Das Fest der Bohnen
Das Fest der Bohnen
Bobojach ist ein Ortsteil von Prägraten in Osttirol. Der Name bedeutet „Bohnenfeld“ und so ist es wenig verwunderlich, dass die „Bühn“ hier eine ganz besondere Rolle spielt.

Beginnen wir mit einem Dialektwort, das mancher Leser dieses Magazins ganz sicher noch nie zu Gesicht oder Ohr bekommen hat: „Bühnholgungl“. Wenn Sie es richtig aussprechen wollen, dann machen Sie aus dem „Bühn“ eher ein „Büen“ und aus dem „hol“ ein „houl“ – und dehnen das Ganze ein wenig in die Länge: „Büeenhouulgungl!“ Jetzt wird man Sie verstehen, in Bobojach, einem Ortsteil von Prägraten, gleich hinter der Iselschlucht auf ca. 1.250 Metern Seehöhe. Bobojach hat rund 100 Einwohner und die feiern im Herbst ein besonderes Fest, eben den Bühnholgungl.

Mit Gungl bezeichnet man in Teilen Osttirols ein geselliges Beisammensitzen. Und die Bühn ist die Bohne, genauer die Ackerbohne. Bühnhol bedeutet also, die Bohnen holen? Nein. Die Bühnhol sind die grünen Bohnenhülsen, die ein oder zwei Tage vor dem Fest geerntet und dann auf dem Dorfplatz in großen Dämpfern gekocht und mit Kartoffeln – sprich: Erpfle – in der Schindl serviert werden.

Früher wurden in vielen Orten Bohnenfeste abgehalten, um die Ernte der Ackerbohne – der Bühn, Puin, Puun, Schollepoan – zu feiern. An der Pustertaler Höhenstraße und im Villgratental hatte der „Schollepoansamstag“ Ende August sogar einen erotischen Akzent: Ledige Burschen stahlen in fremden Bohnenfeldern die Schollepoan und nahmen sie der Geliebten beim „Fensterln“ mit. Dafür bekam der wagemutige junge Mann eine Nelke, die er sich am Schutzengelsonntag beim Kirchgang ansteckte. Deshalb wird manches Bohnenfeld am „Schollepoansamstag“ bewacht oder gar vor diesem Datum abgeerntet.

Obwohl in Bobojach fast jeder ein paar Bohnen im Garten stehen hat, wird für das Fest ein eigener Bühnacker angebaut.
Ein bis zwei Tage vor dem Fest werden die Bohnenhülsen gemeinsam geerntet.

Die Ackerbohne wächst auch in großen Höhen und war noch nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges eine der wichtigsten Kulturpflanzen auf Osttirols Bergbauernhöfen, die als Selbstversorger oft Dutzende Menschen zu ernähren hatten. Während der harten und langen Winter war die Ackerbohne ein unverzichtbarer Energie- und Eiweißlieferant. In den meisten Bergbauernhöfen stand täglich ein Topf Bohnen auf dem Herd. Als Hauptmahlzeit gab es dann Kartoffeln und darüber die grünen „Bühnhol“, gemeinsam gekocht und mit Butter gegessen. Man ahnt es bereits, dieses Gericht ist nichts für Schreibtischtäter, schon eher die perfekte Kraftnahrung für das winterliche Heuziehen oder Holzfällen.

So simpel die Bohne, so raffiniert war manche Zubereitungsart, etwa gekocht mit gequetschtem Mohn und Zuckerwasser! Man aß Bohnen statt Brot zu Brennsuppe und Milchmus, als Salat mit Zwiebeln sauer angerichtet oder einfach als Snack zwischendurch. Ein paar Bohnen in der Hosentasche wurden zur Schuljause und konnten sogar in Kaugummi verwandelt werden, indem man sie auf dem Herd trocknete und ganz braun werden ließ. Getrocknete Bohnen wurden zu Bohnenmehl vermahlen und entweder unter das Brotmehl gemischt oder zu Bohnenfladen und Bohnenmus verarbeitet. Diese „Arme-Leute-Küche“ ist heute aus der Mode gekommen, auch im ländlichen Raum, aber in der „Brein“, der Gerstelsuppe findet man sie noch hin und wieder, die Ackerbohne.

Die grünen Hülsen sind zum Kochen am besten geeignet. Schwarze Hülsen sind zu reif und hart.

In Bobojach hat sich die Bühn in Gärten und Feldern länger gehalten. Kein Wunder, schließlich bedeutet Bobojach nichts anderes als Bohnenfeld. Früher hatte hier jeder seinen Bohnenacker, das Fest wurde am Tag des Heiligen Bartholomäus, dem ersten Sonntag im September gefeiert. Vor ungefähr 17 Jahren, so genau weiß das heute niemand mehr, beschloss die Wassergenossenschaft, den traditionellen Bühnholgungl im August wieder aufleben zu lassen. Schließlich müssen immer wieder Investitionen abgegolten werden und weil alle Bobojacher Mitglieder der Genossenschaft sind, kommen die Einnahmen allen „Weichnaren“ zu Gute. Obwohl in Bobojach fast jeder ein paar Bohnen im Garten stehen hat, wird für das Fest ein eigener Bühnacker angebaut, den der Blaserhof zur Verfügung stellt. Im Mai steckt man die über Nacht eingeweichten Bohnen fünf bis zehn Zentimeter tief in die Erde und im August hat die krautige Pflanze, die im Gegensatz zu den Gartenbohnen zur Gattung der Wicken gehört, dann schon zwei Meter Höhe erreicht. Gottfried Islitzer, der Kassier der Wassergenossenschaft, ist von Anfang an dabei und erzählt, dass die Kinder früher gerne auf fremden Äckern Bohnen stibitzt haben, ebenso wie die „Bühngrenge“, der Eichelhäher. Manches Feld wird deshalb mit Flies abgedeckt.

„Sonst macht die Ackerbohne wenig Arbeit“, meint Gottfried, was eine der Frauen auf dem Acker lakonisch kommentiert: „Des kun lei a Mannischa sogn, weil die meischte Orbat mochn mia!“

Es muss nämlich nachgesetzt werden und nach der Keimung muss der ganze Acker gejätet und jede Pflanze gehäufelt werden. Ein, zwei Tage vor dem Fest werden die grünen Bohnenhülsen gemeinsam geerntet. Jetzt sind sie zum Kochen am besten geeignet. Ist die Hülse zu reif, wird sie schwarz und hart. Diese Bohnen werden getrocknet und als Saatgut für das nächste Jahr aufbewahrt.

Drei Dämpfer voll Bühn werden an diesem Abend gebraucht, dazu kiloweise Erdäpfel.

Gefeiert wird der Bühnholgungl in einem eigenen Zelt auf dem Bobojacher Dorfplatz. Es gibt „Gsoutne Bühn und Erpfle in da Schindl mit Butter“. Unter uns, jeder verträgt sie nicht, die Bühn und deshalb gibt es für die weniger Hartgesottenen auch ein Grillwürstel mit Semmel. 80 Liter fasst der Futterdämpfer und drei Dämpfer voll Bühn werden an diesem Abend gebraucht, dazu kiloweise Erdäpfel. Nicht alle Gäste verspeisen die deftige Köstlichkeit gleich vor Ort, manche bringen Behälter mit und nehmen die gesottenen Bühn mit nach Hause. Eine Stunde kochen die Bohnenhülsen, dann ist die Bühn im Inneren gar und muss „ausgefitschelt“ werden. Die Hülsen kann man nämlich nicht essen. Während dem Fitscheln wird gehoagaschtet (= geplaudert) und getanzt, es geht richtig gesellig zu beim Gungl und so ist es kein Wunder, dass mittlerweile 400 bis 500 Besucher aus dem ganzen hinteren Iseltal zum Fest in Bobojach strömen. Mancher Feriengast plant angeblich sogar seinen Urlaub nach diesem Datum. Beim ersten Wiederbelebungsversuch des Festes, erzählt uns Gottfried, da hatte man noch kein Zelt, fünf Biertische wurden aufgestellt, es hat fast geregnet und man wartete gespannt, ob jemand kommen würde. Die Gäste kamen und der Bühnholgungl wurde zur Erfolgsgeschichte. Auch deshalb, weil hier die Gemeinschaft noch funktioniert. Regina, Gottfrieds Frau, stammt selbst von einem Bergbauernhof in Osttirol, hat nach Bobojach geheiratet und erst hier die Bühn kennengelernt. Sie erzählt strahlend, wie jedes Jahr alle zusammenhelfen, „sonst ginge es nicht“, und wie das gemeinsame Arbeiten die Gemeinschaft und den Zusammenhalt stärkt. Vielleicht hat Prägraten deshalb im Landesvergleich eine extrem niedrige Scheidungsrate?

Regina serviert unermüdlich „Gsoutne Bühn und Erpfle in da Schindl mit Butter“.

Am Dämpfer steht, wie jedes Jahr, auch Kamillus, mit weißem Bart und blauem Mantel. Der alte Mann erzählt: „Es hat noch nie so eine gute Generation geben wie heute, die so miteinander gschafft.  Wenn die alten Leute oft was anderes sagen, ist es nur deshalb, weil sie es nit wahrhaben wollen, dass die Jungen es besser machen als sie.“

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