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Eine Hamburger Berufsschule mit Skikeller?

Gibt es. Wir waren dort, auf der Suche nach der Begeisterung für das Skifahren.

Martin Neumann ist Direktor der BS 04 in Hamburg, einer Berufsschule mit dem Schwerpunkt für metallverarbeitende Berufe und gut 1.500 Schülern. Seit vielen Jahren bietet die Schule auch Skiklassenfahrten an. Ein Gespräch mit einem, der vom Skifahren begeistert ist und selbst zu begeistern weiß. Wie kommt man als Hamburger, als Flachländer zum Skifahren? Woher kommt die Begeisterung? Es ist einfach ein unglaubliches Gefühl, wenn man oben steht auf einem Berg, mit etwas Glück bei blauem Himmel, und über die verschneite Landschaft schaut. Das beeindruckt mich immer noch genauso wie auch unsere Schüler, das ist einfach wunderbar. Sicher auch, weil hier eben alles so flach ist, wie es ist. Im Fall unserer Schule hat die Begeisterung mit hessischen Kollegen, Lothar und Christian zu tun, die Anfang der 1980er Jahre nach Hamburg kamen, und die hervorragende Skifahrer sind. Seitdem machen wir Skiklassenfahrten, die sowohl von den Schülern wie auch den Lehrkräften sehr gut angenommen werden. Aktuell haben wir zum Beispiel zehn Kollegen, die über einen Skianleiterschein verfügen. Ich versuche, jeder Kollegin und jedem Kollegen, die/der sich dafür interessiert, jedes Jahr die Weiterbildung zu ermöglichen, auch um die Tradition am Leben zu erhalten. Im März finden in Hamburg eigens Skiferien statt. Haltet ihr die Skiklassenfahrten dann ab? Nein, die Klassenfahrten finden immer in Unterrichtseinheiten statt. Wir stellen das Projekt Anfang der Ausbildung vor, weil wir einen gewissen Vorlauf brauchen, um die Finanzierung sicher stellen zu können. Wir haben einen Schulverein, bei dem von den Schülern und den Lehrern eingezahlt wird. Zum anderen werden wir manchmal auch von den Ausbildungsbetrieben unterstützt. Weil wir die Fahrt auch als Teambuildingmaßnahme betrachten, wollen wir möglichst früh damit starten. Die Fahrt findet deshalb meist am Beginn des zweiten Ausbildungsjahres statt. Toll ist, dass wir oft von ehemaligen Absolventen kontaktiert werden, die anfragen, ob sie wieder mitkommen können. Das spricht für den Erfolg der Veranstaltungen. Wie viele Schüler nehmen an einer Fahrt normalerweise teil? Insgesamt sind wir meist zwischen 50 und 60 Personen, so viele, dass ein Reisebus voll wird. Essentiell ist, wie viele mitfahren können. Wir möchten den Gruppenzusammenhalt stärken. Fahren etwa mehr als drei Schülerinnen und Schüler nicht mit, dann sagen wir die Fahrt ab. Beworben werden die Fahrten übrigens nicht nur von den Lehrern an der Schule, sondern auch von Leuten in den Betrieben, die selbst schon als Schüler auf Skiklassenfahrt waren. Die unterstützen uns und sorgen oft auch für einen kleinen Zuschuss durch die Firma. Auch ältere Schüler machen Mundpropaganda, weil so eine Fahrt für alle ein unvergessliches Erlebnis ist.
Martin Neumann leitet eine Berufsschule in Hamburg mit 1500 Schülern – und einem eigenen Skikeller, mitten im Flachland. Foto: Dolomitenstadt/Marcus Kiniger
Was muss eine Destination bieten, um für euch interessant zu sein? Ein schneesicheres, übersichtliches und kostengünstiges Skigebiet, das auch für Anfänger geeignet ist. Dazu eine passende Unterkunft, die nicht zu groß, aber auch nicht zu beengt sein sollte, mit einem Aufenthaltsraum, der für alle Teilnehmer Platz bietet. Preiswerte Angebote bei den Skikarten. Die Verpflegung darf nicht unterdurchschnittlich sein, weil übles Essen sonst fatale Auswirkungen auf die Stimmung in der Gruppe hat, ebenso wie eine zu abgewohnte Unterkunft. Ein total kaputtgewohnter Ex-Gasthof motiviert den einen oder anderen, den Abriss schon während der Fahrt selbst in die Hand zu nehmen. Das wollen wir nicht. Eine Großraumdiskothek gleich ums Eck, aus der wir dann um Sechs in der Früh die Leute holen müssen, brauchen wir auch nicht unbedingt. Werdet ihr von Skidestinationen direkt umworben? Nein, wir buchen über Veranstalter. Wenn wir einmal eine Destination für gut befunden haben, dann fahren wir da immer wieder hin, oft für viele Jahre. Das hat oft auch mit begeisternden Kleinigkeiten zu tun, wie etwa einer Abfahrt in der Dämmerung, oder Abendessen auf der Hütte, die uns die Beherberger ermöglichen. Das hilft dann schon, eine Bindung aufzubauen. Was wir uns wünschen würden, wären etwa Skistangen, die wir uns vor Ort leihen könnten, oder eine verstärkte Kooperation mit den Skigebieten. Eure Schule verfügt über einen eigenen Ski-Fundus. Wie kam es dazu? Die Idee dazu stammt von den Kollegen, die damals auch die Skifahrten etabliert haben. Wir haben auch gute Verbindungen zu Sport Karstadt und haben so über die Jahre einen gut bestückten Fundus aufgebaut. Was uns einiges an Kosten gespart hat. In Zukunft werden wir die Pflege der Ski und Bindungen aber nicht mehr selbst leisten können, weil einfach die Zeit und die Mittel fehlen. Weswegen wir dann doch vor Ort ausleihen werden. Euer Lehrerkollegium fährt auch privat zum Skiurlaub? Ja, dann aber in den Skiferien. Dieses Jahr fahren wir nach Zermatt. Bei der Auswahl geht es uns um die meisten Pistenkilometer und variantenreichsten Skigebiete, weil alle von uns einigermaßen gute Skifahrer sind und was erleben wollen. Da kommt die Unterkunft nicht unbedingt an erster Stelle. Wobei Gemütlichkeit durchaus eine Rolle spielt. Letztes Jahr waren wir in Tignes in den französischen Alpen, das zwar als Skidestination wunderbar ist, aber von der Gemütlichkeit und auch dem Preis/Leistungsverhältnis weit hinter unseren Österreicherlebnissen zurückliegt. Da waren die Pisten toll, aber auch das Essen und das Ambiente. In Frankreich steht ein Hochhaus am Berg, bei euch eine schöne Hütte mit gutem Essen und bezahlbaren Getränken. Habt Ihr schon einmal überlegt, nach Osttirol zu fahren? Bis jetzt noch nicht. Wir danken für das Gespräch.
Dieses Interview ist Teil einer kurzen Serie zum Thema: Was wünscht sich eigentlich der deutsche Wintergast? Dolomitenstadt-Autor Marcus G. Kiniger hört sich dazu in seiner derzeitigen Heimatstadt Hamburg um.
Marcus G. Kiniger wurde 1969 in Wien geboren. Seine Familie kam 1976 nach Sillian, wo der gelernte Tourismuskaufmann und ambitionierte Musiker bis 2008 lebte, bevor er nach Hamburg übersiedelte. In Norddeutschland vertreibt Kiniger Produkte aus Tirol. Er schreibt für dolomitenstadt.at die Kolumne "Waterkantiges" und ist auch regelmäßiger Autor im DOLOMITENSTADT-Printmagazin.

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