Als Torfpionier ist der Mittlere Sonnentau (Drosera intermedia) auf Hoch- und Übergangsmoore beschränkt.

Als Torfpionier ist der Mittlere Sonnentau (Drosera intermedia) auf Hoch- und Übergangsmoore beschränkt.

Botaniker suchen „Nadel im Heuhaufen“
Botaniker suchen „Nadel im Heuhaufen“
Die Hälfte aller in Österreich bekannten Pflanzenarten sind auch im Bezirk Lienz vertreten. Weitere Spezies zu finden ist Detektivarbeit.

Trotz seiner vergleichsweise geringen Flächengröße von rd. 2000 km² besitzt Osttirol eine bemerkenswert vielfältige, artenreiche Pflanzenwelt. In der 2008 erschienenen „Exkursionsflora von Österreich“ wird angeführt, dass 1.717 Arten an wildwachsenden Farn- und Blütenpflanzen im Bezirk Lienz vorkommen. Aufgrund zahlreicher Neuentdeckungen in den letzten Jahren gehen Biologen bei Revital und beim Verein NAGO inzwischen von einer Zahl von rd. 2.000 Arten für Osttirol aus. Damit wäre fast die Hälfte aller in Österreich bekannten Pflanzenarten auch im Bezirk Lienz zu finden.

Neben diesen beeindruckenden Zahlen und floristischen Neufunden der letzten Jahre gibt es allerdings auch etliche Pflanzenarten, deren Vorkommen in älteren Quellen für Osttirol genannt wurde und von denen derzeit nicht bekannt ist, ob sie noch immer in Osttirol gedeihen oder bereits als „ausgestorben“ bzw. „verschollen“ zu werten sind. Nicht selten handelt es sich dabei um generell seltene Pflanzen der mitteleuropäischen Flora, die als Rote-Liste-Arten überregional gefährdet und daher von besonderer Naturschutzrelevanz sind.

Zur Abklärung des aktuellen Status solcher Arten wurde im Jahr 2018 von der Abteilung Umweltschutz des Amtes der Tiroler Landesregierung ein tirolweites zweijähriges Nachsuche-Projekt in Auftrag gegeben. Dabei suchen erfahrene Botaniker an den historisch überlieferten Wuchsorten diese Pflanzen in der Hoffnung, die eine oder andere Art tatsächlich wiederzufinden. Neben sehr guten Fachkenntnissen der Kartierer, insbesondere zur Biologie, Blütezeit und zur Lebensraumbindung dieser Arten, kommen zum Teil mühsame „detektivische“ Methoden und Vorarbeiten zum Einsatz. Diese können vertieftes Quellenstudium, Recherchen in privaten und öffentlichen Herbarien, genaues Kartenstudium oder Befragung von Gebietskennern umfassen.

Die Blut-Fingerwurz (Dactylorhiza cruenta) kommt in Österreich fast nur in Osttirol und hier um Matrei in Kalkniedermooren vor.

Der seltene Purpur-Blauwürger (Phelipanche purpurea) konnte 2018 im Virgental an zwei Stellen wiedergefunden werden.

Für Osttirol stehen rund 60 Farn- und Blütenpflanzen zur Nachsuche auf dem Programm. Die Liste spannt sich von Moorarten wie Rosmarinheide, Mittlerer Sonnentau oder Moor-Klee über Mager- und Trockenheitszeiger wie Sand-Blauwürger oder Berg-Sandglöckchen bis hin zu Arten von Wald- und Gebüschlebensräumen wie Hirschzungenfarn, Mondviole oder dem Wild-Apfel. Auch weltweit nur aus Osttirol bekannte Pflanzen wie der Polatschek-Rittersporn (benannt nach dem großen, schon verstorbenen Erforscher der Tiroler Pflanzenwelt Adolph Polatschek) oder der St.-Jakob-Rittersporn stehen zur erneuten Nachsuche an.

Während die Kartierarbeit in Nordtirol von der Universität Innsbruck in Zusammenarbeit mit dem Ferdinandeum betreut wird, werden die Nachsuchen in Osttirol vom Büro Revital übernommen. Vier ExpertInnen sind bei diesem Projekt im Einsatz. Im Jahr 2018 wurden im Bezirk Lienz bereits 27 Arten nachgesucht und immerhin acht konnten erfolgreich wiederbestätigt werden. Unter den wiedergefundenen Arten sind die seltene Blut-Fingerwurz, eine österreichweit fast nur in Osttirol wachsender Orchidee und der an Magerstandorte gebundene Purpur-Blauwürger als besonders auffällige Arten hervorzuheben. Heuer wird nochmals Ausschau nach 49 Arten gehalten, um dann die Ergebnisse des Projektes in einem Endbericht abzufassen.

Der St.-Jakob-Rittersporn (Delphinium elatum subsp. macrotepalum) ist nach der Deferegger Gemeinde benannt und ist weltweit nur vom Trojer Almtal bekannt.

Erst wenn dieser Endbericht vorliegt kann bilanziert werden, inwieweit der Biodiversitätsschwund sich auch im Bereich dieser Arten manifestiert. Die erzielten Ergebnisse und Erkenntnisse können unmittelbar Eingang in die praktische Naturschutzarbeit finden und zugleich Basis für eine weiterreichende Grundlagenarbeit, wie z.B. die Erstellung einer zeitgemäßen Roten Liste der Pflanzen Tirols darstellen. Apropos Rote Liste: Derzeit wird unter der Federführung der Universität Wien auch an der Erstellung einer neuen Roten Liste der Farn- und Blütenpflanzen Österreichs gearbeitet. Auch an dieser Bearbeitung sind Osttiroler Fachleute involviert, die Ergebnisse werden frühestens 2020 publiziert.

Abschließend noch ein Aufruf: Jeder, der interessante Pflanzennachweise aus Osttirol getätigt hat oder generelles Interesse an der heimischen Pflanzenwelt hat, kann sich bei uns melden! Mailadresse: oliver.stoehr@gmx.at. Auch Bestimmungsfragen zur Flora Osttirols – zum Beispiel anhand von Fotos – sind willkommen!

Credits
  • Autor: Dr. Oliver Stöhr
  • Fotografie: Dr. Oliver Stöhr

Ein Posting

miraculix
vor 5 Jahren

Ich hatte schon das Vergnügen, an Exkursionen der NAGO (Naturkundliche Gesellschaft Osttirol) teilzunehmen und kann das allen naturkundlich Interessierten wirklich empfehlen.

Freue mich schon auf das Programm für den nächsten Sommer!

 
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