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Schett: „Ich bin kein politischer Reißwolf.“

Der Villgrater Politiker über Opposition, Kraftwerke und die Gleichheit vor der OIG.

Seit zwei Jahren sind Sie Landtagsabgeordneter. Wie gestaltet sich Oppositionsarbeit im Land Tirol? Oppositionsarbeit ist überall mühsam, nicht nur in Tirol. Als kleine Partei kann man der Welt keine Haxen ausreißen. Ich beschreibe meine politische Arbeit als ergebnisorientiert. Ich will nicht den politischen Reißwolf spielen, sondern konzentriere mich auf meine Themen, vor allem Landwirtschaft und Tourismus, und tue nicht so, als ob ich von der Gratiswindelaktion bis hin zur Atomkraft von allem und jedem eine Ahnung hätte. Welche selbstgesetzten Ziele haben Sie erreicht? Ganz gut gelungen ist die Vorbereitung der medizinischen Modellregion Osttirol mit dem Ziel der Optimierung der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung. Die soll auch durch die Verbesserung der Lebensqualität für Ärzte erreicht werden, um dieses Berufsbild am Land für junge Menschen wieder attraktiv zu gestalten. In Abstimmung vom Bezirkskrankenhaus über alle Institutionen bis hin zur Pflege habe ich hier einen gemeinsamen Beschluss aller Landtagsparteien erreicht. Oder der einstimmige Beschluss aller Parteien für die Möglichkeit der Bergrettung, Übungsflüge im Nationalpark Hohe Tauern zu machen, in dessen Vorfeld ich mich in vielen Verhandlungen mit eingebracht habe. Weniger erfolgreich war ich bei der Novellierung des Tourismusgesetzes. Aber so ist Politik.
Der Impuls-Abgeordnete sieht sich selbst nicht in der Fundamentalopposition. Foto: Martin Lugger
Der Impuls-Abgeordnete sieht sich selbst nicht in der Fundamentalopposition. Foto: Martin Lugger
Aktuell fordern Sie die Umgestaltung der Förderungsbedingungen der Osttirol Investment GmbH (OIG). Was fordern Sie konkret? Bis jetzt waren die Bedingungen für Antragsteller aus dem Osttiroler Tourismus nicht attraktiv, auch wegen einer geforderten Bankgarantie von 105%. Wenn eine Bank eine solche Garantie geben kann, vergibt sie den Kredit selbst. Abgesehen davon waren die von der OIG geforderten Kreditzinsen zu hoch. Darüber hinaus hat man sich entgegen der eigenen Satzung an den Kalser Bergbahnen der Schultz-Gruppe beteiligt. Die Kalser Bergbahnen haben seit 2012 jährlich fast eine Million Euro Verlust geschrieben, was zur Folge hatte, dass die OIG-Beteiligung in der Höhe von sechs Millionen Euro jetzt wertbereinigt und abgeschrieben wurde. Das stellt meiner Ansicht nach einen Affront gegenüber der Osttiroler Wirtschaft dar. Wobei mich weniger stört, dass Schultz das Geld quasi geschenkt wurde, sondern dass die Osttiroler Wirtschaftstreibenden nicht die gleichen Voraussetzungen vorfanden. Hier wird mit zweierlei Maß gemessen. Sie kritisieren auch die Besetzung der Position des OIG-Aufsichtsratsvorsitzenden durch den Landesbeamten Dr. Föger. Warum? Da Gerhard Föger, den ich grundsätzlich sehr schätze, dem Landeshauptmann gegenüber weisungsgebunden ist, entsteht eine schiefe Optik. Es gäbe in Osttirol ausreichend gute Leute, die etwas von der Osttiroler Wirtschaft verstehen, die wesentlich näher am Geschehen sind und das Ohr am Puls des lokalen Geschehens haben. Wichtig ist, dass dieser Fördertopf wieder für Osttiroler Unternehmer zu für alle gleichen Bedingungen zugänglich gemacht wird, und nicht auf 150%-ige Sicherheit gegangen wird, sondern dieses Geld auch als Risikokapital betrachtet wird, um dringend notwendige Investitionen im Bezirk auszulösen.
Zwei Landtagsabgeordnete und ein Bundesrat - Politiker im Tousimusverband Osttirol
Zwei Landtagsabgeordnete und ein Bundesrat – Politiker im Tourismusverband Osttirol. Foto: Expa/Groder
Im Osttiroler Tourismusverband (TVBO) sitzen neben Bürgermeistern zwei Landtagsabgeordnete und ein Bundesrat. Was ist übrig geblieben von der Forderung, weniger Politik in den Tourismusverbänden zu haben? Nach dem Landtagswahlergebnis habe ich überlegt, meine Funktion im Verband zur Verfügung zu stellen. Nach vielen Diskussionen setzte sich die Position durch, dass mein Rückzug nur dann sinnvoll wäre, wenn auch alle anderen Politiker dies tun würden. Aus jetziger Sicht würde ich das vielleicht anders machen. Tourismus war immer politisch, insofern ist es ganz gut, wenn im Verband ein politisches Gegengewicht vorhanden ist. Als TVBO-Vorstand sind Sie für den naturnahen Tourismus zuständig. Laut einer Studie von Kohl und Partner soll gerade der gefördert werden. Wie soll dieser Plan konkret umgesetzt werden? Die Studie hat klar gezeigt, dass das Alleinstellungsmerkmal die Bergwelt und die von Menschenhand geprägte Osttiroler-Kulturlandschaft ist. Daraus sind verkaufbare Angebote zu machen. Der 360° Rundwanderweg oder Herz Ass in Villgraten sind dementsprechende Ansätze. Besonders aber im Bereich der Nationalparkregion ist es wichtig, der Bevölkerung zu zeigen, dass sich dort Wertschöpfung erzielen lässt, und der Nationalpark nicht Belastung sondern Chance ist. Hier gibt es gute Gespräche mit dem Land und wir werden auch in der Osttirol Werbung personell dementsprechende Schritte setzen. Die aktuellen Zahlen zeigen, die touristische Wertschöpfung wird in der Hotellerie der Täler gemacht, nicht auf den Schutzhütten. Wichtiger Teil von Herz-Ass ist ein Mobilitätskonzept, das die Wanderer immer wieder ins Tal holt, wo sie nächtigen, gut essen und trinken sollen. Ein anderer Aspekt für die Vermarktung der Natursportarena Osttirol ist der Spitzensportbereich, wobei man intensiv mit den Veranstaltern des Dolomitenmanns, der Familie Grissmann, sprechen muss. Großereignisse wie der Dolomitenmann müssen auch verkaufbare Angebote nach sich ziehen, was auch für den Radsport gilt, bei dem es nach wie vor keine Vor- und Nachnutzung gibt. Die Osttiroler Schubladen sind voll mit Konzepten, Strategiepapieren und Leitbildern. Was macht deren Umsetzung so schwierig? Nicht nur in Osttirol sind die Schubladen voll davon. Grundsätzlich ist es wertvoll, wenn man sich zusammensetzt, Bestandsanalysen macht, spricht und Konzepte entwirft, die im Kleinen durchaus Wirkung zeigen. Der große Wurf ist aber bis heute nicht gelungen. Es kommen unterschiedlichste Interessenlagen zusammen, die es oft erschweren, eine homogene Gruppe mit gemeinsamen Zielen zu bilden.
Die Wegelate-Säge im Villgratental. Dieses Schauspiel würde nur noch stundenweise für Touristen "eingeschaltet".
Die Wegelate-Säge im Villgratental. Dieses Schauspiel würde nur noch stundenweise für Touristen "eingeschaltet". Foto: Christian Böhm
Lange schon stellen Sie sich gegen den Bau eines Kleinkraftwerks in Innervillgraten. Vom dortigen Gemeinderat wird erwogen, Projektgegnern mit rechtlichen Schritten zu begegnen, der mit der Projektumsetzung betraute Ingenieur nennt das Vorgehen der Opponenten undemokratisch. Die Idee, in der Demokratie Andersdenkende mit Schadensersatzklagen einzudecken, halte ich für skurril. Ich habe mich intensiv mit dem Projekt beschäftigt. Im Vordergrund steht für mich die Wirtschaftlichkeit, besonders im europäischen Gesamtzusammenhang. Das Land Tirol hat zur Prüfung solcher Projekte einen Kriterienkatalog erstellt, dessen Anwendung man erfolgreich umschifft hat. Einer ehrlichen Prüfung hat man sich nicht unterzogen. Nach meinem Wissensstand ist das Projekt nicht wirtschaftlich zu führen, was man übrigens mittlerweile auch im Landhaus zu hören bekommt. Und man beschädigt damit den naturnahen Tourismus, den wir in Innervillgraten zu etablieren versucht haben. Wenn sich der Planer, der sein Honorar kürzlich von 600.000 Euro auf 900.000 Euro – eine Steigerung von 50% – korrigiert hat, in den anderen Punkten ähnlich verrechnet hat, dann ist eine Refinanzierung des Kraftwerks mehr als fraglich. Fast alle Osttiroler Gemeinden sind finanziell am Limit, verfügen über kaum eigene Einnahmen und sind von Transferleistungen abhängig. Ist es da nicht verständlich, wenn Gemeinden versuchen, durch solche Projekte Einnahmen zu erreichen? Natürlich ist es verständlich, nur muss das Projekt eben wirtschaftlich sein. In anderen Osttiroler Orten gibt es Kraftwerksvorhaben, die nicht durchgeführt und gefördert werden, weil sie unwirtschaftlich sind und die Gemeinden in eine noch tiefere Verschuldung führen würden. Der Weg aus der Misere liegt für Gemeinden in mehr Zusammenarbeit. Im Land Tirol hat man dazu die Beamtenschaft befragt, die anonym Vorschläge unterbreiten konnte, was zu interessanten Denkansätzen geführt hat. Eine enge Zusammenarbeit der Gemeinden muss mit einer Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung vorbereitet werden und darf nicht von oben verordnet werden, sonst ist der Widerstand vorprogrammiert. Für mich ist besonders in den Talschlussgemeinden die Landwirtschaft ein Schlüssel zum Erhalt von Lebensqualität und touristischer Potenziale. Wenn die Bauern die Stalltüren zusperren, dann wird sich nicht nur die Landschaft verändern. Südtirol hat das erkannt und investiert 25 Millionen Euro, um Gegenstrategien zu entwickeln. Nicht nur in Innervillgraten wird gestritten. Auch die Partei Vorwärts hat sich in Sachen Streit einen Namen gemacht. Jetzt sind Sie Abgeordneter bei Impuls. Was darf sich der Wähler von Ihnen erwarten? Bei der Gründungsversammlung 2013 trafen sich 100 Menschen, von denen sich 80 nicht kannten, was schließlich zu Reibungen und Differenzen führte und man sich mehr mit sich selbst, als mit dem politisch Wesentlichen beschäftigte. Das Resultat mussten wir ernüchtert zur Kenntnis nehmen. Jetzt versuchen wir in dieser Periode, nicht Fundamentalopposition zu betreiben, sondern verwirklichbare Ziele im allgemeinen Konsens umzusetzen. Wird es Impuls nach dieser Periode noch geben? Es hat wenig Sinn, wenn die bürgerlichen Fraktionen sich nur noch in homöopathischen Dosen wiederfinden. Damit bringt man auch keine PS auf die Straße. Es werden Gespräche auch mit anderen kleineren Gruppierungen geführt werden, an deren Ende vielleicht wieder eine schlagkräftige Gruppe am Start steht. Ob das gelingt, weiß man nicht. Wird Impuls bei den Gemeinderatswahlen 2016 kandidieren? Impuls selbst wird nicht antreten, aber wir haben einige wahlwerbende Gruppierungen, die wir unterstützen.
Marcus G. Kiniger wurde 1969 in Wien geboren. Seine Familie kam 1976 nach Sillian, wo der gelernte Tourismuskaufmann und ambitionierte Musiker bis 2008 lebte, bevor er nach Hamburg übersiedelte. In Norddeutschland vertreibt Kiniger Produkte aus Tirol. Er schreibt für dolomitenstadt.at die Kolumne "Waterkantiges" und ist auch regelmäßiger Autor im DOLOMITENSTADT-Printmagazin.

2 Postings

beobachter52
vor 8 Jahren

Man kann zu LA Schett stehen, wie man will - eines ist klar: Er ist derzeit der einzige Osttiroler Landtagsabgeordnete, der seinen "gesamten" Bezirk im Land vertritt, nicht nur die Bauern (Kuenz, Mayerl), die Stadt Lienz (Blanik) oder sich selbst (?) .....

 
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mischmaschin
vor 8 Jahren

Irgendwie klingt das schon ehrlich... Ihm dürfte es tatsächlich nicht ums Sesselkleben gehen, die Perspektive hat er gar nicht. Also mir gefällt der Schett!

 
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