Fünf Saxophone
in Bewegung
Fünf Saxophone in Bewegung
Sie treten bis zu 60 Mal im Jahr auf, spielen hunderte Songs ohne Noten und sind ein musikalisches Kollektiv, das einfach nicht stillsitzen kann: die fünf Perfektionisten des Osttiroler Blech-Ensembles SAXROYAL.

Es ist ein warmer Hochsommerabend und um das beeindruckende Halbrund der Piazza del Campo in Siena sind alle Cafés bis auf den letzten Platz gefüllt. Der Platz ist leicht abschüssig, hinunter zum Palazzo Pubblico, dem Rathaus der historischen Altstadt Sienas. Über dem Turm des Palastes funkeln die Sterne im toskanischen Nachthimmel und vor seinem Eingang nehmen fünf junge Männer fünf Saxophone aus ihren Koffern. Ein kurzer Blick, ein schnelles Einzählen und die Fünf legen los.

„Wir wussten nicht, was passieren wird“, erzählt Martin Karré, Lehrer am Lienzer Gymnasium und Mitglied von SAXROYAL, einem Osttiroler Blechblas-Ensemble der besonderen Art. „Plötzlich sind die Leute vor den Cafés aufgestanden und haben sich auf uns zu bewegt. Im Nu waren hunderte Menschen um uns herum und wir haben unsere drei Stücke zum Besten gegeben, mehr konnten wir damals noch nicht.“ Damals, das war Anfang der zweitausender Jahre, als die fünf Musiker mit ihren Frauen die Angewohnheit hatten, im Sommer immer für eine Woche ein Haus in der Toskana zu mieten, dort nach einem ausgiebigen Frühstück neue Musikstücke zu üben, sich den Rest des Tages dem dolce far niente hinzugeben und abends in den umliegenden Dörfern und Städten zu spielen, was man untertags geprobt hatte.

Klaus Schneeberger, Jakob Veider, Hubert Schneider, Wolfram Dullnig und Martin Karré (v.l.) sind SAXROYAL.

Seither ist viel Zeit vergangen und SAXROYAL ist eine Größe im heimischen Musikbusiness, auch wenn kaum jemand weiß, wie erfolgreich die fünf Blechbläser wirklich sind. Wolfram Dullnig, Klaus Schneeberger, Jakob Veider, Hubert Schneider und Martin Karré spielen in starken Jahren bis zu 60 Konzerte, touren durch halb Europa, absolvieren in manchen Wochen drei Auftritte und das neben ihren Brotberufen. Bandleader Dullnig zählt zu Österreichs besten Saxophonisten, er hat auf großen Bühnen und im TV gespielt, ist Musiklehrer und gefragter Studiomusiker, der mit unzähligen Größen wie Lee Harper oder Erich Kleinschuster gearbeitet hat. Dennoch ist Dullnig im Sax-Kollektiv nur der Primus inter Pares.

Als Trainer und Lead-Saxophonist erfüllt er seine Rolle in einem Quintett, das die Parität zum Prinzip erhoben hat. Martin Karré ist für die Kommunikation zuständig und erzählt: „Es gab in 13 Jahren, in denen wir so viel gemeinsam unternommen und gespielt haben, keinen ernstzunehmenden Streit und das liegt daran, dass jeder eine für alle wichtige Aufgabe übernommen hat – und dass sich auch unsere Frauen verstehen“, schmunzelt er.

Tenorsaxophonist Jakob Veider ist als Banker der Buchhalter der „Saxroyal Ges.n.b.R.“, die als Personengesellschaft gegründet wurde, damit die Finanzen so klar geregelt sind wie eine Tonleiter. Hubert Schneider spielt das Baritonsaxophon und kümmert sich neben den tiefen Tönen um Design und Outfit der Band. Volksschullehrer Klaus Schneeberger arrangiert fast alle Stücke für SAXROYAL. Und das sind eine ganze Menge. Seit den Tagen der Straßenmusik in Siena hat sich das Repertoire der Truppe auf hunderte Hits verschiedenster Genres erweitert.

Sie schütteln die großen Songs der Jazz-, Rock- und Popgeschichte fast beliebig aus dem Ärmel – und das immer ohne Noten! „Die Fähigkeit, alles auswendig zu spielen, war entscheidend für unsere Karriere und ist unser Alleinstellungsmerkmal. Das macht uns bei jedem Auftritt buchstäblich frei“, erklärt Martin Karré im Stil eines echten Marketingmanagers, „wir gehen auf das Publikum zu, bewegen uns mit der Menge, reagieren auf Situationen und all das spielerisch. Sobald ein Notenständer vor dir steht, bist du an einem Platz fixiert.“

Musik in Bewegung, das ist tatsächlich das Markenzeichen von SAXROYAL. Weil es Blechmusik ist, brauchen die Fünf keine Tontechnik und keinen Soundcheck. Sie packen die Instrumente aus und legen los, wo immer sie sind, auch ohne Bühne und Lichtregie. Das ist der Traum jedes Veranstalters, schließlich geht es bei Kongressen, Vernissagen und Festivals, Galadiners und anderen gesellschaftlichen Events um Perfektion im Livemodus. Da sollte nichts schiefgehen und der Applaus vorprogrammierbar sein. Bei den Auftritten von SAXROYAL ist er das.

Genau das erkannte eine Mitarbeiterin von Tourismuskaiser Martin Ebster aus St. Anton. Sie schlenderte 2006 beim Moonlight-Shopping durch Lienz, erlebte SAXROAYL live und ließ sich eine Karte geben. „Wir dachten damals nicht, dass die Frau sich jemals meldet“, erzählt Karré, doch diese Karte veränderte das Bandleben gravierend. „Ein paar Monate später rief die Dame nämlich tatsächlich an. Wir sollten in St. Anton bei einem Ärztekongress auftreten“. Gesagt, getan – und so kam der Stein ins Rollen. Ebster engagierte die fünf Saxophonisten wenig später für einen Auftritt im Rahmen des Skiweltcups in Val d’Isere.

Weil St. Anton neben Tourismusmekkas wie Chamonix und St. Moritz zu den Destinationen von „Best of The Alps“ zählt, folgten weitere Engagements. Die Performance der Osttiroler Musiker verbreitete sich per Mundpropaganda in der Weltcup- und Tourismusszene, aber auch bei Kongressen und Festivals. Seither sind die Saxophonisten praktisch ausgebucht und haben alle Hände voll zu tun, um neben ihren Hauptberufen und den nach wie vor intensiven Proben alle Auftritte unter einen Hut zu bringen. Dabei begleitet sie immer wieder der Zufall, wie Karré mit einer weiteren Anekdote unterstreicht: „Wir waren schon richtig gut im Geschäft und spielten in Alta Badia auf einem Sommerfest, als ein Holländer auf uns zukam. Er meinte, ihr spielt gut, aber auf den falschen Instrumenten.“ Die Fünf dachten an einen schlechten Jux, doch wieder wechselte eine Visitenkarte den Besitzer und – wir ahnen es bereits – auch der Mann aus den Niederlanden rief an. Er war einer der Eigentümer des Instrumentenbauers Buffet-Crampon, Weltmarktführer bei Blasinstrumenten.

Zum Firmenimperium zählt auch die renommierte Saxophon-Schmiede „Keilwerth“ in Markneukirchen. Dorthin wurden die Osttiroler Musiker eingeladen. Sie reisten ins Fichtelgebirge und fanden sich alsbald in einem Schauraum wieder, an dessen Wänden die besten Saxophone auf dem Markt hingen. „Sucht euch was aus und spielt damit“, meinte der freundliche Herr aus Holland und so kamen SAXROYAL zu nagelneuen Instrumenten im Wert von 30.000 Euro – und weiteren Engagements, etwa bei der weltgrößten Musikmesse in Frankfurt. Sogar dort, im babylonischen Klangwirrwarr der Messe überzeugten sie das Fachpublikum. Es folgte eine Einladung zu Europas größtem Musikhaus Thomann, wo SAXROYAL auf einer Sommerparty spielten.

Wie bringen das fünf berufstätige Männer unter einen Hut? Mit einer Mischung aus unermüdlicher Musikbegeisterung und erstklassig organisierter Abwicklung. „Wir wägen genau ab, ob es sich zum Beispiel lohnt, für wenige Stunden zu einem Konzert nach Berlin zu fliegen. Da muss einfach die Gage stimmen“, meint Karré und setzt nach, „dafür spielen wir für einen guten Zweck auch gerne einmal ohne Honorar.“

Von Abnützungserscheinungen kann bei SAXROYAL ohnehin keine Rede sein. Nach wie vor wird wöchentlich geprobt und täglich geübt, nur die legendären Toskana-Ausflüge kommen nicht mehr zustande: „Unsere Kinder sind in der Zwischenzeit in unterschiedlichsten Altersstufen, da hat die Zeit doch viel verändert.“ Einig sind sich aber alle, wer in Sachen Spielfreude und Karriereplanung das Vorbild für die fünf Saxophonisten ist: „Natürlich der Buena Vista Social Club“, lacht Karré und deutet damit an, dass die Truppe noch einiges vor hat. Schließlich kann schon morgen wieder ein Zufall auf sie warten.

Credits
  • Autor: Gerhard Pirkner
  • Fotografie: SAXROYAL / Ramona Waldner

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