Das Zentrum von Lienz in NS-Festbeflaggung. Foto: Markus Bibiza; Sammlung Stadtgemeinde Lienz, Archiv Museum Schloss Bruck

Das Zentrum von Lienz in NS-Festbeflaggung. Foto: Markus Bibiza; Sammlung Stadtgemeinde Lienz, Archiv Museum Schloss Bruck

Der Anschluss: Osttirol 1938 in Bildern
Der Anschluss: Osttirol 1938 in Bildern
Eine Zusammenfassung der Ereignisse in Osttirol rund um den 10. April 1938 mit Fotos und Unterlagen von Martin Kofler.

Martin Kofler kennt man in Osttirol, denn der Historiker ist ein Mann der Bilder und Geschichten. Und Geschichte wird anhand von Bildern immer lebendig und zugänglich. Anhand von persönlichen Erzählungen von Zeitzeugen wird sie sogar subjektiv greifbar.

Als wissenschaftlicher Leiter des Tiroler Archivs für photographische Dokumentation und Kunst verwaltet Martin Kofler „das kollektive visuelle Gedächtnis Osttirols und des Südtiroler Pustertales“, wie er es nennt. Seit 2011, als das TAP als Interreg-Projekt zwischen Italien und Österreich ins Leben gerufen wurde, sammelte, digitalisierte und dokumentierte der 46-jährige Lienzer Tausende von Fotografien in den beiden Zweigstellen Lienz und Bruneck. Publiziert wurde das umfassende historische Material in Ausstellungen, Büchern und Workshops. Zum 80. Jahrestag des Anschlusses verfasste Kofler einen Foto-Essay mit dem Titel „Der abseits gelegene Anschluss: Osttirol 1938“ in dem neu erschienenen Buch „1938 – Der Anschluss in den Bezirken Tirols“, das der Historiker Horst Schreiber im Innsbrucker Studien Verlag herausgab.

Wir haben die Ereignisse in Osttirol rund um den 10. April 1938 mit Fotos und Unterlagen von Martin Kofler noch einmal zusammengefasst.

Grußkarte, gerichtet an SA-Sturmführer und Bürgermeister Amand Trost, von Matreierinnen und Matreiern, die zum Auftritt Adolf Hitlers Anfang April 1938 extra nach Klagenfurt gereist waren.
Foto: Unbekannt; Sammlung Tobias Trost – TAP
Bis heute erhaltenes Deckenfresko der Pfarrkirche St. Jakob in Defereggen, geschaffen 1934/35 von Johann B. Oberkofler, der nicht nur Kaiser Karl (auf dem Pferd) verewigte, sondern auch ganz rechts stehend den von den Nationalsozialisten während des Juli-Putsches 1934 ermordeten Ständestaatskanzler Engelbert Dollfuß.
Foto: Martin Kofler; Archiv Martin Kofler

Nach dem traumatischen Verlust von Südtirol in den Jahren 1918/20, führten die durch die Wirtschaftskrise bedingten Zwangsversteigerungen vieler Osttiroler Bauernhöfe in den frühen 1930er Jahren zu einer politischen Radikalisierung, von der die religiös-konservative, Dollfuß-Schuschnigg verbundene Heimatwehr-Bewegung genauso profitierte, wie der Nationalsozialismus, der zu seiner „illegalen“ Zeit 1933 bis 1938 vor allem Anhänger im Lienzer Talboden, Matrei und Sillian hatte.

Kanzler Kurt Schuschnigg, der Nachfolger von Dollfuß, auf Besuch in Matrei in Osttirol, 1935 – unter massivem Druck Hitlers trat er am Abend des 11. März 1938 zurück. Die Deutsche Wehrmacht rückte am Tag darauf unter dem Jubel der Bevölkerung in Österreich ein.
Foto: Unbekannt; Sammlung Tobias Trost – TAP

Noch bevor – verspätet am 16. März 1938 – ein propagandistischer Festakt zum Anschluss Osttirols auf dem nun umgetauften „Adolf-Hitler-Platz“ mit 300 „Deutschen Polizisten“ und den neuen Granden der Politik stattfand, hatte man dort in den Abendstunden des 11. März mit einem NS-Fackelzug und einer anschließenden Kundgebung die Hoffnung auf eine wirtschaftliche Besserung, das Ende des verhassten autoritären und diktatorischen Ständestaates und die „Heimholung“ in ein starkes Deutsches Reich durch einen noch stärker scheinenden Führer gefeiert.

Der in Osttirol verspätete „Anschluss“ „von außen“: 300 Mann Deutsche Polizei am 16. März am bereits zum Adolf-Hitler-Platz umbenannten Lienzer Hauptplatz (deutsche Truppen trafen überhaupt erst am 22. März in Lienz ein).
Foto: Unbekannt; Sammlung Helena Eberle - TAP

Bereits am 14. März erschien die neue NS-Zeitung „Der Deutsche Osttiroler“. Die katholisch-konservativen „Lienzer Nachrichten“ wurden eingestellt.

Erste Ausgabe der neuen NS-Zeitung "Der Deutsche Osttiroler", 14. März 1938.
Foto: Archiv Martin Kofler
Offizieller Stimmzettel zum 10. April 1938.
Foto: Archiv Martin Kofler

Die am 10. April durchgeführte offizielle „Volksabstimmung“ über den Anschluss Österreichs und die Eingliederung in das Deutsche Reich war im Grunde eine Farce, weil beides schon beschlossen beziehungsweise vollzogen war. Dennoch wurde dafür in jedem noch so kleinen Dorf geworben. Den Höhepunkt dieser Propagandamaschinerie bildete der Auftritt von Adolf Hitler Anfang April in Klagenfurt, zu dem Tausende von Osttirolern pilgerten.

Das Zentrum von Lienz mit abendlichen Lichtinstallationen für ein möglichst hundertprozentiges „Ja“ zum bereits vollzogenen „Anschluss“ an das Großdeutsche Reich, März/April 1938.
Foto: Markus Bibiza; Sammlung Annemarie Horstkotte – TAP

Die Wahlversprechen hinsichtlich „Arbeit & Brot“, Bauernentschuldung, Bauprogrammen von lokalen Seilbahnen und Güterwegen, die Empfehlungen der Bischöfe und des sozialdemokratischen Staatskanzlers von 1918, Karl Renner, die propagandistische Instrumentalisierung Andreas Hofers sowie zahllose Parteiveranstaltungen innerhalb von nur vier Wochen bewirkten, dass 99,73 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen in Österreich und 99,3 Prozent der Tiroler Stimmen für den Anschluss an Deutschland votierten. Im Bezirk Lienz drückten die „Nein“- und ungültigen Stimmen besonders in Inner- und Außervillgraten sowie in Obertilliach und Abfaltersbach das Ergebnis auf 98,68 Prozent. Den Minus-Rekord mit „nur“ 73,7 Prozent „Ja“-Stimmen erzielte dabei österreichweit die Gemeinde Innervillgraten, wo 356 Bürger mit „Ja“ und 89 mit „Nein“ stimmten und 36 Personen ungültig wählten.

Vermeintliche Idylle eines religiös bestimmten Lichtbildes: Einheimische in Festtagskleidung, Beschriftung des Glaspositivs: „Ostern 1938 in Kals“. Der Ostersonntag 1938 war der 17. April, nur eine Woche nach der „Volksabstimmung“.
Foto: Oskar Paul Hausmann; Sammlung Maria Hausmann – TAP
Credits

Ein Posting

Vlad Tepes
vor 6 Jahren

Der Mut der Villgrater gehört viel mehr gewürdigt! Man kann Stolz sein auf diesen kleinen Lichtstrahl in dieser dunklen Zeit!

 
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