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Schweben bald gläserne Gondeln über St. Pauli?

Doppelmayr will Hamburg eine Seilbahn schenken. Nicht alle sind begeistert.

Beitragsbild-Hamburg-Seilbahn
Eine Seilbahn über den Hamburger Hafen. Das ist der Plan. Foto: Hamburger Seilbahn
Wagen wir ein Gedankenexperiment. Erfolgreiche, privat geführte Unternehmen bieten Osttirol an, eine Seilbahn zu bauen, finanziert rein aus privaten Mitteln, vergoldet mit einer Spende von 10 Millionen Euro für soziale Zwecke, ohne weitere Verpflichtungen für den Bezirk, ohne Inanspruchnahme öffentlicher Förderungen. Weder vom Land, von Gemeinden oder Tourismusverband wolle man Geld. Man bringe welches. Die Reaktion auf diesen Vorschlag könnte ausgesprochen positiv ausfallen. In Osttirol. In Hamburg hingegen reagiert man anders. Die von Stage Entertainment , Betreiber der „Disneys König der Löwen“ Bühne, und dem österreichischen Weltmarktführer Doppelmayr  geplante 1,5 km lange und laut Projektwerbern 35 Millionen Euro teure Seilbahn spaltet die Bürger in Befürworter und Gegner. Seit dem Projektantrag 2011 gehen die Wogen rund um die den Hafen überspannende Gondelbahn hoch. Das mag daran liegen, dass die Hamburger so ihre Erfahrungen haben mit Vorhaben, die unter dem Versprechen extrem niedriger Kosten in Angriff genommen wurden, nur um wenig später als Fass ohne Boden sehr viel an öffentlichen Geldern zu schlucken. Das prominenteste Hamburger Beispiel für solch eine Kostenexplosion ist die Elbphilharmonie, die bis jetzt eine Verzehnfachung der Baukosten verursachte und deren Eröffnungstermin ähnlich dem Berliner Flughafen weiterhin als unbekannt gelten darf. Ein anderer Grund könnte sein, dass das Vorhaben auf St. Pauli umgesetzt werden soll, wo man sich gegen eine weitere Touristenattraktion sträubt. Wie das Kräftemessen zwischen Pro- und Contra-Seilbahnverfechtern ausgehen wird, wird ein Bürgerentscheid am 24. August zeigen.
Elbhilharmonie, die unvollendete
Die Elbphilharmonie in Hamburg gilt als Paradebeispiel einer Kostenexplosion. Foto: Marcus G. Kiniger
Die Projektgegner glauben nicht an selbstlose Geschenke. Man habe schon genug Remmi Demmi, und schließlich würden bis zu zwei Millionen Seilbahn-Fahrgäste pro Jahr erwartet. Fahrgäste, für die Parkmöglichkeiten fehlen würden, und diese müssten wiederum von der öffentlichen Hand zur Verfügung gestellt werden. Dafür sei weder Platz noch Geld vorhanden. Auch seien die Kosten, wie schon bei der Elbphilharmonie, viel zu niedrig angesetzt, der wenig verbliebene Grünraum in Hafennähe werde durch die 90 Meter hohen Pylonen für die Seilbahn verschandelt und der Luftraum über dem Hafen privatisiert. Falls die Betreiberfirmen Pleite gehen sollten, so würde die Stadt Hamburg auf den Kosten sitzen bleiben. Die Befürworter hingegen sehen die Seilbahn als Ergänzung zum öffentlichen Verkehrsnetz, und preisen die Gondelbahn als günstiges, umweltfreundliches und leistungsfähiges Verkehrsmittel, das zusätzlich jedermann einen grandiosen Blick auf den Hamburger Hafen bieten würde. Auch stelle die Seilbahn für sich keine weitere Tourismusattraktion dar, sondern trage nur zur Entlastung des öffentlichen Verkehrs bei. Die Pylonen seien zwar hoch, aber dafür ästhetisch und fielen gar nicht so sehr ins Auge. Eine Sicht der Dinge, die von den Seilbahngegnern vehement bestritten wird. Am 24. August stimmen die Bürger des Bezirks "Hamburg Mitte" darüber ab, ob das Projekt ins Genehmigungsverfahren treten darf oder nicht. Was als Akt direkter Demokratie erscheinen mag, stellt eher eine Flucht der Stadtregierung aus der politischen Verantwortung dar. Der Hamburger Senat, institutionell vergleichbar mit der Landesregierung in Tirol, erklärte die Bezirksversammlung für zuständig. Als letztere das Projekt ablehnte, wurde ein Bürgerentscheid initiiert. Dass wenige Wochen vor der Abstimmung von Michael Doppelmayr bei einer Zustimmung zum Projekt die milde Gabe von veranschlagten zehn Millionen Euro für soziale Projekte bekannt gemacht wurde, wird von vielen Gegnern als ein Akt versuchten Stimmenkaufs angesehen. Keine ganz abwegige Vorstellung, wenn man weiß, dass der Großteil der Bürger des Bezirks Mitte weit von St. Pauli entfernt in sozial schwachen Randbezirken leben. Wie die Abstimmung ausgehen wird ist ungewiss. Ein positiver Entscheid zugunsten der Projektwerber erscheint mir aber sehr wahrscheinlich. Persönlich finde ich die Idee der Seilbahn toll, die Auswirkungen für Hamburg verkraftbar, den Entscheidungsvorgang eigenartig und einen Vorwurf gegenüber den beiden Projektwerbern höchst eigenwillig: ihnen ginge es nur um den Profit. Es liegt in der Natur der Sache, dass Unternehmen Profit erwirtschaften. Sie gehen ein Risiko ein, unternehmen etwas. Wenn sie klug agieren, dann tun sie dies wie im Fall der beiden Unternehmen Doppelmayr und Stage Entertainment mit Erfolg. Was mich zurück zu unserem Gedankenexperiment bringt. In Osttirol gibt es seit vielen Jahren den Plan für ein grenzüberschreitendes Seilbahn-Projekt, das großteils privat finanziert von erfolgreichen Unternehmern ins Leben gerufen wurde. Schon vor vielen Jahren. Man möchte meinen, die Reaktion auf dieses Projekt wäre durchwegs positiv. In Osttirol.
Marcus G. Kiniger wurde 1969 in Wien geboren. Seine Familie kam 1976 nach Sillian, wo der gelernte Tourismuskaufmann und ambitionierte Musiker bis 2008 lebte, bevor er nach Hamburg übersiedelte. In Norddeutschland vertreibt Kiniger Produkte aus Tirol. Er schreibt für dolomitenstadt.at die Kolumne "Waterkantiges" und ist auch regelmäßiger Autor im DOLOMITENSTADT-Printmagazin.

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