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Tourismusgesetz: Wer zahlt, schafft an

Wie demokratisch ist die Kritik am Kurienwahlrecht? Ein Kommentar.

  Um Wählerstimmen zu werben ist ein demokratisches Recht. Möglichst viele Wählerstimmen hinter sich und seinen Positionen zu vereinen, ist das zwangsläufige Ziel jeder politischen Gruppierung, besonders wenn sie neu ist und sich etablieren muss. Konsequent werden Themen besetzt, die besonders geeignet erscheinen, dieses Ziel zu erreichen. Im konkreten Fall ist ein solches Thema die Novellierung des Tiroler Tourismusgesetzes. Als besonderer Kritikpunkt und Profilierungsmöglichkeit wird das Kurienwahlrecht thematisiert. Die Wogen gehen hoch, Mandatare zeigen Emotionen, wettern und schimpfen, und finden den wirtschaftlichen Grundsatz „Wer zahlt, schafft an“ übel und gemein. Ein Kritiker versteigt sich sogar zur Behauptung, das Kurienwahlrecht verhindere Betriebsübernahmen im Tourismus und vergälle den Tourismustreibenden ihren Broterwerb. Besonders nimmt man sich der Stimmgruppe III der Tourismusverbandsmitglieder an. Was nur konsequent ist. Denn im Sinne der Stimmenmaximierung finden sich in dieser Stimmgruppe besonders viele Wählerstimmen, während die als elitäre Schicht beschriebene Stimmgruppe I nach Köpfen relativ wenige Stimmen zu bieten hat, um die zu werben sich nicht lohnt. Von der Stimmgruppe II ist erst gar nicht die Rede, denn dort sind auch nicht viele Stimmen zu holen. Nach dem Willen der Gegner des Kurienwahlrechts soll jedes Mitglied nur über eine Stimme verfügen. Die Fraktion Vorwärts will sogar noch weiter gehen, und wagt den demokratischen Gewaltakt, manchen Pflichtmitgliedern im Teilbereich der Abstimmung über die Höhe der Aufenthaltsabgabe das Stimmrecht gänzlich zu entziehen. Alles im Sinne der Demokratie natürlich. Die gleiche Fraktion will in ihrem Gesetzesvorschlag das Kurienwahlrecht nicht gänzlich kippen, denn bei der Festsetzung der Höhe des Promillesatzes sollen die Pflichtmitglieder weiterhin noch nach dem System der drei Stimmgruppen abstimmen. Das Kurienwahlrecht selbst will Vorwärts wiederum auf europäischer Ebene prüfen lassen, weil es ihrer Ansicht nach dem Gleichheitsgrundsatz widerspreche. Was widersprüchlich ist, will doch die gleiche Fraktion das Kurienwahlrecht im Fall der Bestimmung des Promillesatzes beibehalten. In der Diskussion um das Kurienwahlrecht wurde besonders oft Osttirol genannt. Das mag daran liegen, dass einer der Vorwärts Mandatare aus Osttirol kommt und seine eigenen Erfahrungen als Vorstandsmitglied aus der Stimmgruppe III mit den Abstimmungsgepflogenheiten der Mitglieder der Stimmgruppe I gemacht hat. Weil Osttirol so oft genannt wird, lohnt ein Blick auf die Finanzierung der Tourismusverbände und des Osttiroler Verbandes im speziellen. Denn die ist es, die ursächlich für die unterschiedliche Stimmgewichtung in den drei Stimmgruppen ist. In Osttirol setzt sich das Budget des TVB aus den Aufenthaltsabgaben (1/3) und den Pflichtbeiträgen (2/3) zusammen. Im Jahr 2012 machte die Summe der Pflichtbeiträge € 4,71 Millionen aus, von denen 2/3 - oder in absoluten Zahlen € 3,14 Millionen - von 240 Mitgliedern der Stimmgruppen I und II beigesteuert wurden. Von dem Mitgliedern der Stimmgruppe III zahlen knapp 2000 einen Pauschalsatz, weil sie unter die Kleinunternehmerregelung fallen. Ihr Gesamtbeitrag zum Budget im Bereich der Pflichtbeiträge wird von der Tourismusabteilung des Landes Tirol mit € 90.000/Jahr angegeben. Laut dem Begehren der Fraktion Vorwärts und ihrer politischen Mitbewerber in der Tiroler Opposition soll nun das Stimmrecht der III. Stimmgruppe gestärkt werden, in dem die Stimmrechte der beiden anderen Gruppen, die zum Großteil die Finanzierung der Verbände sicher stellen, geschwächt werden. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit gering ist, dass dieses Ansinnen in die Tat umgesetzt wird, lohnt sich das Gedankenspiel einer Abschaffung des Kurienwahlrechts, auch unter dem Blickwinkel des Gleichheitsgrundsatzes. Paradoxerweise ist es nämlich der Gleichheitsgrundsatz, der ursächlich für das Kurienwahlrecht in Tirol ist. Gleiches soll gleich behandelt werden, Ungleiches unterschiedlich. In der weitreichenden Querschnittsmaterie des Tourismusgesetzes geht es bei der Regelung des Wirtschaftszweiges auch darum, Mitgliedern, die hohe Beiträge leisten, adäquate Mitbestimmung über ihre Beiträge zu gewährleisten. Ein komplexes System von Beitragsgruppen in diversen Ortsgruppen gekoppelt an die höchsten touristischen Promillesätze Österreichs in Verbindung mit der Dreiteilung der Stimmen in Gruppen soll dies gewährleisten. Klingt kompliziert und ist es auch. Kippte man diese Form der Mitbestimmung, so würde das Konsequenzen haben. Vorstellbar ist, dass Mitglieder per Verfassungsklage den gesetzlich verordneten Solidarpakt verlassen. Schon vor der Gesetzesnovelle des Jahres 2006 mahnte die Industriellenvereinigung ein, sie wolle aus dem Solidarpakt entlassen werden. Man habe seinen Aufbaubeitrag geleistet, es reiche nun. Eine andere Variante wäre, dass diese Mitglieder eine konsequente Absenkung der Promillesätze auf das Niveau der Nachbarländer wie Kärnten oder Salzburg einfordern. Dort betragen die Promillesätze ein Viertel der Tiroler Sätze. Für die bisher finanziell gut dotierten Tiroler Tourismusorganisationen wäre das fatal, für den Osttiroler Verband schlicht katastrophal. Vielleicht ist es aber auch im Interesse der Fraktionen, mehr wirtschaftliche Gleichheit zu schaffen, und so auch auf finanzieller Augenhöhe mit den Mitbewerbern in den angrenzenden Tourismusregionen in Salzburg, Vorarlberg und Kärnten oder im noch schlechter finanzierten Südtirol werben zu können. Die Vereinigung der Kärntner Tourismusregionen hat übrigens zur Novelle des Kärntner Tourismusgesetztes folgende Stellungnahme abgegeben: “Wahlen im TVB: Dem Kopfstimmenrecht wäre das Tiroler Modell des Kurienwahlrechts vorzuziehen.“
Marcus G. Kiniger wurde 1969 in Wien geboren. Seine Familie kam 1976 nach Sillian, wo der gelernte Tourismuskaufmann und ambitionierte Musiker bis 2008 lebte, bevor er nach Hamburg übersiedelte. In Norddeutschland vertreibt Kiniger Produkte aus Tirol. Er schreibt für dolomitenstadt.at die Kolumne "Waterkantiges" und ist auch regelmäßiger Autor im DOLOMITENSTADT-Printmagazin.

4 Postings

mentos
vor 9 Jahren

© Marcus G. Kiniger. Ihre Angaben zu den Beitragszahlungen der Stimmgruppe III sind irreführend formuliert bzw. könnte man sie missinterpretieren. Sie schreiben darin, dass über 2.000 Unternehmer einen Pauschalbetrag zahlen, der mit € 90.000,- angegeben ist. Ich möchte aber schon explizit darauf hinweisen, das die Summe der Beitrage aus der Stimmgruppe III auch € 1.570.000,- ausmachen. Ich selbst zahle seit Jahren einen Beitrag in der Höhe von knapp über € 2.000,-!!! ... und bin seit jeher in der Stimmgruppe III angesiedelt.

... da hört man dann auch nicht so gerne ... was, wieso und mit welchem Recht sich die "Minizahler" aus der Stimmgruppe III aufregen!!!

Im den meisten Fällen sind die pauschalierten 2.000 Unternehmen auch solche, denen der Tourismusverband größtenteils am Allerwertesten vorbeigeht. Doch die meisten jener, die zusammen die € 1.480.000,- berappen dürfen, sind überwiegend direkt oder unmittelbar von der Tourismuswirtschaft abhängig!!!

... was vielleicht auch nicht alle wissen. Dem einen oder anderen aus der Stimmgruppe I ist der TVB auch egal, da seine Branche mit dem Tourismus nicht wirklich viel zu tun hat ... und um solche (Viel)Stimmen wurde in der Stimmgruppe I geworben und gefeilscht (... Vollmacht-Wahlen!).

 
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mischmaschin
vor 9 Jahren

Wenn wir (alle Pflichtmiglieder) nicht die selben Interessen mit gleichem Gewicht verfolgen, dann liegt das Problem ganz woanders - nämlich in Inkompetenz, Uneinigkeit und Bevormundung der "Kleinen" und Schächeren

Wenn man der Meinung ist, daß nur diejenigen wissen wie's geht, die absolut zwar mehr aber anteilig nur genausoviel bezahlen, dann finde ich das nicht besonders demokratisch! Das führt nämlich dazu, daß im Tourismus Leute über die Gelder entscheiden, die gar nicht unmittelbar vom Tourismus leben oder mit ihm zu tun haben. Der Rest ist Stimmvieh! So richten sich's dann halt doch ein paar Große zusammen mit den etwas mehr Mittleren so wie es uns gut bekannt ist.

 
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Marcus G. Kiniger
vor 9 Jahren

Spitze Feder,

in der gesetzlichen Organisation des Tiroler Tourismus ist nicht all zu viel einfach.

Der Aufsichtsrat der Tiroler TVBs wird paritätisch aus den drei Stimmgruppen beschickt. D.h. jede Stimmgruppe wählt aus ihren Mitgliedern die zu entsendenden Mitglieder des Aufsichtsrats. Innerhalb des Aufsichtsrates gilt eine Stimme pro Aufsichtsratsmitglied. Die Vertreter der angeblich elitären Schicht der Stimmgruppe I, die in Osttirol 40 Mitgliedsbetriebe zählt und 1/3 der Pflichtbeiträge erwirtschaftet, verfügt im Aufsichtsrat über kein gesteigertes Stimmgewicht, was auch für die Gruppe der 200 Mitglieder aus der Stimmgruppe II gilt. Auch die aus dem Aufsichtsrat gewählten Vorstandsmitglieder verfügen nur über eine Stimme.

Der verfassungsrechtlich bedeutende Gleichheitsgrundsatz wird bei der Stimmgewichtung der drei Stimmgruppen in der Vollversammlung berücksichtigt. An ihm zu rütteln ist erlaubt. Man muss nur bereit sein, die Konsequenzen dafür zu tragen. Die könnten die Tiroler Tourismusorganisationen teuer zu stehen kommen, und besonders die TVB-Mitglieder, die nur zur Abführung geringer Pauschalsätze verpflichtet sind, aber von den Mitteln der hochverpflichteten Beitragszahler profitieren.

Jetzt besteht die unmittelbare Gefahr einer solchen Entwicklung nicht. Obwohl die Ankündigung der Fraktion Vorwärts, eine Prüfung nach dem Gleichheitsgrundsatz auf europäischer Ebene durchführen zu lassen, eine solche Entwicklung einleiten kann. Die alpinen Mitbewerber soll's freuen, kommt es dazu.

 
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spitzeFeder
vor 9 Jahren

Lieber Marcus,

das klingt ganz nach der Goldenen Regel: Wer das Gold hat, macht die Regeln.

Ist es wirklich so einfach?

 
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