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Sepp Schett im Dolomitenstadt-Interview

"Ich wurde um viele Illusionen ärmer und um viel Lebenserfahrung reicher"

Sepp_Schett-2005 Josef Schett, Landtagsabgeordneter für Vorwärts Tirol und Vorstand im Tourismusverband Osttirol spaltet die Geister wie kaum ein anderer, speziell in seiner Heimat, dem Villgratental. Im Dolomitenstadt-Interview zog der Schafbauer eine erste Bilanz über die Arbeit im Landtag und erklärte, warum er sich gegen Lift- und Kraftwerksprojekte in seiner Heimat wehrt. Sie sind nun beinahe ein Jahr Landtagsabgeordneter. Welche Zwischenbilanz ziehen Sie? Wir sind mit großen Ansprüchen an uns selbst in den Wahlkampf gegangen und haben Vorwärts Tirol gegründet, weil uns die etablierten Parteien zu allmächtig erschienen sind. Wir schufen damals eine neue Partei – circa hundert Leute vom Arlberg bis nach Osttirol waren dabei, natürlich auch mit unterschiedlichen Motivationen, das brachte Sand ins Getriebe. Durch die internen Streitereien in der Partei haben wir natürlich viel Kredit in der Bevölkerung verspielt. Allerdings war diese Zeit sehr lehrreich für mich – ich wurde um viele Illusionen ärmer und um viel Lebenserfahrung reicher. Unser Start im Landtag war dementsprechend holprig, wir mussten uns erst Strukturen aufbauen. Mittlerweile haben wir mit Hansjörg Peer einen ausgezeichneten Klubdirektor mit politischer Erfahrung. Im Landtagsklub herrscht zwischen unseren Abgeordneten eine gute Stimmung ohne Klubzwang – allerdings stimmen wir uns ab, um politisch kalkulierbar zu sein. Anna Hosp und Christine Oppitz-Plörer sind komplett aus der Bewegung verschwunden.
Wie gut funktioniert die Zusammenarbeit mit den anderen Osttiroler Abgeordneten? Wir haben alle ein ausgezeichnetes persönliches Verhältnis. Die Tatsache, dass meine Osttiroler Kollegen in alten Parteistrukturen verankert sind, erschwert ihre Arbeit sicher – ich bin von alten Dingen unberührt. Bei der "Agrargemeinschafts-Debatte" geht es mir beispielsweise darum, eine Lösung zu schaffen, welche für alle Menschen in Tirol als gerecht betrachtet werden kann. Uns geht es nicht um Interessensgruppen, sondern um die beste Zusammenarbeit im Land. Welche Ziele verfolgen Sie in den nächsten Jahren besonders? Ich bringe mich schon lange Zeit für den Tourismus ein und werde dies auch weiterhin machen. Wichtig wird es sein, die Frage zu klären: Wie gelingt uns eine Positionierung des besonderen Bezirkes Osttirol?Unsere Region ist geografisch und von den derzeitigen Rahmenbedingungen her etwas Besonderes – in Osttirol können wir ein Naturerlebnis anbieten, in einer Vielfalt und Einzigartigkeit, wie man es mitteleuropaweit suchen muss. Diese Positionierung ist besonders für entlegene Täler wichtig, um Wertschöpfung dorthin zu bringen. Natürlich brauchen wir in den „Haupttälern“ auch betriebliche Ansiedlungen sowie betriebliche Weiterentwicklungen, damit wir auch attraktive Arbeitsplätze für qualifizierte, junge Menschen haben. Entscheidend ist, dass wir auch der Jugend eine Perspektive im Bezirk bieten können. Sie sind auch im Vorstand des Tourismusverbandes – wie läuft dort die Arbeit? Hier werden viele Entscheidungen durch die politische Brille betrachtet, statt auf alle Osttiroler zu schauen. Viele Projekte sind gemeindepolitisch orientiert – somit lässt man manchmal den eigenen Kirchturm den wichtigsten sein. Wie gut lassen sich die beiden Ämter Tourismusvorstand und Landtagsabgeordneter vereinbaren? Wir vom Team Osttirol sind mit dem Slogan "Politik raus aus dem Tourismus" angetreten. Allerdings meinten wir damals Partei- und Kommunalpolitik. Meistens ist es so, dass es kommunale Projekte gibt, welche für die Gemeinden Sinn machen, allerdings für den Tourismus absolut unbedeutend sind. Der Kontakt ins Landhaus ist sehr wichtig, obwohl ich nur ein Vertreter einer kleinen Oppositionspartei bin. Im Laufe des Jahres steht im Landhaus die zeitgemäße Anpassung des Tourismusgesetzes an. Dabei kann ich mich durch meine vergangenen Funktionen sicher gut einbringen – ich weiß wo der Schuh drückt. Hätte man die großen Schneemengen in Osttirol besser vermarkten können? Ich denke nicht. Man hat hier das Maximale herausgeholt. Allerdings behinderte uns die Panikmacherei – auch die Reisewarnung von Verkehrsministerin Doris Bures war nicht optimal. Die Vermarktung mit dem Slogan "Frau Holle schüttelte die Betten über Osttirol aus" hat sicher gepasst. Sepp_Schett-2007 Integrieren Sie sich auch in den Vordenker-Prozess? Bei vielen Vorbereitungsprozessen der Bewegung war ich dabei. Allerdings sind wir in der Diskussion zum Schluss gekommen, dass in den Arbeitskreisen keine politischen Repräsentanten vertreten sein sollten, sondern es wichtig ist, dass Leute aus der Praxis den Ton angeben. Allerdings sehe ich den Vordenker-Prozess äußert positiv und bedanke mich bei den Initiatoren. Ich sehe das Ergebnis dann auch als Leitfaden für politische Entscheidungen. Man bezeichnet Sie als Vordenker – was sind Ihre Gedanken für den Bezirk? Meine Gedankengänge waren das ganze Leben so, dass ich nie neidisch über den Zaun gesehen habe. Ich hatte nie die übertriebene Osttiroler Jammerer-Mentalität – einige Lokalpolitiker haben diese allerdings zelebriert. Da ich auf einem Bergbauernhof aufgewachsen bin, habe ich immer versucht mit den vorhandenen, bescheidenen Ressourcen umzugehen, wie ich bei meinem Unternehmen "Villgrater Natur" auch gezeigt habe. Wir müssen uns fragen: Was haben wir und was können wir daraus machen? Wir müssen neu denken und überlegen und dürfen nicht vergessen, dass sich viele Dinge aufgrund gesellschaftlicher Prozesse sowie dem Klimawandel verändern. Was wir heute entscheiden, beeinflusst uns in den nächsten Jahrzehnten. Wie stehen Sie zum Liftprojekt in Ihrer Heimatgemeinde Innervillgraten? Nach meiner Wahl zum Bürgermeister in Innervillgraten in den 90er Jahren, führte ich mit Heinz Schultz intensive Gespräche über eine Liftanbindung in meiner Heimatgemeinde. Damals kam die klare Antwort seitens Schultz:  "Ich baue in Innervillgraten keinen Lift." Die Gemeinde hätte den Lift selber bauen müssen, hatte damals dafür aber kein Geld. Statt den Kopf in den Sand zu stecken, positionierten wir uns damals gemeinsam als Skitourengebiet, was sich heute als riesiger Erfolg herausstellt. Wir investierten damals in den sanften Tourismus und erreichten so eine gute Gästeschicht, die auch bereit ist, Geld auszugeben. Heute wäre ein Lift für unseren Ruf total kontraproduktiv. Dazu bräuchten wir 2000 Betten, die wir ohne auswärtige Investoren nicht stemmen könnten – wir müssen auf heimische, familiäre Strukturen setzen. Welche Chancen räumen Sie dem Kraftwerksprojekt in Innervillgraten ein? Für alle Menschen ist klar, dass wir Energie brauchen. Ich werde in Zukunft ein Gesamtenergiekonzept für Osttirol fordern, in dem man ganz genau betrachtet, wie und wo man Wasserkraft, Photovoltaik oder Windenergie sinnvoll umsetzen kann – dazu benötigt es natürlich eine Studie, die den ganzen Bezirk unter die Lupe nimmt. In der Folge wird es bestimmte Gebiete geben, in die man nicht eingreift – und die sollten dann einen Finanzausgleich erhalten. Das Projekt in Innervillgraten ist Humbug, da es sich wirtschaftlich nicht rechnet und dem Ruf des Villgratentals massiv schadet. Mein Vorschlag wäre, dass sich die beiden Gemeinden Außer- und Innervillgraten zusammenschließen und gemeinsam das Kraftwerk Winkeltal in Außervillgraten bauen und finanzieren – somit kann man in Innervillgraten weiter die Tourismus-Schiene fahren. Wäre man ganz geschickt, sollte man aus dem ganzen Villgratental einen Biosphärenpark machen.

Ein Posting

Sepele
vor 10 Jahren

als EHEMALIGER Vorwärtswähler wurden mir auch viele Illusionen genommen

 
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