Wortgewalt in Bilder fassen? Der Zeichner Lukas Kummer hat sich mit Erfolg an dieses Experiment gewagt. Foto: Meike Sudhoff

Wortgewalt in Bilder fassen? Der Zeichner Lukas Kummer hat sich mit Erfolg an dieses Experiment gewagt. Foto: Meike Sudhoff

Bernhards Leben – handgezeichnet
Bernhards Leben – handgezeichnet
Der Tiroler Illustrator und Comiczeichner Lukas Kummer gestaltete einen Teil der autobiographischen Schriften von Thomas Bernhard als Graphic Novels.

Die Ursache, Der Keller und seit kurzem auch Der Atem – drei der autobiographischen Werke von Thomas Bernhard hat Lukas Kummer bereits als Graphic Novels umgesetzt. Seit 2007 lebt der gebürtige Wipptaler in der deutschen Stadt Kassel, wo ihn das Studium der visuellen Kommunikation mit Schwerpunkt Illustration/Comic hin verschlug. Mittlerweile ist er dort selbstständig als Illustrator und Lehrbeauftragter an der Universität tätig. „Vom Comiczeichnen alleine könnte ich niemals leben“, schildert Kummer über seine Leidenschaft, die vorerst wohl auch ein Hobby bleiben wird, weil sich im deutschsprachigen Raum im Vergleich zu verkaufsstarken Ländern wie Belgien, Frankreich oder Japan noch keine richtige Comickultur etabliert hat. Graphic Novels sind nur eine winzige Nische im heimischen Buchmarkt.

Umso mehr hat Kummer mit dem österreichischen Residenzverlag einen Glücksfall erwischt, als dieser vor ein paar Jahren eine Ausschreibung für die illustrierte Umsetzung der autobiographischen Werke Thomas Bernhards veröffentlichte. „Bernhard ist schon lange Zeit einer meiner Lieblingsautoren“, so Kummer, der sich an seine erste Lektüre des österreichischen Schriftstellers in seiner Schulzeit erinnert: „Für eine Buchvorstellung wurde mir damals Thomas Bernhard zugeteilt. Ich habe mir dafür sein Werk Frost ausgesucht. Seitdem hat mich der Autor nicht mehr losgelassen“. Den Auftrag des Residenzverlags hat der Comiczeichner daher mit Begeisterung angenommen.

Für die zeichnerische Stilentwicklung der Thomas Bernhard-Reihe hat sich Kummer ein halbes Jahr Zeit genommen. „Es war mir wichtig, den originellen Schreibstil des Autos auch bildhaft darzustellen“. Die Texte mussten für die Graphic Novels auf ein Zehntel gekürzt werden. An den einzelnen Sätzen und der Chronologie wurde dabei kaum herumgepfuscht. „Ein respektvoller Umgang mit dem Originaltext war mir ein großes Anliegen“, so Kummer, der in Anbetracht der ernsten und schweren Themen in Bernhards Autobiographien eine Gestaltung in Grautönen angemessener empfand als eine farbenfrohe Umsetzung. „Außerdem unterstreicht Schwarz-Weiß auch den Charakter des Dokumentarischen, was sich im Falle einer autobiographischen Erzählung einfach besser eignet“. Demgemäß hat Kummer auch die Schrift selber entworfen, die jener einer Schreibmaschine gleicht.

Für eine möglichst originalgetreue Interpretation ist der Illustrator nach Salzburg gereist, wo auch die Werke Bernhards angesiedelt sind. Er hat die Stadt auf sich wirken lassen und sich dort Inspiration zum Zeichnen der Häuserfassaden und der Straßen geholt. Die sprachlichen Stilmittel Thomas Bernhards – Übertreibung und Wiederholung – bringt Kummer dabei zeichnerisch zur Geltung: Das ein oder andere Salzburger Gebäude hat dann beispielsweise zehn Stockwerke anstatt drei oder vier bekommen und auch die einzelnen, sich wiederholenden Bildfolgen unterscheiden sich oft nur minimal voneinander. „Da der Schreibstil durch die vielen Kürzungen in der Graphic Novel etwas verloren geht, bringe ich diese Elemente visuell durch meinen Zeichenstil wieder zurück“.

Die dargestellten Szenen wirken sehr distanziert: Kleine Figuren inmitten großer räumlicher Kulissen. Leere Gesichter ohne emotionale Regung. Zum einen bringt der Illustrator damit die kalte Stimmung der autobiographischen Werke Bernhards zum Ausdruck. Zum anderen hebt er dadurch klar den Text in den Vordergrund: „Gesichter lenken beim Lesen ab, weil Leser:innen dann anfangen, sich mit den Figuren zu identifizieren und Mimik und Gestik zu interpretieren. Wenn man das ausspart, bleiben die Leser:innen beim Text“, erklärt Kummer. „Die Bilder zum Text sind für mich in diesem Fall vergleichbar mit einer Begleitmusik zu einem Film“.

Dabei ist der Comiczeichner nicht der Meinung, dass seine Graphic Novels die Bücher von Thomas Bernhard ersetzen können. „Ich würde eher sagen, sie funktionieren als eigenständiges Medium. Sie bieten einen anderen Zugang zur Geschichte an“. Comics oder Graphic Novels vermitteln durch ihre mediale Verdichtung mehrere Informationen in kürzerer Zeit. Eine Kulisse beispielsweise muss nicht auf einer Seite schriftlich beschrieben werden, sondern wird mit einem Bild anschaulich. „Früher habe ich mich immer geweigert, zu sagen, meine Comics seien etwas für Lesefaule. Mittlerweile aber denke ich: Das könnte durchaus von Vorteil sein –  zum Beispiel für Schüler:innen, um leichter Zugang zu Thomas Bernhard zu finden“.

Zwei weitere Werke aus der autobiographischen Reihe Bernhards (Die Kälte und Ein Kind) sind noch ausständig. Bis dahin zeichnet und schreibt Lukas Kummer an seinen eigenen Comic-Projekten, die dem Genre Science-Fiction zugeordnet sind. Prinz Gigahertz ist bereits im Zwerchfellverlag erschienen, sein zweites Buch dieser Art wird im Februar veröffentlicht – in diesem Falle zur Abwechslung auch einmal in Farbe.

Credits
  • Autorin: Brigitte Egger
  • Fotografie: Meike Sudhoff
  • Illustrationen: Lukas Kummer

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