Der stille
Berg
Der stille Berg
Der Tiroler Regisseur Ernst Gossner inszeniert eine Liebesgeschichte mitten in der Sinnlosigkeit des Krieges. Die authentischen Bilder wurden zum Teil in Osttirol gedreht.

Anfang August begrüßte Martin Kofler, Leiter des Tiroler Archivs für Photografie einen besonderen Gast: Schauspieler William Moseley, weltbekannt durch das Fantasyepos „Die Chroniken von Narnia“. Der Engländer blätterte in Lienz beeindruckt in einer realen Chronik: einem Fotoalbum aus dem 1. Weltkrieg. Diese Bilder des Krieges und die unberechenbare Wucht der Gebirgsnatur wird Moseley nicht vergessen. Er ist Hauptdarsteller im Weltkriegsdrama „Der Stille Berg“, das im Februar 2013 in die Kinos kommt. Gedreht wurde zum Teil an Originalschauplätzen. Wie gefährlich die Bergwelt sein kann, erfuhr das Filmteam, als  während der Dreharbeiten auf 2.200 Metern am Valparolapass zwischen St. Kassian und Cortina ein schweres Gewitter aufzog. Moseley arbeitete an einer Szene in einer Hütte. Ein Knall. Plötzlich war alles stockdunkel und neun Personen brachen vom Blitz getroffen zusammen. Sie hatten Glück im Unglück und wurden großteils nur leicht bis mittelschwer verletzt. Schon einige Tage später wurde wieder gedreht, dennoch saß der Schock allen in den Knochen. „Ich habe Glück, dass ich noch am Leben bin“, twitterte William Moseley an seine Fans.

Einen Hauch von Hollywood verbreitete „Narnia“-Star William Moseley (oben)  am Set in Osttirol. Er spielt einen jungen Soldaten, der gemeinsam mit Lucas Zoogar und Felix Briegel (links) an die Dolomitenfront einrücken muss.

Regisseur Gossner war ebenfalls in der Hütte, als der Blitz einschlug. Nicht nur er fühlt sich an die historische Realität des Films erinnert, der einen Gebirgskrieg nachzeichnet, in den die Natur immer wieder mit brachialer Gewalt eingriff. In den Felsen der Dolomiten starben mehr Soldaten durch Kälte, Lawinen und Steinschlag als durch feindliche Kugeln. Gossner bewegt sich spürbar in einer Welt, die er kennt. Er machte den sinnlosen, zerstörerischen Stellungskrieg schon einmal zum Thema, in „Global Warning“ einem Dokumentarfilm, der die immer wiederkehrenden Muster der Kriegshetze  sichtbar macht. Das Drehbuch zum „Stillen Berg“ schrieb Clemens Aufderklamm, Gossner produziert selbst, gemeinsam mit Heinz Stussak und Reinhold Bilgeri. Viereinhalb Millionen Euro wurden für das Epos aufgetrieben, zum Teil aus Mitteln der touristischen Filmförderung, die sich nicht nur in Tirol sondern auch in Südtirol emsig um vermarktbare Leinwandpräsenz bemüht. Trotz Tourismusfördergeld wurde der „Stille Berg“ nicht zur klischeehaften Schnulze. Das zeigen auch die Bilder vom Set in Mittewald, für DOLOMITENSTADT fotografiert von Tobias Tschurtschenthaler. Bei manchem Heimatdrama vor Osttiroler Gebirgskulisse wird man das Gefühl nicht los, dass sich mancher Burgschauspieler mehr schlecht als recht als Bergbauer tarnt.

In einem Steinbruch bei Mittewald wurden einige Kriegsszenen gedreht. Mit dabei war als Kriegsveteran auch Osttirols Paradekomparse, Charly Egger.

Anders beim „Stillen Berg“, der auch ein Film über die Liebe ist. Moseley spielt einen jungen Tiroler, der auf der Hochzeit der Schwester eine Italienerin kennenlernt. Die beiden verlieben sich, doch das Glück ist kurz. Italien erklärt Österreich-Ungarn den Krieg und der Tiroler muss an die Front im Hochgebirge. In einem Steinbruch bei Mittewald wurden die Szenen gedreht, die wir hier im Magazin zeigen. Insider werden einige bekannte Gesichter entdecken, den Dölsacher Schauspieler Lucas Zolgar zum Beispiel und natürlich Osttirols Paradekomparsen, Charly Egger. Wie William Moseley haben auch wir im Anschluss an die Dreharbeiten das Tiroler Photoarchiv in Lienz besucht und Martin Kofler gebeten, uns vergleichbare Bilder von der Dolomitenfront zu zeigen. Im Vergleich sieht man sehr gut, wie sehr sich Regisseur Gossner um historische Detailtreue bemüht. Zeithistoriker Kofler vermittelte uns auch den geschichtlichen Hintergrund, vor dem sich das Filmdrama am „Stillen Berg“ abspielt, die Ereignisse des Jahres 1915. So wie im Film Moseley, Zolgar und der erst 14-jährige Innsbrucker Schauspieler Felix Briegel, mussten damals tatsächlich die Jüngsten an die Front im Gebirge. Viele kehrten nie zurück. Das Ergebnis dieses Krieges bleibt auch knapp hundert Jahre nach seinem Ausbruch prägend für die Geschichte und das Selbstbild Osttirols. Seit damals hat der Bezirk eine geografische Sonderstellung, die bis heute politische, wirtschaftliche und kulturelle Auswirkungen hat.

Der erste Weltkrieg

Sommer 1914. Lienz ist schwarz beflaggt und trauert – wie ganz Österreich-Ungarn – um Erzherzog Franz Ferdinand und seine Frau Sophie.

Dem Schock über die Ermordung des Thronfolgers in Sarajevo folgt ein militärischer Flächenbrand, der 17 Millionen Menschen das Leben kosten wird: der 1. Weltkrieg. Auch junge Osttiroler marschieren an die Fronten, kämpfen in Tiroler Kaiserjäger- und Landschützenregimentern in Galizien gegen Russland und auf dem Balkan gegen Serbien. Die Angst marschiert mit. Binnen kürzester Zeit sterben 10.000 Tiroler Soldaten, glühender Patriotismus und Kaisertreue weichen auf den Schlachtfeldern schnell der Ernüchterung.  Und der Krieg erreicht schließlich die Heimat. Am 23. Mai 1915 stellt sich Italien an die Seite der „Entente“ aus Russland, Frankreich und Großbritannien. Die Allianz stellt den Italienern ganz Südtirol bis zum Brenner in Aussicht. Aus dem Hinterland wird Kriegsgebiet. Die meisten Männer kämpfen zu diesem Zeitpunkt an den Fronten im Osten. Nur wer zu jung oder zu alt war, blieb zu Hause und muss jetzt auch an das Gewehr. Der Kaiser beordert Halbwüchsige und ältere Männer als „Standschützen“ an die Gebirgsfronten in den Dolomiten und in Kärnten. Sommer wie Winter wird dort in den folgenden dreieinhalb Jahren buchstäblich um jeden Felsen gekämpft. Mehr als 1.000 italienische Granaten regnen vom Kreuzberg auf Sillian nieder. Sexten wird hart getroffen. Der Ort muss komplett aufgegeben werden, erst 1918 kehren seine Bewohner wieder zurück. Im Sommer 1915 besetzen italienische Truppen den Porze-Gipfel, mit verheerenden Konsequenzen für Obertilliach, das mehrfach massiv beschossen wird. Beim schwersten Angriff im September 1917 brechen Brände im Ort aus, können aber gelöscht werden. Auch Kartitsch gerät unter Granatfeuer.

Das Tiroler Archiv für photographische Dokumentation und Kunst (TAP) digitalisiert und katalogisiert umfangreiche Sammlungen an historischem Bildmaterial aus der Region. Auch die Gebirgsfront im Ersten Weltkrieg ist mit einigen eindrucksvollen Sammlungen dokumentiert. Diese Bilder stammen aus der Sammlung des Werkmeisters Anton Triel. Er hat die Bilder 1915 und 1916 vor allem im Bereich des Frontabschnittes am Col di Lana aufgenommen.

Immer wieder beschießt die italienische Artillerie die Pustertalbahn, als wichtigen Transportweg für Kriegsmaterial. Gegen Ende des Krieges werden aus drei Flugzeugen Bomben auf den Lienzer Bahnhof abgeworfen. Zurück bleiben ein Toter und vier Verletzte. Im Oktober 1917 bannt die erfolgreiche „Südfront“-Offensive der k.u.k.-Streitkräfte die Gefahr eines italienischen Einfalls im Bezirk Lienz. Doch zunehmend breiten sich Hunger und Chaos aus. Die Standschützengruppe Pustertal etwa, im Mai 1918 aus den Bataillonen Sillian und Welsberg gebildet, steht bis zum Kriegsende im November des Jahres am Monte Pasubio an der Dolomitenfront und gerät erst dann aufgrund der widersprüchlichen Waffenstillstandsbedingungen in italienische Gefangenschaft. Bei Kriegsende beklagte das Sillianer Bataillon 60 Tote, von denen neun in Gefangenschaft starben.

Credits
  • Autor: Gerhard Pirkner
  • Fotografie: Tobias Tschurtschenthaler / Tirolarchiv für Photographie

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