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Was ist Heimat? Versuch einer Annäherung

Zum Start der neuen Heimweh-Staffel einige Gedanken zum Thema.

Sich am richtigen Platz fühlen, tun was man tun will, Gleichdenkende finden: Das kann man immer und überall auf dem Globus. Im kleinen Osttirol, in Innsbruck oder genauso gut auch irgendwo in Südafrika oder Kanada. Denn Heimat ist kein Ort. Heimat ist ein Gefühl. Ich steige aus dem Bus, sofort höre ich Stimmen, Straßenlärm und die stickige Luft füllt meine Lungen. Asiaten laufen mit ihrer Kamera herum, mit dem einen Ziel, das „goldene Dachl“ abzulichten. Der schmackhafte Duft von Essen regt meine Speichelproduktion an. In diesem Moment weiß ich: Ich bin angekommen. Ich bin in Innsbruck. Ringsum große Häuser und jede Menge Leute. Das gefällt mir. Klar, wenn ich dann ein wenig weiter gehe Richtung Hauptstraße, stinkt es wahrscheinlich irgendwo nach Abgasen. Es dauert auch bestimmt nicht lange, bis die ersten ohrenbetäubenden Hupkonzerte ertönen. Spätestens wenn mich aber ein gestresster Mann in Richtung Feierabend anrempelt hört die Melancholie auf. Aber das ist egal. Jetzt bin ich endlich wieder daheim. Das ist die Stadt, hier will ich leben. Hier habe ich die Möglichkeit mich zu entfalten, mich weiter zu entwickeln in einem ganz anderen Kontext. Alles ist größer, schneller und lauter als zu Hause. Die Stadt musste sein, zumindest für den Moment, ob sie es später auch weiterhin sein wird, zeigt die Zukunft. Dann kommen die Feiertage und ich fahre zurück nach Osttirol, zu meinen Eltern, Verwandten und meinen alten Bekannten. Der Abschied fällt schwer, aber er ist ja nicht für immer. Hoffentlich, man weiß ja nie. Zu Hause werde ich warmherzig empfangen, es gibt Essen und eine große Portion gute Laune. Am Abend noch ein Bier mit Freunden und dazu jede Menge alte, neue Geschichten. Beim Heimgehen lausche ich noch den zirpenden Grillen in der ländlichen Stille. Ein klein wenig habe ich all das vermisst, diese Ruhe, die frische, klare Luft und irgendwie auch das freundliche „Grüß Gott“. Erst dann wird es mir langsam klar. Heimat gibt’s nur in der Einzahl und doch kann man an vielen Orten glücklich sein. Letztendlich ist Heimat, sich dort wohl zu fühlen, wo man ist. Wer das nicht kann, ist nie daheim – auch nicht, wenn er seinen Geburtsort nie verlassen hat. Denn Heimat kann man sich machen. Immer und überall.
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Mario Gietl ist Mitglied der Dolomitenstadt-Nachwuchsredaktion und studiert Psychologie in Innsbruck. Foto: Marco Leiter

Ein Posting

qwertz
vor 8 Jahren

Sehr toller Text. Gratulation.

 
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