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Gedanken zur Fußball-WM aus dem Abseits

Hinter der Outlinie beobachtet von einer Nicht-Expertin auf den Bermudas.

Eigentlich bin ich völlig ungeeignet auch nur ein Sterbenswörtchen über Fußball zu verlieren. Er ist in meinem Kopf so gut wie nicht existent. Mit diesem Outing habe ich mir jetzt sicher keine Freunde gemacht, aber was soll´s. Bis vor ein paar Wochen wusste ich nicht einmal, dass in diesem Jahr schon wieder eine Fußball-Weltmeisterschaft ins Haus steht. Dabei hätte ich nur rechnen müssen. Und das kann ich ja wenigstens. Während der letzten beiden Weltmeisterschaften habe ich nämlich so ausgesehen, als hätte ich einen Fußball verschluckt und hab mir auch manche Anspielung dazu angehört. Nun bin ich derzeit nicht schwanger, also hat mich zunächst rein gar nichts an das bevorstehende Welt-Volksfest erinnert – bis vor ein paar Wochen alles anfing: Mein Sohn – also mein erster Fußball – kam immer öfter von der Schule nach Hause und brabbelte irgendwelche Ländernamen vor sich hin. Anfangs konnte ich mich dem Ganzen noch entziehen, indem ich einfach nicht hinhörte, aber es wurde immer mehr und er immer lauter. Dann fing auch noch das mit den Flaggen an: Wo man hinfährt auf Bermudas Straßen kommen einem Lastwagen, Motorräder und Autos mit im Fahrtwind wehenden Fähnchen entgegen. Die Lastwagen der hiesigen Gärtnereien, die vorwiegend in portugiesischer Hand sind, schmücken sich mit riesigen grünroten Flaggen und Bannern unter der Windschutzscheibe. Die englischen roten Kreuze sind an unzähligen Fahrzeugen befestigt. Immer noch. Es flattern aber auch viele deutsche, brasilianische, italienische, einige spanische, französische und argentinische und vereinzelt auch japanische Fähnchen herum, mitunter kommt einem auch ein Schweizer Kreuz entgegen.
Manche Autobesitzer können sich gar nicht so richtig entscheiden, welches Team sie unterstützen sollen oder wollen und haben deshalb gleich mehrere unterschiedliche Nationalflaggen angeheftet. Das liegt wohl auch daran, dass viele Familien hier einfach international zusammengewürfelt sind. Der Nationalstolz, wenn es um Fußball geht, dann aber doch nicht unterdrückt bzw. überbrückt werden kann. Die WM-Wochen bringen hitzige Stimmung in die klimatisierten Pubs der Insel, wo sich Fans verschiedener Nationalitäten die Spiele auf übergroßen Bildschirmen ansehen und sich untereinander danach manchmal aufs Ärgste anfeinden. Firmen müssen in der nächsten Zeit mit vermehrten „krankheitsbedingten“ Ausfällen rechnen, aber das wird hier nicht so eng gesehen. Bermudianer schlachten ihren Krankenstand ohnehin immer bis auf den letzten Tag aus. Es wird sehr gerne und viel Fußball gespielt auf der Insel. Das liegt sicher am Einfluss des englischen Mutterlandes. Eine bermudianische Fußball-Nationalmannschaft gibt es auch, sie soll aber zu den schlechtesten der CONCACAF zählen, aber was weiß ich schon… Daher werden von den Bermudianern, wenn sie keinen anderen Bezug zu einer großen Fußballnation haben, eben die Teams favorisiert, die ihnen am sympathischsten sind oder die wohl am ehesten zu den Favoriten zählen. So als Außenstehende würde ich sagen, Brasilien ist hier sehr beliebt, zumindest ist die Mehrzahl der kleinen Fähnchen auf den Straßen – von England und Portugal mal abgesehen - grün-gelb-blau. In unserer Familie ist das ganz einfach: Es wird zwar viel (Fuß-) Ball gespielt auf der Wiese vor dem Haus, aber ansonsten interessiert sich glücklicherweise niemand für Fußball außer meinem von seinen Mitschülern aufgestachelten Sohn. Und dieser besinnt sich jetzt, obwohl er einen österreichischen Pass hat und im Herzen ein echter Dolomitenstadtler ist, einfach mal seiner deutschen Hälfte und fiebert eifrig mit dem deutschen Team mit. Manchmal fragt er schon: „Hat Österreich überhaupt schon einmal mitgespielt bei der Weltmeisterschaft?“ – oder: „Ist Österreich wirklich so schlecht?“ Da erzähle ich ihm dann immer vom ‚Wunder von Cordoba‘ und dass sich seither – so glaube ich zumindest – nicht mehr viel getan hat bezüglich Österreich und Fußball-WM. Zugegeben: Edi Fingers “Tor-Tor – i werd narrisch“ ist auch mir geläufig und neulich konnte ich sogar den Chef meines Mannes mit einer ziemlich treffenden Erklärung des Begriffs „Abseits“ stark beeindrucken, aber ansonsten ist Fußball für mich eigentlich so gut wie nicht existent.
Petra Heinz-Prugger ist Naturpädagogin bei natopia, Nationalparkrangerin und Wiesenvogelbeauftragte des Landes Tirol. Bewusstseinsbildung für Natur- und Umweltschutz – besonders bei jungen Menschen – ist ihr eine Herzensangelegenheit.

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