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Bedingte Strafen nach Tod von 84-jähriger Stribacherin

Landesgericht sah Schuld durch fahrlässige Tötung, jedoch kein Verbrechen durch Quälen.

Bestmöglich gepflegt bis zum Schluss oder gequält und vernachlässigt bis zum Tod? Diese Fragen standen im Zentrum der Anklage gegen eine 59-Jährige und ihren 31-jährigen Sohn aus Stribach, Gemeinde Dölsach, in Osttirol. Beide standen am Dienstag nach dem Tod der Mutter bzw. Großmutter vor dem Landesgericht in Innsbruck. Die Staatsanwaltschaft warf den beiden vor, den Tod der 84-jährigen Frau am 26. Mai nach einem Sturz in der Küche und einem darauf folgend, qualvollen achttägigen Martyrium am Küchenboden durch Quälen und Vernachlässigung herbeigeführt zu haben. Ein deutlich anders Bild bot sich am Donnerstag vor Gericht.

So gab der, nach eigenen Angaben, sehr zurückgezogen lebende 31-Jährige an, ein gutes Verhältnis zu seiner Großmutter gehabt zu haben. Am 18. Mai habe er ein „Rumpeln“ vernommen und habe seine Großmutter dann vor dem „Diwan“, auf dem sie sonst schlief, gefunden. Aus Angst, ihr Schmerzen zuzufügen und weil er nicht genug Kraft habe, konnte er sie nicht auf den eigentlichen Schlafplatz hochheben. Wie die Erstangeklagte bestätigte, habe man die bis auf ein paar blaue Flecken unverletzte Frau dann auf eine herbeigeschaffte Matratze gehoben. Dort habe sie die nächsten Tage verbracht, bis sie selbst nicht mehr darauf liegen wollte und auf eine Decke am Boden gewechselt sei.

Mutter und Sohn vor Gericht in Innsbruck. Foto: Dolomitenstadt/Steger

Die 59-Jährige schilderte Richter Paul Menardi und den beiden Schöffen, wie sie die Mutter in den Tagen bis zu ihrem Tod, gewaschen, gepflegt und mit Nahrung versorgt habe. Die Rettung riefen sie und auch ihr Sohn auf den ausdrücklichen Wunsch der 84-Jährigen nicht. Der 31-Jährige gab außerdem an, dass er annahm, dass die Mutter mit der Pflege seiner Großmutter zurechtkäme. Diese wiederum meinte, dass ihr schon aufgefallen sei, dass ihre Mutter immer weniger Nahrung und Wasser zu sich genommen habe. Die fehlende bzw. zu geringe Wasseraufnahme führte am 26. Mai schlussendlich auch zum Tod der Frau, wie Gerichtsmedizinerin Elke Doberentz während der Verhandlung feststellte.

Zudem konnte im Rahmen der Obduktion festgestellt werden, dass die Verstorbene bereits stark wund gelegen war, und zwar in einem Ausmaß, dass für die Behandlung bereits ein chirurgischer Eingriff notwendig gewesen wäre. Der Versuch der Tochter, das mit Bepanthen zu behandeln, habe hier nicht mehr geholfen. Dass die später Verstorbene nicht – wie von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen – gequält wurde, zeigte die Gerichtsmedizinerin jedoch auch auf. So habe der von der Polizei vorgefundene Kot am Körper der Toten wohl vom Todestag gestammt. Die Frau habe also nicht über mehrere Tage in ihren Exkrementen gelegen und wurde von der Tochter, wie geschildert, gewaschen.

„Wir haben unser Bestes gemacht“, meinte die erstangeklagte Tochter, während Verteidigerin Carolina Rautter das Gericht um einen Freispruch oder ein mildes Urteil für ihre beiden Mandanten bat. Nach rund einstündiger Beratung sprach das Gericht die beiden Angeklagten schuldig. Jedoch nicht in den von der Staatsanwaltschaft erhobenen Vorwürfen des Quälens und Vernachlässigens, sondern wegen grob fahrlässiger Tötung.

Es sei nicht die Aufgabe des Gerichts, Spekulationen anzustellen, so Richter Menardi. Das Beweisverfahren habe gezeigt, dass die 84-Jährige, die bis zum Sturzereignis selbständig ihre Dinge verrichten konnte, zumindest zu Beginn in der Lage gewesen wäre, aufzustehen. Sie sei also nicht wehrlos gewesen. Die Angeklagten hätten zwar versucht zu unterstützen, das sei aber viel zu wenig gewesen. Irgendwann sei klar gewesen, dass der Zustand zum Tod führen werde und dann hätte man Hilfe holen müssen. Das gelte auch für den Zweitangeklagten. Auch er sei ein erwachsener Mann, der irgendwann hätte sagen müssen, dass das so nicht weitergehen kann. Das sei aber nicht geschehen.

Da beide Angeklagten bisher unbescholten waren, verhängte das Gericht eine bedingte Freiheitsstrafe von vier Monaten für beide Angeklagte, sowie Geldstrafen in der Höhe von 960 bzw. 1200 Euro, wobei der Richter feststellte, dass der Strafrahmen zwischen drei und null Jahren liege. Da sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Verteidigung keine Stellungnahmen abgaben, ist das Urteil noch nicht rechtskräftig.

Michael Steger hat Politikwissenschaft studiert und arbeitet als freier Journalist in Innsbruck. Der versierte Reporter berichtet für Dolomitenstadt über aktuelle Themen rund um die Stadt- und Landespolitik.