Graureiher, Kormoran und Gänsesäger
Graureiher, Kormoran und Gänsesäger
Eines haben diese drei Arten gemeinsam: ihre Vorliebe für Fische. Das macht sie auch in Osttirol zu Jägern und Gejagten.

Langsam zieht der Winter ins Land. Wenn die Tage kurz und die Nächte frostig werden, sodass die Gewässer langsam zufrieren, dann haben sich viele Vogelarten bereits im warmen Süden eingefunden. Sie ziehen in die Ferne, um dem hier herrschenden Nahrungsmangel zu entgehen. Doch so ungewöhnlich es im ersten Moment klingen mag, manche Vogelarten zieht es im Winter auch nach Österreich.

Dazu zählen neben den Saatkrähen aus dem fernen Russland, die vorwiegend in Ostösterreich überwintern, auch Arten wie Bergfink oder Seidenschwanz. Während sich letztere ab und zu auch an den zahlreichen Futterhäuschen in der Stadt einfinden, gibt es einige wenige Vogelarten, die es trotz eisiger Temperaturen an oder sogar ins Wasser zieht.

Die Rede ist von Graureiher, Kormoran und Gänsesäger – drei, nicht nur optisch, völlig unterschiedliche Vogelarten, die an den heimischen Gewässern überwintern. Eines haben diese drei Arten jedoch gemeinsam: ihre Vorliebe für Fische. Der dadurch entstehende Nutzungskonflikt zwischen Mensch und Tier ist heute genauso aktuell wie vor 50 Jahren. Hier folgt ein kurzer Überblick über die drei Arten, die in Osttirol meist als Wintergäste verweilen und nach wie vor im Fokus der Jagd als auch des Naturschutzes stehen.

Der Grau- oder auch Fischreiher(Ardea cinerea) ist mit Sicherheit der bekannteste unter den hier vorgestellten Arten und zudem der häufigste Reiher in Österreich. Ein nahezu storchengroßer Schreitvogel mit oberseits – dem Namen entsprechend – grauen Flügeln. Neben dem kräftigen gelb-orangefarbenen Schnabel ist der schwarze Streifen seitlich am Kopf auffallend. Im Flug ist er von dem nur auf den ersten Blick ähnlichen Weißstorch durch den s-förmig gekrümmten Hals deutlich unterscheidbar. Zur Nahrungssuche bewegen sich Graureiher vorwiegend entlang von Gewässern, wo sie sich auf die Jagd nach Fröschen, Schlangen aber auch Fischen machen. Oft sieht man Gaureiher auch weit abseits der Gewässer auf Feldern stehen, wo sie im Sommer nach Insekten und im Winter nach Mäusen jagen. Der Graureiher ist Brutvogel in allen österreichischen Bundesländern, so auch in Osttirol. Nach mehr als einem Jahrhundert Abwesenheit aufgrund menschlicher Verfolgung, brütet der Graureiher seit 2001 wieder bei Mittewald, wo bis zu fünf Horste beobachtet wurden. Mittlerweile scheint diese Brutkolonie nicht mehr zu bestehen. Einzelvögel halten sich dort noch auf und benutzen die Fichten als Rast- und Schlafplatz. Die für die Vogelgröße eher kleinen Horste bauen Graureiher in Bäume, wobei sich mehrere Paare in einer Kolonie zusammenschließen. Den Winter verbringen viele Graureiher vorwiegend im Mittelmeerraum, einige überwintern jedoch auch in Österreich.

Das Titelbild dieses Artikels zeigt zwei weibliche Gänsesäger bei der Gefiederpflege (Foto: Oliver Stöhr). Das Bild oben entstand an der tiefwinterlichen Drau, an deren offenen Stellen vereinzelt Gänsesäger und Kormorane beobachtet wurden (Foto: Klaus Dapra).

Der Kormoran (Phalacrocorax carbo) unterscheidet sich gänzlich vom oben beschriebenen Graureiher. Der adulte – erwachsene – Vogel, ist mehr oder weniger einheitlich schwarz, wobei das Gefieder im Sonnenlicht metallisch glänzt. Eine Unterscheidung zwischen Männchen und Weibchen ist anhand des Gefieders nicht möglich. Im Jugendkleid ist die Unterseite weiß, weshalb sie von den Altvögeln unterschieden werden können. Der Kormoran ist deutlich größer als eine Stockente und bei uns mit keinem anderen Vogel zu verwechseln. Die Nahrung besteht nahezu ausschließlich aus Fischen, die tauchend erbeutet werden. Zur Suche nach diesen wird dabei der Kopf unter Wasser gesteckt. Auch sogenannte Treibjagden werden gelegentlich durchgeführt, an der sich mehrere Kormorane beteiligen. Verständlicherweise werden auch Fischteiche nicht verschmäht, schließlich ist die Jagd bei dem hohen Fischbesatz hier ein Leichtes. Abwehrmaßnahmen sind somit erforderlich und erlaubt.

Den Kormoranen wurde allerdings auch an allen anderen Gewässern intensiv nachgestellt, was schließlich dazu führte, dass sie im 19. Jahrhundert vielerorts ausstarben und nur mehr in manchen Küstenregionen überlebten. Durch zahlreiche Schutzbemühungen in den letzten Jahrzehnten erholte sich der Bestand wieder, was erneut Rufe nach einer sogenannten „Regulierung“ zur Folge hatte. Kormorane sind, ebenso wie Graureiher, Koloniebrüter, wobei diese beiden Arten auch in gemischten Kolonien brüten. In Osttirol sind Kormorane im Winter anzutreffen und in Ermangelung größerer Gewässer meist nur als Einzeltiere oder in kleinen Trupps mit wenigen Individuen zu beobachten. Zum Trocknen des Gefieders sieht man sie oft mit ausgespreizten Flügeln auf Steinen in Gewässernähe sitzen – ein typisches Merkmal dieser Vogelfamilie.

Der Gänsesäger (Mergus merganser) ist, möglicherweise zur Überraschung vieler, ein Vertreter der Entenvögel. Gänsesäger sind etwa stockentengroß, unterscheiden sich jedoch deutlich von dieser. Während Männchen überwiegend weiß mit einem grünlich-schwarz schimmernden Kopf und Hals sind, zeigen Weibchen ein oberseits graues Gefieder mit einem braunen Kopf, der sich deutlich vom hellen Hals absetzt. Sie haben somit einen ausgeprägten Sexualdimorphismus, was bedeutet, dass Männchen und Weibchen voneinander unterscheidbar sind. Beide Geschlechter haben einen roten, schlanken und gezahnten Schnabel mit einer leicht gekrümmten Spitze, der sich hervorragend zum Festhalten von Fischen eignet.

Gänsesäger weisen eine Besonderheit unter den Entenvögeln auf: sie sind Höhlenbrüter, die in Hohlräumen alter Bäume oder in Mauernischen ihre Nester anlegen. Wie der Kormoran ist auch der Gänsesäger in Osttirol nur Wintergast. In Nordtirol ist er Brutvogel in etwa 50 bis 70 Brutpaaren. Südlich des Alpenbogens brütet lediglich eine winzige Population, in Kärnten bis zu 10, in Slowenien bis zu vier Brutpaare. Ab und an, vor allem im Hochwinter, wenn viele Seen bereits zugefroren sind, beobachtet man Einzeltiere oder Paare an der Drau und im Unterlauf der Isel. Auch sie werden aufgrund ihrer Ernährungsweise vom Menschen verfolgt, weshalb sie zunehmend vorsichtig sind und beim Entdecktwerden meist fliegend das Weite suchen.

Porträt eines Graureihers mit dem kräftigen, gelben Schnabel. Foto: Christian Ragger

Zur Erfassung der Winterbestände von Graureiher, Kormoran und Gänsesäger werden seit 2010 in Osttirol Zählungen mit dem Ziel durchgeführt, aktuelle Bestandszahlen zu erfassen und im Zuge eines langfristigen Monitorings Entwicklungstrends aufzuzeigen. Die Zählungen werden ehrenamtlich gemeinsam von Fischern und Mitgliedern der Naturkundlichen Arbeitsgemeinschaft Osttirols (NAGO) durchgeführt. Wie dieses Monitoring bis dato zeigte, bewegen sich die Zahlen der drei oben genannten Arten meist im einstelligen Bereich.

Trotz dieser bescheidenen Zahlen werden im Bezirk Lienz Graureiher, Kormoran und Gänsesäger alljährlich zum Abschuss freigegeben. Dem liegt das Tiroler Fischereigesetz zugrunde: „Soweit es zur Abwendung erheblicher Schäden am Fischbestand notwendig ist und anderweitige zufriedenstellende Möglichkeiten zur Schadensabwehr“ fehlen, können das Vertreiben, das Fernhalten und Einzelabschüsse erlaubt werden. Der Einsatz von Schusswaffen gegen ungefährliche Tiere, die lediglich ihrem Nahrungserwerb nachgehen, ist in Einzelfällen somit legitimiert.

Doch kann man durch den Abschuss von Tieren, die sich, wie im gegebenen Fall, in manchen Gebieten nur im Winter aufhalten, ein „Problem“ nachhaltig, also dauerhaft, lösen? Denn eines ist gewiss: im nächsten Winter werden andere Tiere anstatt derer kommen, die den Heimzug in ihr Brutgebiet nicht mehr geschafft haben. Eine objektive und konstruktive Diskussion gestaltet sich nach wie vor schwierig, zumal der vielzitierte finanzielle Schaden offenbar die Mittel heiligt. Dass es in manchen Gewässern zu Schäden kommen kann, insbesondere an Fischteichen, steht außer Diskussion. Hier gibt es Abwehrmöglichkeiten ohne Schusswaffe, wie etwa Netze. Doch einen bestandsgefährdenden Einfluss, wie vielfach behauptet, kann ein Räuber auf seine Beute bestenfalls in sogenannten geschlossenen Systemen, also in Teichen oder unnatürlichen, stark verbauten Fließgewässern nehmen, wo Beutetiere keine Versteckmöglichkeiten oder Fluchtchancen haben.

Ein erwachsener Kormoran. Foto: Oliver Stöhr

Eine Lösung dieses Konfliktes wird nicht von heute auf morgen gelingen. Doch mit anhaltender Informationsarbeit, gegenseitigem Verständnis und Offenheit für neue Ideen und Lösungsansätze kann es möglich sein, dass eines Tages tödliche Methoden der vermeintlichen Konfliktlösung endgültig der Vergangenheit angehören. Die Erhaltung natürlicher Fließstrecken bzw. die Schaffung neuer Aufweitungen nützt nicht nur den Fische(r)n, sondern am Ende noch einem weiteren Personenkreis: naturkundlich interessierten und aufmerksamen Spaziergängern, die sich in der Wintersonne am Anblick eines Gänsesägers erfreuen, der trotz bitterer Kälte ins eisige Wasser der Isel abtaucht.

Credits
  • Autor: Matthias Gattermayr
  • Fotografie: Oliver Stöhr, Christian Ragger, Klaus Dapra

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