Die Deutsche Tamariske
Die Deutsche Tamariske

Die Deutsche Tamariske – fast jeder Osttiroler hat den Namen dieser Pflanzenart bereits gehört, steht sie doch im Fokus für eine mögliche Nachnominierung der Isel als Natura 2000-Gebiet. Grund genug, die Deutsche Tamariske, neuerdings auch Ufer-Tamariske genannt, in einem kurzen Porträt vorzustellen.

Die Deutsche Tamariske (Myricaria germanica) zählt zu den Tamariskengewächsen (Tamaricaceae) und ist in Mitteleuropa der einzige heimische Vertreter dieser Familie. Es handelt sich um einen bis zu zwei Meter hohen Strauch, mit graublauen, zwei bis drei Millimeter langen, schuppenförmigen Blättern und weißen Blüten, die traubenförmig angeordnet sind. Warum stellt diese so unscheinbare Pflanze aus der Naturschutz-Perspektive eine Besonderheit dar? Warum ist sie in Tirol vollkommen geschützt und fand sogar Eingang  in die europaweite Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie? Das möchte ich näher beleuchten.

Die Deutsche Tamariske war in Österreich bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts durchwegs häufig entlang von Bächen und Flüssen zu finden. Es gab Vorkommen an allen größeren Flüssen wie Salzach, Donau, Enns, Traun, Mur und Inn. Selbst im Stadtbereich von Wien und Salzburg wuchs sie vor rund 100 Jahren noch an den Ufern von Donau und Salzach. In den letzten Jahrzehnten ist dieser Strauch jedoch sehr selten geworden und in Österreich inzwischen vom Aussterben bedroht. Der starke Rückgang ist in der Verbreitungskarte (rechte Seite) gut erkennbar. Heute kommt die Deutsche Tamariske in größeren Beständen nur noch in Nord-tirol am Lech und dessen Zubringern sowie in Osttirol an der Isel und deren Nebengewässern vor. In Vorarlberg, Salzburg, Ober- und Niederösterreich und in Wien sind die natürlichen Tamariskenbestände bereits ausgestorben, im Burgenland kam sie nie vor. Auch in anderen mitteleuropäischen Ländern kam es zu einem solch drastischen Rückgang dieser Pflanzenart.

Die Deutsche Tamariske ist eine Pflanze, die fast ausschließlich auf Schotterflächen naturnaher Fließgewässer wächst. Diese Schotterbänke entstehen, weil sich die vom Gewässer mitgeführten Steine, aber auch Sand an Stellen des Flussbettes ablagern, wo geringere Tiefen vorherrschen und geringere Strömungen zu finden sind. Schotterbänke sind äußerst dynamische Lebensräume. Sie werden immer wieder von Hochwasser überschwemmt, teilweise abgetragen und entstehen an einer anderen Stelle des Flussbettes wieder neu. Auf solche extremen Standortbedingungen hat sich die Deutsche Tamariske spezialisiert: Sie wächst als eine der ersten Pflanzen an neu gebildeten Schotterbänken und leitet somit das Werden einer neuen Lebensgemeinschaft von Tier- und Pflanzenarten ein.

Diese Schotterflächen werden nicht ausschließlich von der Deutschen Tamariske besiedelt: So  kommt dort unter anderem ein Vertreter der Nachtkerzen-gewächse vor, das Rosmarin-Weidenröschen, das mit seinen unterirdischen Ausläufern ebenso eine Pionierart darstellt. Auffallend an dieser Pflanze sind die vier großen rosaroten Kronblätter und die vier schmalen Kelchblätter, die ebenso hellrosa gefärbt sind. Neben den an diese Lebensräume angepassten Pionierpflanzen bereichern immer wieder auch sogenannte „Alpenschwemmlinge“ die Pflanzenwelt am Fluss. Darunter versteht man Alpenpflanzen, deren Samen aus den Gebirgsregionen mit den Gletscherbächen abtransportiert werden und die dann an solchen Schotterbänken keimen und wachsen können. Einer dieser Alpenschwemmlinge wurde auf einer Schotterbank  des Tauernbaches bei Matrei fotografiert: die Alpen-Aster, die sonst vor allem in alpinen Kalkrasen vorkommt.

Alpen-Aster
(Aster alpinus)
Rosmarin-Weidenröschen
(Epilobium dodanaei)

Auch eine speziell an diese Dynamik angepasste Tierwelt lebt auf den Schotterbänken naturbelassener Flüsse. Bei den Wirbellosen gibt es beispielsweise zwei Heuschreckenarten, die durchwegs extrem selten und fast ausschließlich auf solche Lebensräume beschränkt sind. Türks Dornschrecke, eine in Österreich stark gefährdete Art, ernährt sich von angeschwemmten Pflanzenresten. Diese maximal einen Zentimeter große Kurzfühlerschrecke hat ein besonders bizarres Äußeres und kommt in Osttirol an der Isel und an der Schwarzach vor. Der Kiesbank-Grashüpfer, ebenso in Österreich inzwischen stark gefährdet, fällt vor allem durch seine leuchtend roten Hinterschienen auf. In Osttirol sind Vorkommen an der Schwarzach, der Drau, am Frauenbach und an der Isel bekannt.

Die wirbellosen Tiere stellen die Nahrungsgrundlage für andere Tierarten, beispielsweise aus der Vogelwelt, dar. So gibt es etwa an der Isel ein großes Brutvorkommen des Flussuferläufers. Dieser eindrucksvolle Vertreter der Schnepfenvögel (Limikolen) bevorzugt Schotterbänke, die offene, aber auch mit Pflanzen bewachsene Bereiche aufweisen. Die Deutsche Tamariske selbst benötigt für ein Vorkommen eine intakte Dynamik mit Hochwässern und damit einhergehend einen intakten Geschiebehaushalt. Für die sensible Phase der Keimung müssen die Standorte licht sein und auch ausreichend mit Wasser versorgt werden. Für die weitere Etablierung spielen vor allem die Konkurrenz durch andere Pflanzen wie Weiden und der Grad der Dynamik eine ausschlaggebende Rolle.

Türks Dornschrecke
(Tetrix tuerki)

Ist die Dynamik zu hoch, wird die Deutsche Tamariske durch Hochwässer weggespült, bei zu geringer Dynamik kommen andere Pflanzen auf, die nach und nach die konkurrenzschwache Tamariske verdrängen. Ideal sind die Voraussetzungen für die Deutsche Tamariske nur an Flüssen und Bächen, die weitestgehend frei von menschlichen Eingriffen sind. Hier werden große Verluste durch Hochwässer durch das Entstehen großflächiger neuer Lebensräume und deren rasche Besiedlung ausgeglichen.

Voraussetzung dafür ist, dass die großen Fließgewässer und ihre Zubringer einen intakten Biotopverbund mit großen Tamariskenvorkommen bilden. Nur dann steht einer Neuansiedelung durch die Samen sogenannter Mutterpflanzen nichts im Wege. An der Isel mit ihren Zubringern sind diese Voraussetzungen noch gegeben. Heute wird an einigen Fließgewässern versucht, die Deutsche Tamariske durch Wiederansiedelungsprojekte zu etablieren. Mit mäßigen Erfolgen, die oft nur kurzfristig sind. Es fehlt das intakte Biotopverbundsystem. In der Fachwelt ist es unstrittig, dass der starke Rückgang der Deutschen Tamariske auf menschliche Eingriffe in die Fließgewässersysteme zurückzuführen sind. Durch Flussverbauung gehen viele der geeigneten, sehr speziellen Standorte verloren und lassen auch die Deutsche Tamariske stark zurückgehen, denn kaum eine andere Pflanzenart reagiert so sensibel auf Veränderungen ihres Lebensraumes. Daher ist die Deutsche Tamariske eine naturschutzfachlich relevante „Indikatorart“ für Uferbereiche entlang naturnaher Fließgewässer, die für zahlreiche weitere selten gewordene Tier- und Pflanzenarten letzte Rückzugsgebiete darstellen.

Credits
  • Autorin: Susanne Gewolf
  • Fotografie: Susanne Gewolf & Oliver Stöhr

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