Martina Walder, Direktorin der Sonderschule Lienz (ASO), ist diesen Sommer eher zufällig über einen Flyer zum Karl-Sartori-Preis gestolpert. Wenige Monate später, im November, gehörte sie zu den Preisträger:innen. Ihr Projekt „Sommerbetreuung für Kinder mit erhöhtem Unterstützungsbedarf“, das sie in Zusammenarbeit mit Sabine Bodner vom Osttiroler Kinderzentrum (OKZ) konzipiert hat, wurde mit 30.000 Euro gefördert. Für Walder hat der Preis aber eine weitaus größere Bedeutung als Prestige – er bedeutet echte Entlastung für Familien.

Vor der Leitung der ASO Lienz hat Walder u. a. 13 Jahre in inklusiven Settings gearbeitet. Viele Kinder profitieren davon, sagt sie. Doch die Direktorin weiß auch, wo die Grenzen liegen: Bei Kindern ohne Sprache, im Autismus-Spektrum, mit sehr schwachen kognitiven Fähigkeiten oder herausforderndem Verhalten. „Für sie wird es happig, vor allem, wenn jede Stunde ein anderer Lehrer kommt“, lautet ihr Fazit.
Der Lehrplan einer Sonderschule eröffnet mehr Freiheiten als in Regelschulen. Neben den üblichen Fächern wie Deutsch, Mathematik und Sachunterricht liegt der Schwerpunkt auf lebenspraktischem Training. In kleinen Klassen, betreut von mehreren Lehrkräften und Schulassistent:innen, wird gezielt auf die individuellen Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen eingegangen. Ein System, das funktioniert, im Sommer aber eine Lücke aufweist.
„Kinder mit erhöhtem Betreuungsbedarf gehen in den Ferien nicht mit den Freunden Radfahren, ins Kino oder ins Schwimmbad. Sie sind immer zu betreuen.“
Martina Walder
Neun Wochen Sommerferien können für Eltern sehr lang sein, besonders, wenn ihr Kind rund um die Uhr Pflege benötigt. Zwar fanden einzelne Kinder der ASO Lienz immer wieder Platz im Ferienangebot des OKZ und wurden von Schulassistent:innen der ASO begleitet, doch eine verlässliche Betreuung war nie garantiert. Das Konzept von Walder richtet sich daher bewusst an schwer beeinträchtigte Kinder ab sechs Jahren – sowohl aus Osttirol als auch aus den Oberkärntner Gemeinden im Drautal bis Berg und im Mölltal bis Stall. „Kinder mit erhöhtem Betreuungsbedarf gehen in den Ferien nicht mit den Freunden Radfahren, ins Kino oder ins Schwimmbad. Sie sind immer zu betreuen. Und da wollen wir eine Entlastung bieten“, erklärt Walder.
„Die Hauptrolle spielt das geeignete Personal“, betont die Direktorin und unterstreicht damit die Bedeutung des Preisgeldes, das größtenteils für Personalkosten verwendet wird. Noch bevor Walder das Konzept einreichte, fragte sie ihre Mitarbeiter:innen, ob sie im Sommer arbeiten möchten. Da die Bereitschaft groß war, wurde schnell klar: „Das geht sich aus.“ Ein Teil des Preisgeldes fließt zudem in Ausflüge. „Abwechslung ist dabei, keine Frage“, so Walder. Gleichzeitig bietet die ASO selbst genügend Möglichkeiten: Go-Karts, Räder, Dreiräder, ein Planschbecken, ein Spielplatz und für Schlechtwetter einen großen Turnsaal.
„Für mich bedeutet das das Ermöglichen von Teilhabe.“
Martina Walder
Das neu konzipierte Angebot soll ab dem 27. Juli vier Wochen lang ganztägig laufen. Die Betreuung findet von etwa 8.00 bis 16.00 Uhr im Gebäude der ASO Lienz statt und wird von den Schulassistent:innen der Einrichtung übernommen. Das Mittagessen wird gemeinsam mit dem OKZ organisiert und in der Volksschule Lienz Süd serviert. Die Anmeldung für die Sommerbetreuung ist unter direktion@aso-lienz.tsn.at sowie telefonisch unter 04852 62279 möglich.
Derzeit liegen Walder sechs Anmeldungen vor. Wie groß das Team schließlich wird, hängt davon ab, wie viele Kinder das Angebot nutzen und welche Bedürfnisse sie mitbringen. „Ich muss wissen, wie viele Kinder kommen und welche Unterstützung sie brauchen“, erklärt Walder. Manche benötigen eine 1:1-Betreuung, andere können auch in einer 1:2-Situation begleitet werden.
Auch wenn die Initiative für Walder derzeit viel zusätzliche Arbeit bedeutet, überwiegt für sie der positive Aspekt: „Für mich bedeutet das das Ermöglichen von Teilhabe.“ Teilhabe heißt für sie, dass Kinder auch im Sommer gemeinsam Erlebnisse haben können, unabhängig davon, wie viel Unterstützung sie brauchen. Das Sommerprojekt versteht sie deshalb nicht als Gegenmodell zur Inklusion. Es bietet Entlastung sowie Unterstützung, dort wo diese gebraucht wird. Ganz wichtig ist, dass die Kinder Freunde finden“, betont Walder, denn „Kinder mit vergleichbarem Entwicklungsstand sind entscheidend, damit echte Bindungen geknüpft werden können.“
Dass Inklusion dennoch ein zentrales Thema bleibt, wird deutlich, wenn Walder über den Schulalltag spricht: „Unsere Schwerstbehinderten-Klasse geht jeden Montag Nachmittag ins Kaffeehaus in der Stadt.“ Im Unterricht wird gezielt auf lebenspraktische Fähigkeiten geachtet. „Wenn die Kinder mit Messer und Gabel essen können und wissen, wie man sich benimmt, dann kann ich sie überallhin mitnehmen – und dann ist Inklusion möglich“, so Walder.
7 Postings
Mit Recht einen Preis gewonnen! Es ist sehr wichtig dass es Menschen gibt, die nicht nur reden, sondern handeln. Frau Walder dürfte zu diesen seltenen Exemplaren gehören.
...super Sache, win win Situation für Kinder und Eltern. Sehr herausfordernde Aufgabe für die Betreuer. Top :-)
@ruhigblut, ich bin entsetzt über den Daumen nach unten bei Ihrem Posting. Vielleicht könnte diese Person Ihre negative Haltung begründen? In meiner Kindheit, und das ist schon ziemlich lange her, hatte man gerade damit begonnen, Kinder mit Beeinträchtigungen nicht mehr zu stigmatsieren und zu verstecken. Ich dachte wirklich, dass diese Zeit vorbei ist - scheinbar aber doch nicht. Übrigens, so etwas, kann jeden treffen, der Kinder hat. Ein Unfall und das gesamte Leben ändert sich schlagartig!
...tja, jeder hat seine persönlichen "Freunde", berührt mich in solchen Fällen wenig....Wirklich wichtig ist, das Menschen wie Martina und alle die daran mitwirken die ihnen zustehende Wertschätzung erhalten. :-)
Schau, schau, der rote Daumen ist weg. Vielleicht doch nur vertippt, schön, danke!
@ isnitwahr...auch gut möglich..:-))
Na, dann scheint ja wieder alles in Ordnung zu sein! Trotzdem erinnert mich Ihr Post ("ich bin einfach nur entsetzt über die Nichtzustimmer! Habt ihr etwas gegen Menschen mit Beeinträchtigungen?") an eine Debatte, die nicht so harmonisch ausging.
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