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Wie ist es um die Vogelwelt auf dem Oberlienzer Schwemmkegel bestellt? Eine Antwort auf diese Frage lieferten zwei Osttiroler Ornithologen. Fotos: Christian Ragger

Wie ist es um die Vogelwelt auf dem Oberlienzer Schwemmkegel bestellt? Eine Antwort auf diese Frage lieferten zwei Osttiroler Ornithologen. Fotos: Christian Ragger

Oberlienzer Schwemmkegel aus der Vogelperspektive

Die Ornithologen Gattermayr und Ragger haben die Kulturlandschaft untersucht. Ein Nachtrag zum Vortrag.

Gedroschen voll war der Seminarraum der Stadtbücherei Lienz beim ersten Vortrag der NAGO (Naturkundliche Arbeitsgemeinschaft Osttirol) in diesem Jahr, als Matthias Gattermayr und Christian Ragger die Ergebnisse ihrer ornithologischen Untersuchung aus dem Jahr 2022 im Gebiet des Oberlienzer Schwemmkegels erstmals der Öffentlichkeit präsentierten. Auch dolomitenstadt.at war dabei.

Gattermayr und Ragger verglichen ihre letztjährigen Untersuchungsdaten mit jenen von 2002 und 1951, als bereits im selben Bereich ornithologische Begehungen durchgeführt wurden und spannten dabei für das Publikum einen spannenden Bogen von der Mitte des letzten Jahrhunderts bis heute.

Der Oberlienzer Schwemmkegel, an dem auch die Gemeinden Thurn, Gaimberg und Lienz Anteil haben, ist mit seinen Hecken, Feldern, Wiesen und Lesesteinmauern als reich strukturierte, halboffene Kulturlandschaft weit über Lienz hinaus bekannt. Selbst einige Professor:innen und Student:innen der Uni Innsbruck wurden von den Lebensräumen am Schwemmkegel angelockt.

Die beiden Vortragenden veranschaulichten zu Beginn, wie die drei Untersuchungen in den Jahren 1951, 2002 und 2022 durchgeführt wurden. „Während Josef Kühtreiber im Jahre 1951 das ganze Gebiet selbst alleine kartiert hat und über seine genaue Methodik leider wenig bekannt ist, wurden die Begehungen von 2002 und 2022 recht ähnlich durchgeführt“, weiß Ragger, 2002 selbst einer der federführenden Kartierer, zu berichten.

Insgesamt sieben Mal mussten im letzten Jahr die sechs ehrenamtlichen Kartier:innen ausrücken, davon einmal nachts, um etwaige Eulen zu erhorchen. Mit Fernglas, Gebietskarte, Fotoapparat und Handy ausgestattet wurde der Schwemmkegel untersucht, einige an ausgewählten Stellen montierte Horchboxen lieferten zusätzliche aufschlussreiche Vogelstimmen.

Sieben Mal schwärmten die Kartier:innen im vergangenen Jahr aus.

„Insgesamt haben wir 84 Vogelarten aufgenommen, davon 54 Brutvogelarten, 22 Durchzügler sowie 8 Nahrungsgäste wie etwa den Mauersegler“, erklärte Gattermayr. „Dank der Horchboxen konnten auch noch eine Wachtel und eine Rotdrossel aufgezeichnet werden, eine Waldohreule wurde anhand einer Rupfung bestimmt.“

Amsel, Kohlmeise, Buchfink, Mönchsgrasmücke und Co. wurden bei der aktuellen Zählung zwar auch erhoben, besonderes Augenmerk legten die Ornithologen aber auf naturschutzfachlich relevante Arten – also solche, die auch dem Wiesenvogelprojekt des Landes Tirol ein Anliegen sind. Gerade bei diesen Vogelarten wurde laut „BirdLife Austria“ in den letzten 30 Jahren ein Rückgang um bis zu 65 Prozent beobachtet. Zu diesen Arten zählt der Wendehals, der Neuntöter und die Goldammer, aber auch der Baum- und Wiesenpieper, Schwarz- und Braunkehlchen, Feldlerche und Wiedehopf sowie der Wachtelkönig und die Wachtel.

Die Felder auf dem Oberlienzer Schwemmkegel haben über Jahrzehnte an Fläche gewonnen.

Mit Luftbildern nahmen die Ornithologen zudem die Veränderung der Landschaft genauer unter die Lupe. Die verglichenen Fotos stammten aus dem Jahr 1880 sowie aus den letzten 20 bis 70 Jahren. So konnten Schlüsse auf die Auswirkungen der Landschaftsentwicklung auf den Vogelbestand gezogen werden.

Dabei ist interessanterweise zu erwähnen, dass sich die Landschaft des Schwemmkegels im Vergleich zu anderen Flächen rund um Lienz nur relativ wenig verändert hat. Etwas mehr Siedlungsdruck an den Rändern des Untersuchungsgebiets sowie eine leichte Abnahme der Waldflächen seien laut Ragger und Gattermayr zu beobachten. Auffallend sei jedoch, dass die Felder am Oberlienzer Schwemmkegel vergleichsweise kleinräumig erscheinen, diese jedoch über die letzten Jahrzehnte an Fläche gewonnen haben.

Doch nun zu den Ergebnissen der Untersuchung vom letzten Jahr, welche von der Abteilung Umweltschutz des Landes unterstützt wurde: Als Gewinner – zumindest in Oberlienz – hat sich laut Studie der Gartenrotschwanz erwiesen, der höchstwahrscheinlich durch die vermehrten Gärten der Siedlungen am Rande des Schwemmkegels einen geeigneten Lebensraum gefunden hat. Österreichweit wird das Vorkommen des Gartenrotschwanzes als stabil eingestuft.

Ebenfalls als relativ unverändert stellt sich das Vorkommen des Wendehalses, einer kleinen Spechtart, dar. Bei den beiden anderen im Gebiet vorkommenden und „relevanten“ Arten, dem Neuntöter und der Goldammer, deutet jedoch alles darauf hin, dass die Anzahl dieser Vogelarten auch am Schwemmkegel stark bis sehr stark abgenommen hat, was mit den Langzeitdaten von Birdlife im Einklang steht.

Beide Arten benötigen neben Hecken als Rückzugsraum und Büschen als Ansitzwarten auch offene Böden mit artenreichen Pflanzen- sowie Insektenvorkommen, um genügend Nahrung finden zu können. Noch schlechter bestellt ist es um die Feldlerche oder den Baumpieper. Diese seien laut Gattermayr mittlerweile vollkommen aus dem Lienzer Talboden verschwunden.

Die beiden Vogelexperten, die beim Landschaftsplanungsbüro Revital arbeiten, hatten aber auch einige Vorschläge auf Lager, um die Lebensräume und damit auch die Biodiversität zu erhalten. So erwarten sie sich von der Politik einen sparsameren Umgang mit Boden und somit eine Eindämmung der Siedlungsentwicklung.

Touristisch könnten sich die Experten eine noch bessere Bewerbung der Sonnenwege vorstellen, um dadurch Bewusstsein für diese wertvollen Kulturlandschaften zu schaffen. Auch ein eigenes Bio-Sonnenbrot schwebt den Ornithologen vor, dessen Korn auf den Getreidefeldern des Schwemmkegels seinen Ursprung finden könnte.

Die Ornithologen ermutigen die Landwirte, die Lesesteinmauern am Schwemmkegel zu pflegen...
...um damit wertvolle Lebensräume zu erhalten und die Biodiversität zu fördern.

Von den ansässigen Landwirt:Innen wünschen sie sich weniger Gülle auf den Wiesen, mehr Mut zur Unordnung sowie hier und dort Brache- oder Blühstreifen. Auch die wertvollen Hecken und Lesesteinmauern am Schwemmkegel seien zu pflegen. Für derartige Maßnahmen werden die Landwirt:innen mit ÖPUL-Fördergeldern unterstützt. Bei Interesse müssen sich die Bauern nur bei der Förderstelle der Abteilung Umweltschutz des Landes melden.

Vor allem die Entwicklung hin zur intensiven Grünlandwirtschaft machten die Biologen abschließend als Hauptursache für den Verlust der Artenvielfalt verantwortlich. Dem zustimmend meldete sich auch Naturschutz-Urgestein Wolfgang Retter zu Wort und erzählte als Zeitzeuge von einstigen Schulexkursionen rund um Lienz, wo noch ganze Gruppen von singenden Feldlerchen beobachtet wurden.

Der Naturbezug sei da, so Ragger: „Zumindest bei den Leuten, die man während der Kartierungsgänge trifft.“ Je ursprünglicher und vielfältiger ein Lebensraum sei, desto wertvoller würde er von den Menschen auch als Erholungsraum empfunden. Der Vortrag endete mit einzigartigen Bildern vom Oberlienzer Schwemmkegel und weckte zumindest bei den Zuhörer:Innen das Bedürfnis, diese einzigartige Landschaft und ihre Biodiversität zu erhalten und zu fördern. Diese wollen wir den Leser:innen von dolomitenstadt selbstverständlich nicht vorenthalten:

Petra Heinz-Prugger ist Naturpädagogin bei natopia, Nationalparkrangerin und Wiesenvogelbeauftragte des Landes Tirol. Bewusstseinsbildung für Natur- und Umweltschutz – besonders bei jungen Menschen – ist ihr eine Herzensangelegenheit.

2 Postings

wolf_C
vor einem Jahr

''So erwarten sie sich von der Politik einen sparsameren Umgang mit Boden und somit eine Eindämmung der Siedlungsentwicklung.'' - da können sie lang warten, die Ösi-Bürgermeister betonieren von Rekord zu Rekord

''Vor allem die Entwicklung hin zur intensiven Grünlandwirtschaft machten die Biologen abschließend als Hauptursache für den Verlust der Artenvielfalt verantwortlich.'' - na geh, die Genossen und ihr Minister reissen sich doch eh den A... auf für eine gute Versorgung von Pharma und Co

 
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Anna Maria Kerber
vor einem Jahr

Vielen Dank für die wunderbaren Aufnahmen, in der die Bedeutung der Artenvielfalt so schön ins rechte Licht gerückt wird.

 
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