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Xenobots: Die biologischen Mikro-Roboter kommen!

Lebende Maschinen aus Froschzellen öffnen Perspektiven und werfen ethische Fragen auf.

Wissenschaftler der University of Vermont, der Tufts University und des Wyss Institute for Biologically Inspired Engineering der Harvard University haben eine völlig neue Form der biologischen Reproduktion entdeckt, die sich von allen der Wissenschaft bekannten Tieren oder Pflanzen unterscheidet. Damit gelang den Forscher:innen ein Durchbruch, dessen Konsequenzen heute noch nicht abschätzbar sind. Die Rede ist von „Xenobots“ die aus den Stammzellen des afrikanischen Krallenfrosches (Xenopus laevis) gebildet werden und weniger als einen Millimeter klein sind. Die Vorsilbe „xeno“ – abgeleitet von griechisch xénos, was so viel bedeutet wie „Gast“, „Fremder“ – weist darauf hin, dass die zu einem Organismus zusammengefügten Zellen andere Funktionen erfüllen können, als die ursprünglich in ihrem genetischen Bauplan vorgesehenen. Die winzigen Kleckse wurden erstmals im Jahr 2020 präsentiert, nachdem Experimente gezeigt hatten, dass sie sich bewegen, in Gruppen zusammenarbeiten und sich selbst heilen können. Doch nun haben die Wissenschaftler an den Xenobots eine völlig neue Form der biologischen Reproduktion entdeckt, die die Grenzen des Erwartbaren überschreitet und nicht nur im Internet für rege Diskussionen sorgt. Die Fähigkeit sich fortzupflanzen und zu replizieren hat sich über Jahrmillionen in vielen verschiedenen Formen entwickelt: sexuelle Fortpflanzung, Knospung, Spaltung etc. Diese vielfältigen Prozesse haben jedoch eine gemeinsame Eigenschaft: Alle beinhalten Wachstum innerhalb oder auf dem Körper des Organismus. Im Falle eines Xenobots sieht die Replikation jedoch ganz anders aus. Die Forscher fanden heraus, dass, wenn sie genügend Xenobots in unmittelbarer Nähe zueinander in einer Petrischale platzierten, eine kollektive Bewegung begann. Die losen Froschzellen aus der Lösung begannen sich anzuhäufen. Sobald genügend dieser Zellen gestapelt waren, wurde der aggregierte Haufen von etwa 50 Zellen zu einer Art Nachkommen des Xenobot-Organismus. Er war fähig, selbst zu schwimmen und seinen eigenen Nachwuchs anzuhäufen!
Links: Ein Computer rechnet die Varianten für die möglichst effiziente Platzierung einzelner Haut- und Herzmuskelzellen des afrikanischen Krallenfrosches (Xenopus laevis) durch. Rechts der nach dem berechneten Modell konstruierte Xenobot aus lebenden Zellen, der sich bewegen und reproduzieren kann. Foto: Sam Kriegmann/Wikicommons, License: CC BY-SA 4.0.
Das Phänomen, das als „spontane kinematische Selbstreplikation“ bezeichnet wird, wurde in anderen Arten von molekularen Maschinen und Modellen, aber noch nie zuvor bei lebenden mehrzelligen Systemen wie den Xenobots beobachtet. Auf sich allein gestellt, überlebt ein Xenobot eine weitere Generation. Um den „Roboter“ effizienter zu gestalten, wendete das Forschungsteam künstliche Intelligenz an. Ein Supercomputer errechnete die möglichst effiziente Platzierung der einzelnen Zellen und schlug eine C-förmige Konfiguration vor, um das Sammelverhalten möglichst effektiv zu gestalten. Tatsächlich kann sich dieser Cluster aus tierischen Haut- und Herzmuskelzellen durch kontinuierliches Pulsieren auf eine einfache und eingeschränkte Art fortbewegen. Ein wenig erinnert das Ganze an das Computerspiel ”Pac-Man“. Dabei reproduzierte der Cluster während seiner Wanderung selbstständig vier weitere Generationen an neuen Mikro-Robotern. Mit diesem wissenschaftlichen Durchbruch sehen Forscher:innen für biologische Mikro-Roboter völlig neue Nutzungsmöglichkeiten. Denn Roboter, die sich selbst kopieren können, seien ein wichtiger Schritt hin zu Systemen, deren Bedienung keinen Menschen braucht, erklären die Wissenschaftler und skizzieren potenzielle Anwendungsgebiete in ferner Zukunft, beispielsweise die punktgenaue und sichere Abgabe von Krebsmedikamenten im Körper des Menschen oder die Reinigung der Ozeane von Mikroplastik. Während die Avantgarde der Forschungscommunity gebannt auf die lebenden Roboter blickt, muss die Politik ethische Fragen diskutieren. Mehrere Forschungseinrichtungen, darunter die Akademie der Wissenschaften, führen regelmäßig ein Monitoring von Zukunftsthemen für das österreichische Parlament durch und haben auch zu den Xenobots ein erstes Briefing erstellt. Darin wird beschrieben, worum es bei diesen biologischen Mikro-Robotern geht, was sie können und was die zentrale Frage ist: „Was sind Xenobots überhaupt und welchen Status hätten sie in unserer Gesellschaft? Erfüllen sie ausreichende Anforderungen, um als Lebewesen klassifiziert zu werden?“ Die Forscher sagen nein, doch die Entwicklung und damit auch die Diskussion hat erst begonnen.

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