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Armut: Wie bleibt der Rand am Rand?

Augustin-Gründer Robert Sommer referiert im Bildungshaus.

Robert Sommer kennt die Armut in allen Facetten und hat vor fast 20 Jahren ein Rezept entwickelt, das sie lindern hilft: die Straßenzeitung "Augustin".
Was ist die erste österreichische Boulvardzeitung? Falsch. Es ist, zumindest aus der Sicht von Robert Sommer, der "Augustin", die Straßenzeitung, die in Wien buchstäblich an jeder Ecke verkauft wird, von Menschen, die durch die Maschen des sozialen Netzes gerutscht sind. Sie bekommen dafür einen Teil des Erlöses. Für viele ist es die einzige Einnahmequelle, für alle ein Weg aus der Entmündigung. "Wir haben einen Drittelmix", erklärt Sommer, der den Augustin 1995 mit aus der Taufe hob. Von den rund 450 Kolporteuren seien je ein Drittel einheimische Obdachlose, afrikanische Asylsuchende und "Armutspendler aus Osteuropa". Sie sind in Wiens Straßen mit einer Zeitung unterwegs, die ein kritisches, intelligentes, manchmal humoriges und immer aufrüttelndes Sprachrohr jener ist, die an den Rand unserer Gesellschaft gerutscht sind und dort – davon ist Sommer überzeugt – auch bleiben sollen. "Wie bleibt der Rand am Rand" heißt der Titel seines jüngsten Buches und eines Vortrags, den der kritische Redakteur und Autor am Dienstag, 14. Mai, um 20 Uhr im Bildungshaus Osttirol hält. Es geht um Armut und ihre Festschreibung durch ein gesellschaftliches System, das Randgruppen aus mehreren Gründen braucht. Sommer: "Es gibt ökonomische, psychologische und politische Motive, warum die Ausgegrenzten nicht eingegliedert werden." Nach seiner Schätzung arbeiten 100.000 Menschen allein in der Bundeshauptstadt "zu jeder Bedingung" und verrichten praktisch jede Arbeit um 4 Euro pro Stunde, ein klassisches Lohndumping. Psychologisch sei die Randgruppe zur Systemstabilisierung wichtig, "weil es dann immer jemanden gibt, dem es noch schlechter geht" und politisch werde ein Sündenbock gebraucht, nach dem Muster "die Zigeuner sind schuld". Sommers Intention, das was ihn treibt und nicht müde werden lässt, ist die Emanzipation der zumeist Sprachlosen, die durch den Augustin nicht von Fürsprechern abhängig sind, sondern zu "Selbstsprechern" werden. "Wichtiger als das Resultat, das meist auf sich warten lässt, ist das, was passiert, der Prozess", erklärt der Journalist. Es gehe nicht nur um Materielles, sondern um Mut und Würde, weshalb der "Augustin" längst mehr als eine Zeitung ist. Seine Verkäufer haben eine Theatergruppe und einen Chor gegründet, gehen für ihre Anliegen mit originellem Aktionismus auf die Straße und laufen – der Hautfarbe entsprechend – als "Schwarz-Weiß Augustin" im Fußballstadion ein. Im Rahmen der Vortragsveranstaltung stellt Christl Rennhofer-Moritz, Leiterin der Selbsthilfe Osttirol, eine neue Selbsthilfegruppe vor: "Kein Auskommen mit dem Einkommen".  Bildungshaus Osttirol, Dienstag 14. Mai, 20.00 Uhr. Eintritt frei.
Gerhard Pirkner ist Herausgeber und Chefredakteur von „Dolomitenstadt“. Der promovierte Politologe und Kommunikationswissenschafter arbeitete Jahrzehnte als Kommunikationsberater in Salzburg, Wien und München, bevor er mit seiner Familie im Jahr 2000 nach Lienz zurückkehrte und dort 2010 „Dolomitenstadt“ ins Leben rief.

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