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Deutsche „Ausländermaut“, eine Last für alle

Ein bayerischer Wahlkampfgag, der mit Ansage in die Lederhose zu gehen droht

"Ausländermaut" hat die CSU das weiß-blaue Profilierungsprojekt von Anfang an genannt. Und damit im deutschen Bundestagswahlkampf bayerischen Landtagswahlkampf gemacht. Mit ganz viel Lederhose und ohne jeden Laptop, bayerisch polternd und laut über viele Landesgrenzen hinweg vernehmbar. Man wollte es denen da draußen schon zeigen. Den Nicht-Bayern. Den Ausländern, diesen Ausländischen, wie diesen Österreichern, die da rotzfrech einfach über’s deutsche Eck fahren, jeden Tag, ohne einen Cent Maut zu zahlen.
Wann findet sich Deutschland in der europäischen Mautgemeinschaft ein?
Wann findet sich Deutschland in der europäischen Mautgemeinschaft ein?
  Während der Bayer, vielleicht sogar andere Deutsche, gefühlterweise an jeder slowenischen, schweizerischen, französischen und, nicht zu vergessen, österreichischen Straßenkreuzung mit Vignetten und Pickerln und Mauten ausgeplündert wird. Ausgsacklt, wie der Bayer sagt, der prompt mehrheitlich die CSU wählte, komme was wolle, und sei’s eine Maut, die am Ende alle zahlen. Auch die Deutschen, und damit, zu ihrer eigenen Überraschung, die Bayern selbst. Dabei sollte die Überraschung nicht groß sein. Gleich nachdem die bayerischen Mautpläne von Dobrindt, Seehofer & Co. wahlkämpfend publik gemacht wurden, warnte eine breite Front von Sachverständigen auf der einen und Politikern auf der anderen Seite, dass das mit dem ungetarnten Umgehungsgeschäft "Ausländermaut" so nichts werden würde. Da hätte wohl die EU was dagegen. Und sie hatten recht, die Kritiker. Die EU-Kommission hat was dagegen. Schickt die doch glatt einen blauen Brief nach Berlin und mahnt ein, so gehe das nun wieder nicht, mit Maut für angeblich eh alle und der lauthals angekündigten Rückerstattung derselben für deutsche KfZ-Steuerzahler. Deutschland solle sich das noch überlegen. Die Idee sei etwas unausgereift. Das wiederum gefällt Herrn Dobrindt nicht. Mit hocherhobenem Finger zeigt er auf andere Mautvarianten mit Ausnahmeregelungen, sagt, wenn die das dürfen, dann darf ich auch. Seine Aufmerksamkeit lenkt er unter anderem Richtung Osttirol auf den Felbertauerntunnel. Denn dort zahle der Ausländer, also diesmal Bayern. Manche Inländer zahlten weniger und Halter von PKW mit dem Kennzeichen LZ rein gar nichts. Und dann erst die Slowenen, reine Straßenräuberei. Wobei all die von Dobrindt aufgezeigten Arrangements, mit der Ausnahme Sloweniens, Phänomene von lokaler und ausgesprochen begrenzter Bedeutung sind, die einigermaßen gut begründet werden können. Anders als die geplante Entlastung von über 40 Millionen deutschen Kfz-Steuerpflichtigen. Zu denen ich übrigens auch gehöre. Komme ich mit meinem Hamburger Kennzeichen zum Felbertauern, dann muss ich trotz Sprachidentifikation und Familienstammbaum Maut zahlen. Was ich verschmerzen kann. Deutlich schmerzhafter würde für mich und viele andere die Umsetzung des wackligen Dobrindt-Konstrukts, weil die Maut dann zwar kommt, die versprochene Entlastung aber als EU-rechtswidrig eingestampft wird. Was sehr wahrscheinlich ist. Der anklagende Fingerzeig des deutschen Verkehrsministers bayerischer Nation wird, falls die "Ausländermaut" wie prognostiziert in die Lederhose gehen sollte, wahrscheinlich gen Brüssel gerichtet werden. Dann wird die EU verantwortlich dafür sein, alle anderen, nur nicht die bayerische CSU, die zeigen wollte, was sie kann. Letzteres ist ihr schon jetzt auf ganz besondere Weise gelungen.
Marcus G. Kiniger wurde 1969 in Wien geboren. Seine Familie kam 1976 nach Sillian, wo der gelernte Tourismuskaufmann und ambitionierte Musiker bis 2008 lebte, bevor er nach Hamburg übersiedelte. In Norddeutschland vertreibt Kiniger Produkte aus Tirol. Er schreibt für dolomitenstadt.at die Kolumne "Waterkantiges" und ist auch regelmäßiger Autor im DOLOMITENSTADT-Printmagazin.

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