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Von Sylt nach Hinterbichl: Ankommen in der Heimat

Ulrich Drewitz investiert dort, wo andere wegziehen: in Prägraten.

Ulrich Drewitz, gebürtiger Hamburger, der auf eine hochkarätige Hotel-Manager-Karriere zurückblicken darf, ging nach Hinterbichl, an den Prägratner Talschluss und baut dort ein Haus auf, das sich heim-at nennt. Ein guter Grund für mich, ihn nach seinen guten Gründen zu fragen, dorthin zu ziehen, wo andere wegziehen, so wie ich.   
Ulrich Drewitz – Hotelierin Prägraten mit Hamburger Wurzeln.
Ulrich Drewitz – Hotelier in Prägraten mit Hamburger Wurzeln.
„Die Einheimischen fragen mich manchmal, ob ich bescheuert sei, mir das anzutun, und in Osttirol was aufzubauen. Das ist lustig. Denn dafür war ich schon bei Dorint bekannt – Ungewöhnliches zu sagen, zu denken und umzusetzen. Doch solcher Individualismus ist in Hotelkonzernen zunehmend unmöglich geworden, leider“, sagt Ulrich Drewitz, dessen professionelle Vita ihn nach 35 Jahren als Generalmanager in der Hotellerie bei Dorint, später Sofitel, von Sylt über Seefeld und Kitzbühel schließlich nach Prägraten geführt hat. Auf Empfehlung eines alten Freundes sei er gekommen. Weil ich sein Alter schwer einschätzen kann, frage ich nach. 62 Jahre ist die Antwort. Ich könne davon wenig sehen, sage ich, worauf er meint, das läge an Hinterbichl. „Ich bin da ja schon seit 2 Jahren. Die haben mir gut getan. Trotz viel Arbeit. Und obwohl ich schon fast knapp vor dem Tunnel umdrehen wollte, als ich das erste Mal nach Hinterbichl kam. Aber dann, als ich über die letzte Bergkuppe runter fuhr, sah ich aus jedem Haus Rauch aufsteigen. Da wusste ich, da ist Leben. Dazu kam die spürbare Energie des Bubenhauses, der ehemaligen Sommerresidenz der Wiener Sängerknaben, die mich überzeugt hat, das Projekt zu wagen. Schon bei meinen früheren Engagements war ich immer darauf bedacht, Hotels mit einer eigenen Philosophie zu positionieren. Dadurch wurde ich sehr für energetische Themen wie Kraftplätze sensibilisiert. Das Bubenhaus ist so ein Kraftplatz.“ Geboren wurde die Idee zur Wiedereröffnung des Bubenhauses aus der Vision eines Treffpunkts für Freunde. Günstige Konditionen und die starke Unterstützung durch Prägratens Bürgermeister Anton Steiner halfen über diverse Schwierigkeiten hinweg. „Voraussetzung für die Verwirklichung des Projektes war, dass wir den Zubau umsetzen können, der Seminarräumlichkeiten und 8 Appartements zusätzlich zu dem Bubenhaus schaffen wird. Wenn die ersten Freizeitwohnsitze verkauft sind, treten wir in die Bauphase ein. Wichtig ist mir, dass wir gesund wachsen und die Fixkosten niedrig halten.“ Zur Konzepterstellung wurde das über Jahre aufgebaute Netzwerk von Fachleuten und Freunden aktiviert. „Am Ende der Klausur in Hinterbichl sollte der Name des Hauses stehen. Am letzten Tag fragte Ilja Grendel, was hältst Du von „heim-at“? Der Name passte, auch weil er meinem Gefühl entsprach: hier will ich leben, hier will ich sein, hier will ich bleiben. Am schönsten Ende der Welt, wie Sigi Hatzer sagt.“ Der Bergführer gehört nun auch zu dem weitreichenden Netzwerk des Ulrich Drewitz, so wie der Klub der Schneesucher rund um Uwe Seeler und Franz Beckenbauer. Oder die Kräuterkundige Hilda Hatzer und die Werbefachfrau und Ernährungsberaterin Elisabeth Rechenburg, die beide Teil eines Projekts sind, das die heil- wie erholsame Wirkung von Almkräutern nutzen soll. Zusätzlich plant Drewitz, dem Gast bei Schwerpunktveranstaltungen auch Traditionelle Chinesische Medizin anzubieten, in Kooperation mit dem Arzt Dr. Stefan Ulmer, mit dem Ulrich Drewitz schon in Seefeld zusammen gearbeitet hatte. Wenn dann die Seminarräume zur Verfügung stehen. Drewitz' Konzept weicht vom Üblichen ab, auch kulinarisch. „Ich habe von meinen Gästen gelernt, dass sie die Halbpension speziell im Sommer als Überangebot wahrnehmen. Wir bieten deshalb nur ein Menü an, kochen teilweise zusammen mit den Gästen und geben ihnen aber auch die Möglichkeit, die Gastronomie des Ortes kennen zu lernen.“ Gezielt will Drewitz auch Gäste ansprechen, die nur wenig Zeit haben. „Der Erholungswert der an Kraftplätzen reichen Gegend rund um den Großvenediger wird besonders stark von Kurzurlaubern erlebt. Diese Gäste möchten wir in einem Radius von ca. 4 Autoreisestunden finden. Wobei wir auch viele Gäste aus Norddeutschland haben, zum Beispiel Hamburger, die erst überhaupt nicht wussten, wo Osttirol überhaupt liegt. Die sind nun zwar außerhalb des Radius, kommen aber wieder, im Sommer und im Winter.“ Was macht Osttirol so einzigartig für Ulrich Drewitz? „Dass hier großartige Natur in einem der besterschlossenen Wander- und Wegenetz der Alpen erlebbar ist, ohne dabei überlaufen zu sein. Man kann in unmittelbarer Nähe von Hinterbichl Kraft tanken. Dazu kommt die Freundlichkeit der Bevölkerung. Ich darf das täglich erleben, wie mir das gut tut, wie es auch meinen Gästen gut tut. Alleine die Kraft des Wassers, das überall um uns herum ist.“ Die Diskussion rund um die Nutzung der Wasserkraft ging auch an Ulrich Drewitz nicht vorbei. “Die Debatte wird sehr emotional geführt. Ich sehe Chancen, die neben der geplanten Kraftwerksnutzung auch eine touristische Wertschöpfung möglich machen, die aber nicht wirklich in die Diskussion einfließen. Ein Badeteich zum Beispiel, auch wenn da sicher keiner lange drin bleibt.“ Glaubt er, dass sein Projekt Osttirolern Mut macht, ähnliches wie er zu versuchen? „Das kann ich nicht beurteilen. Dafür wäre es auch noch zu früh. Wir stehen ja selbst noch ganz am Anfang. Wobei ich mir sicher bin, dass Projekte ähnlich dem meinen noch die meisten Chancen auf Bestand haben werden. Besonders im Winter, denn auch ohne Aufstiegshilfen ist hier Natur im direkten Umfeld erlebbar, wie erst recht im Sommer bzw. weit in die Vor – und Nachsaisonen. Um den sinkenden Marktanteil an Skifahrern mit den hochspezialisierten Resorts zu konkurrieren verspricht wenig Erfolg. Dafür können wir aber mit Vielem punkten, das in den Skizentren schon gar nicht mehr möglich ist, auch mit vorhandenen, intakten Dorfstrukturen. Eben Heimat.“        
Marcus G. Kiniger wurde 1969 in Wien geboren. Seine Familie kam 1976 nach Sillian, wo der gelernte Tourismuskaufmann und ambitionierte Musiker bis 2008 lebte, bevor er nach Hamburg übersiedelte. In Norddeutschland vertreibt Kiniger Produkte aus Tirol. Er schreibt für dolomitenstadt.at die Kolumne "Waterkantiges" und ist auch regelmäßiger Autor im DOLOMITENSTADT-Printmagazin.

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