„Hallo Tagebuch, ich schlafe viel besser!“, schreibt Isabel. Damit ist sie nicht allein. Ihre Klassenkamerad:innen, die wie sie am 29. September ihre Handys ausgeschaltet und für drei Wochen abgegeben haben, kamen im Laufe des Entzugsprojekts zu ähnlichen Erkenntnissen. Auch die Eltern der 13 teilnehmenden Schüler:innen haben dies bemerkt und berichten, dass ihre Kinder besser durchschlafen.
„Diese Beobachtungen wundern mich eigentlich gar nicht“, so Georg Wille, Facharzt für Neurologie in Lienz. Seit 2013 führt er seine Praxis in der Muchargasse. Hinter seinem Schreibtisch strahlt Wille völlige Ruhe aus, als könne ihm die Hektik des Tages nichts anhaben, während er von alarmierenden Studienergebnissen erzählt. Mehrere Forschungen der letzten Jahre kamen zu dem Ergebnis, dass die abendliche Handynutzung das Schlafverhalten von Kindern und Jugendlichen beeinträchtigt, ja sogar verschlechtert.
„Die wissenschaftlichen Studien sind sich eigentlich alle einig, dass in den letzten zwei, drei Stunden vor dem Schlafengehen auf jeden Fall aufs Handy verzichtet werden sollte, um ein ungestörtes Einschlafen zu ermöglichen.“
Georg Wille, Facharzt für Neurologie
Auswirkungen haben das emittierte Blaulicht, elektromagnetische Strahlungen sowie Reize, die das Entspannen erschweren. „Die wissenschaftlichen Studien sind sich eigentlich alle einig, dass in den letzten zwei, drei Stunden vor dem Schlafengehen auf jeden Fall aufs Handy verzichtet werden sollte, um ein ungestörtes Einschlafen zu ermöglichen“, betont Wille.
Das Stichwort ist Melatonin, das natürliche Hormon, das der Körper bildet, wenn über die Augen weniger Licht ins Gehirn gelangt. Das Gehirn registriert die einsetzende Dämmerung und signalisiert: Es wird Nacht. „Melatonin wird ausgeschüttet, wodurch die Körperfunktionen heruntergefahren werden und wir gut einschlafen können“, erklärt der Facharzt. Blaulicht stört diesen natürlichen Prozess. Es ist Teil des sichtbaren Lichts, das sowohl in der Sonne als auch in modernen Displays vorkommt. Handy, Tablet und Fernseher täuschen sozusagen den Körper, dass es noch Tag ist und erschweren so das Einschlafen. Wissenschaftlich betrachtet führt Blaulicht „zu einer Unterbrechung oder zu einer verminderten Produktion und Ausschüttung von Melatonin“.
Wille nennt zudem den Druck, ständig erreichbar zu sein, als Störfaktor. Auch das abendliche Scrollen durch Social Media oder das Versenden von Nachrichten verhindert, dass man zur Ruhe kommt. „Und der dritte Aspekt aus meiner Sicht ist auch die elektromagnetische Strahlung“, sagt Wille und ergänzt: „Wenn das Handy sich in der Nähe des Kopfes, am Nachttisch oder teilweise auch unter dem Polster befindet, bringt das Prozesse im Körper, die für das Einschlafen wichtig sind, durcheinander.“
„Und der dritte Aspekt aus meiner Sicht ist auch die elektromagnetische Strahlung.“
Georg Wille, Facharzt für Neurologie
Schlechter Schlaf hat vielfältige Folgen. Betroffene leiden unter Konzentrationsstörungen, Lernschwierigkeiten, nachlassender Aufmerksamkeit und erhöhter Ablenkbarkeit. Das sind alles sichtbare Auswirkungen. Aber auch verborgen im Gehirn wirkt sich die Handynutzung aus, indem – wie erwähnt – Prozesse durcheinander gebracht werden. „Prinzipiell muss man sagen, dass das Gehirn bis zum 20. Lebensjahr oder sogar darüber hinaus noch reift. Und je jünger das Gehirn ist, umso empfänglicher ist es eigentlich für negative Strahlung und negative Inhalte.“
Bei Wille zu Hause liegt abends ein Buch auf dem Nachttisch. „Also ich bin jemand, der das Smartphone eher selten oder wenig nutzt und auch sehr wenig in den Sozialen Medien unterwegs ist. Abends lese ich.“ Bringt eine Leselampe die Melatoninproduktion nicht durcheinander? „Nein. In Untersuchungen hat man gesehen, dass Blaulicht von den Bildschirmen einen größeren Einfluss ausübt, als zum Beispiel eine normale Nachttischlampe.“
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