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Man muss genau schauen, um die beiden Eiskletterer auf diesem Bild zu entdecken. „Sexmachine“ nennt sich der Eisfall in Heiligenblut, den Jeff Mercier und Matthias Wurzer bezwingen. Foto: Ramona Waldner

Man muss genau schauen, um die beiden Eiskletterer auf diesem Bild zu entdecken. „Sexmachine“ nennt sich der Eisfall in Heiligenblut, den Jeff Mercier und Matthias Wurzer bezwingen. Foto: Ramona Waldner

Eiskletterer Jeff Mercier: „Ich hatte oft großes Glück.“

Interview mit dem französischen Stargast beim 5. Eiskletterfestival im Eispark Osttirol.

Jeff Mercier, geboren 1970, ist eine lebende Legende in der Welt des Eis- und Mixedkletterns. Der Vater von drei Jungen, Bergführer und Bergretter bei der Chamonix Mountain Police (PGHM) wurde in der Szene mit zahlreichen alpinen Erstbegehungen berühmt, darunter einige der schwersten Mixed-Klettertouren der Welt. Der zweifache Gewinner des Ouray Ice Festivals in Colorado war Anfang Jänner Stargast beim 5. Eiskletterfestival im Eispark Osttirol. Dolomitenstadt-Fotoreporterin und Kletterspezialistin Ramona Waldner traf Mercier im Matreier Tauernhaus und nutzte die Gelegenheit für einige Fragen an den sympathischen Sportler.


Jeff Mercier, einer der besten Eiskletterer der Welt, beim Dolomitenstadt-Interview im Matreier Tauernhaus. Foto: Ramona Waldner

Jeff, ich hatte vor drei Tagen das Vergnügen, dich beim Eisklettern zu fotografieren. Du bist gemeinsam mit Matthias Wurzer einen Eisfall namens „Sexmachine“ in Heiligenblut geklettert. Dein Kletterstil ist unverkennbar leichtfüßig, athletisch und hat mich sehr beeindruckt. Nach deinem Vortrag im Tauernhaus hatte ich das Gefühl, dass du nicht nur wie eine Katze kletterst, sondern auch die sieben Leben hast, wie man sie diesen Tieren nachsagt. Da erzählst du von Lawinen, Seilrissen und anderen „worst case Szenarien“ in deiner Karriere. Dinge die die meisten Athleten wohl eher unbeleuchtet lassen. Wie kam es zu diesem Zugang?

In meiner über 30-jährigen intensiven Erfahrung im Alpinismus sind tatsächlich schon einige Unfälle passiert. Ich hatte oft großes Glück. Bei meinen Vorträgen ist es mir wichtig, mein Wissen und meine Erfahrung weiterzugeben, anstatt nur über mich und meine Leistungen zu sprechen. Aus Fehlern kann man lernen und es bringt nichts, alles zu beschönigen. Daher baut mein Vortrag auf 10 Dont´s beim Eisklettern auf.

Aber von vorne: Du bist 1970 in der Nähe von Chamonix in Frankreich geboren und blickst mittlerweile auf eine lange professionelle Karriere im Alpinismus zurück. Was gab dir hier den Anstoß?

Meine Eltern hatten mit Bergsport nichts am Hut. Aber meine Großmutter war fasziniert von Bergbüchern und Fotografieren. Ich kann mich noch gut an die dunklen und Respekt einflößenden Bilder der Alpen erinnern, die bei ihr im Haus hingen. Die haben mein Interesse geweckt. Mit 13 startete ich dann mit dem Felsklettern.

Wie ich in deinem Vortrag erfahren habe, warst du damals schon recht furchtlos. Du hast erzählt, dass du beim Klettern aus einer Höhe von zehn Metern auf den Boden gestürzt und danach mit dem Rad nach Hause gefahren bist.

Ja, wie gesagt, man braucht auch ein bisschen Glück. Da ich mir dessen bewusst bin, dass es mit noch so viel Wissen und Erfahrung immer ein Restrisiko gibt, bin ich ehrlich gesagt sehr froh, dass meine drei Jungs, 9, 14 und 17 Jahre alt, kein Interesse am Klettern haben.

Wie ging es dann bei dir beruflich weiter?

Mein Vater wollte, dass ich im elterlichen Betrieb als Mechaniker arbeite. Das konnte ich mir nach einem Testlauf nicht vorstellen. Den ganzen Tag in einer Halle stehen, das war nichts für mich. Ich ging nach Marseille und wollte Lehrer werden. Das Studium war aufgrund der vielen Klettermöglichkeiten in der Gegend nicht sehr erfolgreich. Aber das Gute ist: Ich lernte dort meine tolle Frau Stephanie kennen. Mit etwa 23 Jahren entfachten die wilden Geschichten eines Freundes meine Leidenschaft für das Eisklettern und wenige Jahre später kam das Drytooling* dazu. Nachdem ich dreimal selbst die Bergrettung benötigte, dachte ich, dass dies ein interessanter Beruf wäre. Mit 28 Jahren wurde ich so professioneller Bergretter und zwei Jahre später zusätzlich Bergführer. In der Zeit habe ich viele neue Routen erschlossen und wiederholen können. Dann bin ich drei Jahre im Weltcup geklettert. Ich bin viel gereist, um diese Leidenschaft zum Eis- und Mixedklettern auszuleben, beispielsweise nach Kanada, Norwegen, USA und Schottland.

Was macht für dich die Faszination am Eisklettern aus?

Beim Eisklettern ist man frei, hat viele Möglichkeiten und muss nicht einer vorgegebenen Linie folgen. Man schätzt die Lage ein und trifft vor Ort Entscheidungen auf Grund der herrschenden Bedingungen. Ich liebe es besonders, in Gletscherformationen zu klettern, da kann man seine Linie total beliebig wählen. Das Drytoolen war Anfangs ein Training für das Eisklettern und ist mittlerweile ein eigener Sport. Das Klima hat sich meinen Beobachtungen nach schon stark verändert und manch steile Eisfälle sind ohne Drytool-Passagen – also Felspassagen – nicht kletterbar. Außerdem eröffnet das Klettern im Fels mit Pickel und Steigeisen ganz neue Möglichkeiten.

Was würdest du jemanden raten, der mit dem Eisklettern beginnen möchte?

Für den Anfang empfehle ich einen Guide zu nehmen. Eisklettern ist komplex und man muss es immer in seiner Gesamtheit betrachten. Es gilt nämlich nicht nur, den gefrorenen Wasserfall an sich zu klettern, sondern man muss auch alpine Gefahren richtig beurteilen können. Man muss den gesamten Berg und äußere Einflüsse betrachten. Zum Beispiel: Wie entwickeln sich die Temperaturen und das Wetter? Wo ist die logische und sichere Linie? Wie sieht es mit Gefahr von oben aus? Man muss das gesamte Einzugsgebiet beachten. Oft wird vergessen, dass beim Eisklettern durchaus Lawinengefahr besteht. Man sollte also immer die entsprechende Ausrüstung dabei haben. Der Eispark bietet hier perfekte Möglichkeiten, um in relativ sicherem Gelände mit dem Eisklettern zu beginnen oder seine Technik zu verbessern. Es gibt Touren von leicht bis schwer und man kann sich hier gut steigern, bevor es in richtige Wasserfälle geht.

Jeff, du hast am Festivalwochenende einen Vortrag gehalten und Kletterer im Eispark gecoacht, bist aber früher angereist, um die Gegend zu erkunden. Wie hast du die Zeit verbracht?

Als Vittorio Messini mich eingeladen hat, war es mir wichtig, dass ich gleich noch etwas Zeit anhängen kann. Ich liebe es, Neues zu entdecken und mit Locals zu klettern. Momentan wohne ich mit meiner Familie in Korsika, wo wir für vier Jahre bleiben werden. Da ist es schön, Berufliches und Privates zu verbinden und wieder mal in den Winter abzutauchen. Ich habe im Tauernhaus gewohnt, wo ich vor allem für das tolle Frühstück schwärme. Dann war ich Mixed- und Eisklettern in Osttirol, Heiligenblut und am Felbertauern Nordportal.


*Drytooling: Eine Form des Kletterns, bei der Eispickel verwendet werden, um Felsen zu besteigen, die nicht mit Schnee oder Eis bedeckt sind. Es hat seine Ursprünge im Mixed-Klettern, Eisklettern und in jüngerer Zeit im Sportklettern.

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