Musik mit
Seele auf Vinyl
Musik mit Seele auf Vinyl
Benjamin Kantschieder passt nicht in die Schubladen der Osttiroler Musik- und Musikerszene. Der in Wien lebende Lienzer ist ein Solist und Multimediakünstler, eine Ein-Mann-Band und zugleich ein Designer stilsicherer Gesamtkunstwerke aus Bild und Ton, Klang und Atmosphäre, der seine musikalische Herkunft im Psychedelic Rock der siebziger Jahre nicht verleugnet, sondern lustvoll zelebriert.

Kantschieder ist Jahrgang 1988. Weder die Beatles noch Pink Floyd stehen auf der musikalischen Hitliste seiner Generation, doch der Musiker, der als Buchhändler sein Geld verdient, hatte bereits als Schüler in Lienz eher ungewöhnliche Vorbilder wie George Harrison und schwärmte vom legendären „Roof Top Concert“ der Pilzköpfe. Dieses Faible für Bluesrock, Britpop und Psychedelic Rock teilte er damals mit Kumpel Daniele Bovio, der ihm die erste Gitarre lieh und ein paar Akkorde beibrachte. „Wir hatten eine Band, Danieles Vater hatte eine Menge Instrumente daheim“, erzählt Kantschieder, der mit Bovio auch heute noch musikalische Erfahrungen austauscht.

Was Benjamin, der sich „Kanoi“ nennt, im Alleingang komponiert, textet, singt, spielt und im eigenen Homestudio auch noch aufnimmt und mischt, ist feinstes Spacerock-Gewebe. Ein Jahr nach „From The City To The Stars“ präsentierte der Musiker kürzlich ein neues Album: „Buru Haze“. Spannend und entspannend, manchmal schwebend, manchmal attackierend kommen die Tracks daher, immer stilsicher und mit beeindruckender Virtuosität auf der Gitarre. „For full enjoyment simply turn up the volume!“ schreibt Kanoi auf seiner Website und wer den Rat beherzigt, genießt wuchtige Klangbilder, die an Pink Floyd und den großen Jimi Hendrix erinnern. Nicht nur Kantschieders Albumtitel „Buru Haze“ hat für Hendrix-Fans einen vertrauten Klang, auch die Gitarrenriffs zitieren den Unerreichten, der mit „Purple Haze“ Ende der Sechziger eine Hymne des Psychedelic Rock ablieferte.

„Musik ist die einzige Konstante in meinem Leben“, erzählt Buchhändler und Musiker Benjamin Kantschieder.

Dennoch, und das ist wichtig, inszeniert Kanoi sein ganz eigenes Ding, weit entfernt von banalen Coverversionen. „Musik ist die einzige Konstante in meinem Leben“, erklärt er und man glaubt es, wenn man seine kreative Arbeit aus der Nähe betrachtet, was spannend ist. Erst bei genauem Hinsehen und Hineinhören erschließt sich Kanois Gedanken- und Klangwelt, entpuppt sich als liebevoll bis ins Detail arrangiertes und komponiertes Gesamtkunstwerk, bei dem der Musiker nichts dem Zufall und schon gar nichts einem anderen überlässt.

Was auch immer es von Kanoi zu hören und zu sehen gibt, entsteht in seinem Zimmer. Gitarren, Keyboard, Rechner, Verstärker, Mikrofone – auf engstem Raum entfaltet der Tüftler sein musikalisches Universum. Natürlich schreibt er auch die Texte selbst. Es sind keine durchdachten Protestsongs oder aus dem übervollen Herz fließenden Liebesballaden, sondern atmosphärische Lyrics, sprachliche Stimmungsbilder, mit denen Kantschieder seine musikalischen Klanggemälde erweitert und überhöht.

„Zu 99 Prozent ist zuerst die Musik da“, erklärt er. „Ich setze mich oft mit der akustischen Gitarre hin und spiele einfach ein paar Akkorde.“ Wird daraus tatsächlich die Idee für eine Melodie, „dann singe ich manchmal einen komischen Text ohne Sinn dazu, um die Melodie weiter aufzubauen und irgendwann, wenn alles zusammenpasst, dann kommt ein Lied heraus.“ Dass die Texte ausnahmslos englischsprachig sind, ist auch kein Zufall. Einerseits passen sie einfach zum Genre und erinnern ein wenig an die fantasievollen Lyrics früher King Crimsen-Alben. Andererseits kann der Osttiroler die Sprache richtig gut. Kantschieder liest viel. Er leitet die englischsprachige Abteilung der Buchhandlung, in der er arbeitet, wird manchmal von Büchern inspiriert, von literarischen Szenen, die später zu Musik und Texten werden.

Kanoi spielt alle Instrumente selbst, textet, singt, arrangiert, mixt und zeichnet auch das Plattencover.

Kanois elektronisch-rockige Kreationen gehen nicht nur „ins Ohr“, sondern auch unter die Haut. Und man kann sie buchstäblich angreifen. Kantschieder zeigt bei der Konfektionierung seiner Musik ein Faible für das Analoge. Wie schon das Album „From The City To The Stars“ ist auch „Buru Haze“ für Fans der Schallplatte auf Vinyl erhältlich. Download- und CD-Version gibt es natürlich auch.

Die Vinylpressung ist beim Kleinlabel Clostridium Records erschienen, auf 333 Stück limitiert und in zwei Versionen erhältlich. „Es gibt 222 Stück auf schwarzem Vinyl und 111 Stück auf violett/blau marmoriertem Vinyl inklusive der CD-Version des Albums“, erklärt der Musiker. Beide Versionen enthalten ein 16-seitiges Booklet mit Liedtexten und Artwork, das – wie sollte es anders sein – von Kantschieder selbst stammt. Die Booklets sind von Hand nummeriert. Auf Kanois Bandcamp-Webseite kann man alle Versionen bestellen. Ein schönes Weihnachtsgeschenk für Leute, die einen Plattenspieler zu Hause haben.

Credits
  • Autor: Gerhard Pirkner
  • Fotografie: Judith Benedikt

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