden Nächten schwören Obstbauern auf Frostberegnung. Fotos: Dolomitenstadt/Wagner

Wärmender Eismantel für Apfelknospen in Lienz

Was auf den Laien paradox wirkt, gilt unter Obstbauern als bewährter Frostschutz für kalte Frühlingsnächte.

Der Temperatursturz in der Osterwoche hat vor allem die Marillenbauern in Niederösterreich eiskalt erwischt. Doch auch in anderen Regionen zittern die Bauern um ihre Obsternte. Um ihre wertvollen Knospen vor der Kälte zu schützen, greifen sie zu einer paradox wirkenden Maßnahme. Mit Beregnungsanlagen überziehen die Landwirte die Pflanzen mit einer Eisschicht.

Die gefrorenen Obstgärten geben tagsüber ein faszinierendes Bild ab. In der Landwirtschaftlichen Lehranstalt Lienz kann dieses Phänomen derzeit beobachtet werden. Nach einer – für die Jahreszeit ungewöhnlich kalten – Nacht waren die Apfelknospen im Garten der Schule am Mittwochmorgen in eine schützende Eisschicht gehüllt, zentimeterlange Zapfen hingen von den Ästen. Friedl Webhofer, der den Schüler:innen im LLA-Garten Basiswissen zum Obstbau vermittelt, fungiert seit Jahren als „Eismeister“.

Eiszeit im Garten der LLA Lienz. Kristallisationswärme sichert den Obstertrag.

„Das haben wir bestimmt schon zehn Mal gemacht. Heuer ist es ungewöhnlich früh, weil die jüngste Wärmephase die Vegetation angekurbelt hat und die Knospen schon ein Stück weiter sind“, erklärt Webhofer. Von der Frostschutzberegnung ist er aber überzeugt. Bei diesem Konzept wird die Wärmefreisetzung beim Phasenübergang vom flüssigen zum festen Aggregatszustand genutzt.

Entscheidend ist also der Moment, in dem sich Eis bildet. „Da wird unglaublich viel Energie freigesetzt. Heute Nacht hatten wir minus sechs Grad. Das packen die Knospen nicht“, so Webhofer. Unter dem Eismantel herrschen rund null Grad, für die Pflanzen ein verträgliches Maß an Kälte. Wenn das Wasser auf den Knospen gefriert, wird diese Kristallisationswärme an die pflanzlichen Gewebe abgegeben. So wird verhindert, dass sie kritische Minustemperaturen erreichen.

Im Obstgarten der Schule hat Webhofer die zwei Apfelsorten „Topaz“ und „Idared“ mit Eis überzogen: „Wenn alles passt, bekommen wir dadurch 100 Prozent der Ernte durch.“ Das würde nicht nur die Schüler:innen freuen. Die LLA-Äpfel sind beliebt, nach der Ernte stehen die Leute regelmäßig Schlange, um an die begehrten Früchte zu gelangen. Heute Nacht wird Webhofer seine Düsen noch einmal aufdrehen, dann verspricht der Wetterbericht wärmere Tage. In drei Wochen sollen die Pflanzen erste Blüten treiben. Dann wird sich zeigen, ob die Eistherapie auch diesmal gefruchtet hat.

Dolomitenstadt-Redakteur Roman Wagner studierte an der FH Joanneum in Graz und ist ein Reporter mit Leib und Seele. 2022 wurde Roman vom Fachmagazin Österreichs Journalist:in unter die Besten „30 unter 30“ gewählt.

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