Wir gehen dieses Mal auf Spurensuche! Nicht in den Archiven der Classic-Rock-Götter, sondern dort, wo neue Gitarrenmusik heute entsteht: in kleineren Studios, überdrehten Proberäumen und auf Bühnen, auf denen sich Bands ihre Identität noch Nacht für Nacht erspielen müssen. Die Frage ist simpel: Gibt’s 2025 wirklich noch gute Rockmusik von jungen Bands? Die Antwort könnte in dieser Folge deutlicher ausfallen, als viele vermuten.
Geese aus New York liefern mit „Getting Killed“ ein Album, das sich weigert, brav oder herkömmlich zu sein. Die Band rund um Sänger und Frontmann Cameron Winter verdichtet auf ihrem neuen Projekt Art-Rock, psychedelische Elemente und klassischen Indie-Rock zu einem fiebrigen Strom. Aufgenommen in nur zehn Tagen mit Produzent Kenny Beats, kommt vieles sehr roh, spontan und bewusst überladen daher. Winter agiert in seinem Gesang theatralisch – mal charmant, mal auch durchaus anstrengend – worin sich die Geister scheiden: Für die einen ist diese Stimme der überspringende Energiefunke, für die anderen eher Sand im Getriebe. Unstrittig ist jedoch die Energie, mit der Geese ihr Material nach vorn prügeln. Der Titeltrack „Getting Killed“ bündelt wechselnde Tempi und nervöse Breaks – durchaus riskant und lebendig, was zeigt, wie Rock klingen kann, wenn man die Zügel löst. Das hören wir uns näher an.

Aus New York führt die Spur weiter nach Dublin, wo Sprints gerade mit beeindruckender Schlagzahl arbeiten. Ein Jahr nach dem Debüt „Letter to Self“ erscheint schon das zweite Album „All That Is Over“. Die Band um Karla Chubb klingt merklich größer und dichter, kanalisiert Wut nicht mehr nur in direkter Rohheit, sondern lässt auch Luft und zeigt Fortschritte, wird grungig oder fast schon shoegazig, ohne die Punk-Prinzipien zu vergessen. Vor allem die Albummitte stellt eine wahnsinnige Abfolge von geordnet hektischen Songs dar, die kein Bremspedal kennen. Sprints spielen mit Dynamik, können Spannung aufbauen und in einer explosiven Befreiung auflösen. Sowohl Sprints als auch Geese zählen definitiv zu den spannendsten Genrevertretern der Gegenwart.
Umgekehrt ist Robert Plant seit Jahrzehnten Referenzfigur, wenn es um Rock geht. Die Led Zeppelin-Legende meldet sich mit seiner Band Saving Grace zurück und hat ein Album mit Neuinterpretationen unterschiedlicher Lieder (u. a. von Memphis Minnie, Blind Willie Johnson oder Low) gemacht. Dabei vereint er einiges seiner musikalischen DNA: Folk, Blues, Americana. Stimmlich klingt der 77-Jährige dabei wie immer – was schlicht beeindruckend ist. Auch in dieses Album hören wir hinein.

Wer es radikaler mag, landet bei jemandem wie Geordie Greep. Der frühere Black-Midi-Frontmann hält auf seinem 2024 erschienen Solo-Album „The New Sound“ nicht viel von konventionellen musikalischen Normen. Er lässt sich in kein Genre drängen, experimentiert mit unterschiedlichen Genres, Singmustern und Melodien. Avantgarde-Rock trifft auf jazzige Arrangements, immer wieder gibt er sich einem kontrollierten Chaos hin, mit exzentrischem Gesang oder dissonanten Gitarren und Bläsern, bei galoppierender Percussion. Sein Sound ist sicherlich herausfordernd und verlangt Aufmerksamkeit und Zeit, belohnt aber Hörer:innen mit einem wuchtigen Klangerlebnis.
Außerdem noch in dieser Ausgabe: Die Ötztaler Sängerin Nenda mit ihrer neuen Single „Alone“. Dort zeigt sie sich von einer neuen Seite, vereint einen gesungenen Refrain mit lässig gerappter Strophe auf einer einnehmenden Gitarrenmelodie. Introvertierter als ihre bisherigen Lieder, aber in der Aussage nicht weniger klar.
Und weil Pop in dieser Ausgabe trotzdem nicht ausgeklammert wird, starten wir auch mit Taylor Swift in die Episode. „The Life of a Showgirl“, das zwölfte Album des Superstars, ist erschienen, und setzt auf Sicherheit statt Risiko. Außerdem hat sie mit ihrem Lied „Actually Romantic“ schon für Diskussionen gesorgt, da sehr viele Hörer:innen und Kritiker:innen den Song als Seitenhieb in Richtung Charli XCX lesen. Das muss auch besprochen und angehört werden.
Viel Freude mit der neuen Episode - über Kommentare würden wir uns freuen.
Unser Podcast ist lizenziert durch AKM und AUSTRO MECHANA.
Tracks der Ausgabe:
Taylor Swift - The Life of a Showgirl
Taylor Swift - Actually Romantic
Geese - Trinidad
Gesse - Getting Killed
Sprints - Descartes
Sprints - Something's Gonna Happen
Robert Plant - Everybody's Song
Geordie Greep - Holy, Holy
Nenda - Alone
5 Postings
Wet Leg nicht vergessen: Das Duo von der Isle of Wight zeigt seit dem Debüt 2022, wie scharfkantiger Indie-/Post-Punk und Humor zusammengehen. „Chaise Longue“, „Wet Dream“ und „Ur Mum“ liefern pointierte Gitarrenhooks, live noch zupackender – ein schönes Gegenbeispiel für alle, die 2025 an junger Rockenergie zweifeln. Unbedingt erwähnenswert: 2022 coverte Harry Styles in der BBC Radio 1 Live Lounge ihren Hit „Wet Dream“ – prominenter Ritterschlag. 2023 nahm er Wet Leg als Support auf Teile seiner Love On Tour und holte sie u. a. in Lissabon auf die Bühne; gemeinsam spielten sie „Wet Dream“ (und „Daylight“). Playlist-Tipp: „Chaise Longue“ → „Wet Dream“ → „Ur Mum“.
Yes, Wet Leg sind super, das zweite Album war ziemlich interessant, weil sie da plötzlich doch recht verliebt waren. Deshalb sind aber trotzdem noch typisch ironische, dann aber wieder sehr zärtliche Texte entstanden. Ich hab "Moisturizer" jedenfalls ziemlich gut gefunden (und auch reviewed). In knapp zwei Wochen kommt dann das neue Album von The Last Dinner Party, da sind die Singles auch schon wieder sehr vielversprechend. Freu mich drauf!
Und noch ein Vorschlag: The Big Push (Brighton). Nach spontanen Reunion-Busking-Sessions im Sommer 2025 in Brighton und frischem Archiv-Material (das komplette Brighton-Dome-Konzert 2022 ist jetzt offiziell online) wirkt die Band wieder in Bewegung – offiziell sind aber weder Tour noch Release bestätigt. @Martin: Hast du dazu mehr gehört – vielleicht Hinweise auf EP oder Termine?
@Toni, ja anscheinend nehmen die jetzt im Oktober ein Album auf. Ren hat das zumindest während einer Session so gesagt.
Gibt es noch gute Rockmusik? Natürlich, man muss sie nur abseits des Mainstream suchen. Hier meine 10 Bandtipps: The Elephant Man - Redemption (2025) + Sinners (2022) Bloom - Hangover (2024) O.R.k. - Firehose Of Falsehoods (2025) und alle vorherigen Alben, die Supergroup (mit Pat Pastellotto (King Crimson), Colin Edwin (ex Porcupine Tree), LEF -Lorenzo Esposito Fornasari und Carmelo Pipitone (Marta Sui Tubi) OvO - Gemma (2025) Black Metal Geese - Getting Killed (2025 Daron Malakian - Addicted To The Violence (2025) Metal Miley Cyrus - Something Beautiful (2025) mit David Byrne Jo Quail - Notan (2025) Tian Qiyi & Jah Wobble - Songs For Workers (2025) Anna Von Hausswolff - Stardust / The Whole Woman (2025) Single, Album folgt. Beste Grüße aus Kufstein.
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