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Am Ende der Flucht: Frieden in Dölsach

Für 14 junge Asylwerber sind die Gefahren einer langen Reise überstanden.

Am Donnerstag, 10. Dezember sind sie angekommen, die ersten Jugendlichen auf der Flucht, die in einer Außenstelle des SOS-Kinderdorfes in Dölsach ein neues Zuhause gefunden haben. Zwei Tage später durften die Medien einen Blick in das neue Quartier werfen. „Sind wir am Ende unserer Reise? Das fragen die Kinder, die wir betreuen und die alle eine monatelange gefährliche Odyssee hinter sich haben“, erklärt Guido Fuß, der das Osttiroler SOS-Kinderdorf leitet, aber auch die Situation in anderen Kinderdorf-Standorten gut kennt.
Soe kommen aus Kabul und haben in ihrem jungen Leben eines noch nicht kennengelernt: Frieden und Sicherheit. Fotos: Brunner Images
Sie kommen aus Kabul und haben in ihrem jungen Leben eines noch nicht kennengelernt: Frieden und Sicherheit. Fotos: Brunner Images
In Dölsach ist für Mohammed, Hakim und die anderen Jungs aus Afghanistan und Somalia tatsächlich die Reise zu Ende, an einem guten Ort, wie man auf den ersten Blick sieht. Andrea Miglar-Tschapeller und ihr Mann Harald haben Andreas Elternhaus auf eigene Kosten hergerichtet. „Meine Mutter, die hier gelebt hat, ist vor zwei Jahren gestorben“, erzählt Andrea. Danach habe sie eine Weile gewartet, „ich wollte der Mama Zeit geben, zu gehen.“ Und dann sei eigentlich immer klar gewesen, dass das große Haus mit acht Zimmern und einem schönen Garten Menschen auf der Flucht beherbergen soll.
Andrea Miglar-Tschapeller stellt dem SOS-Kinderdorf und den jungen Asylwerbern ihr Elternhaus in Dölsach zur Verfügung.
Andrea Miglar-Tschapeller stellt dem SOS-Kinderdorf und den jungen Asylwerbern ihr Elternhaus in Dölsach zur Verfügung.
Das klappte nicht auf Anhieb, weil trotz Unterstützung durch den Dölsacher Bürgermeister Josef Mair erst Bedenken ausgeräumt werden mussten. Bedenken, die es fast überall gibt, wo Menschen auf der Flucht derzeit ein Zuhause suchen. „Im Vorjahr stand das Haus zu Weihnachten noch leer, heuer ist es mit Leben erfüllt, das ist für mich die größte Freude“, erklärt Andrea Miglar-Tschapeller und man glaubt ihr auf´s Wort, ebenso wie Sepp Mair, der am Ende einen einstimmigen Gemeinderatsbeschluss zusammenbrachte – trotz einiger Widerstände. Mair musste Überzeugungsarbeit leisten, fand aber schließlich einen kleinsten gemeinsamen Nenner. Der lautet schlicht: „Gegen Kinder kann man nicht sein“. Dölsach hat schon länger eine Unterkunft für Asylwerber, 24 Menschen leben dort derzeit, „und es hat nie Probleme gegeben“, unterstreicht der Bürgermeister. Jetzt kommen die minderjährigen jungen Männer in SOS-Kinderdorfbetreuung noch dazu. Die meisten von ihnen stammen aus Afghanistan. „Einige kommen direkt aus Kabul“, erläutert Guido Fuß, „alle aus Kriegsgebieten“.
Wolfgang Katsch leitet die SOS-Kinderdorf-geschicke in Tirol, Salzburg und Vorarlberg: "Wir bieten den Kindern hier weit mehr als eine Unterkunft."
Wolfgang Katsch leitet die SOS-Kinderdorf-Geschicke in Tirol, Salzburg und Vorarlberg: "Wir bieten den Kindern hier weit mehr als eine Unterkunft."
Wolfgang Katsch, SOS-Kinderdorf-Geschäftsleiter für Tirol, Salzburg und Vorarlberg zeichnet das große Bild. Mehr als tausend Flüchtlingskinder ohne Begleitung Erwachsener halten sich derzeit weitgehend unbetreut in Österreich auf. Die SOS-Kinderdörfer haben in den letzten Monaten 104 Betreuungsplätze geschaffen, 14 davon in Dölsach. „Wir bieten den Kindern hier weit mehr als eine Unterkunft. Kinder und Jugendliche wollen spielen, sie wollen lernen und in die Schule gehen. Kinder schmieden Pläne und brauchen Perspektiven“. Die SOS-Kinderdörfer bieten diese Perspektiven schon lange. Das erste Dorf wurde von Hermann Gmeiner im Imst der Nachkriegszeit eröffnet, für Waisenkinder, die ihre Eltern im Krieg verloren hatten. Die jungen Afghanen und Somalis in Dölsach sind nicht unbedingt Waisen. Wie die meisten unbegleiteten Kinder auf der Flucht wissen sie aber nicht, ob und wo ihre Familienangehörigen noch leben. Der einzige Draht, der die Hoffnung aufrecht hält, ist das Smartphone. „Die Jugendlichen nutzen vor allem WhatsApp, weil es nichts kostet. Dort knüpfen sie so lange Kontakte, bis sie auf Bekannte oder Verwandte stoßen“, erklärt SOS-Kinderdorf-Pressesprecher Viktor Trager.
Die Jugendlichen sind erst vor zwei tage eingezogen und schon beginnt das Deutschlernen.
Die Jugendlichen sind erst vor zwei Tagen eingezogen und schon beginnt das Deutschlernen.
Das bedeutet allerdings noch lange nicht, dass diese familiären Gruppen, die oft weit verstreut sind, auch tatsächlich zusammenfinden. Noch eine zweite wichtige Funktion hat das Smartphone: es fungiert als Übersetzungswerkzeug. Trager, der die Kommunikation koordiniert, wollte den Jugendlichen erklären, dass die Medien zu Besuch kommen. „Sie sprechen weder Deutsch noch Englisch, haben aber eine App, die meine Worte ins Persische übersetzt.“ Im Alltag der Jugendlichen ist diese technische Hilfe auch bei gemischten Gruppen nicht nötig. Die Kommunikation  funktioniert spontan, auch ohne Worte und auf vielen Ebenen. Die Betreuer wundern sich immer wieder, wie mühelos sich die Kinder miteinander unterhalten.
Guido Fuß leitet das SOS-Kinderdorf in Nußdorf-Debant und betreut mit seinem Team die Jugendlichen in der Nachbargemeinde Dölsach.
Guido Fuß leitet das SOS-Kinderdorf in Nußdorf-Debant und betreut mit seinem Team die Jugendlichen in der Nachbargemeinde Dölsach.
In Dölsach ist ein insgesamt achtköpfiges Betreuerteam für die 14 Jugendlichen zuständig. Es gibt einen Betreuerraum, der immer besetzt ist, meist sind zwei Erwachsene vor Ort. Mindestens so wichtig wie die hausinterne Betreuung ist die Integration in das Leben der Gemeinde, um die sich Bürgermeister Sepp Mair keine Sorgen macht: „Wir haben fast 40 Vereine, es gibt sportliche Aktivitäten und viel Bereitschaft zur Mithilfe.“ Die schulische Betreuung von Flüchtlingskindern funktioniere in Osttirol schon bisher sehr gut, unterstrich Bezirkshauptfrau Olga Reisner im Mediengespräch. Sie freut sich über jeden Teilerfolg in der Betreuung Asylsuchender : „Wir haben eine behördliche und eine menschliche Aufgabe. Man darf das Inakzeptable nicht akzeptieren.“
Bürgermeister Sepp Mair gelang es, den gesamten Gemeinderat zu überzeugen. Bezirkshauptfrau Olga Reisner freut sich darüber.
Bürgermeister Sepp Mair gelang es, den gesamten Gemeinderat zu überzeugen. Bezirkshauptfrau Olga Reisner freut sich darüber.
Gerhard Pirkner ist Herausgeber und Chefredakteur von „Dolomitenstadt“. Der promovierte Politologe und Kommunikationswissenschafter arbeitete Jahrzehnte als Kommunikationsberater in Salzburg, Wien und München, bevor er mit seiner Familie im Jahr 2000 nach Lienz zurückkehrte und dort 2010 „Dolomitenstadt“ ins Leben rief.

3 Postings

Zuckerpuppe
vor 8 Jahren

Lieber Osttiroler!

Ob Integration gelingt, hängt nicht nur von den Flüchlingen ab, sondern auch von uns und unserer Einstellung. Ich habe hier bei uns im ach so gern abgeschotteten Osttirol noch nicht gemerkt, dass uns die Flüchlinge belasten. Du schon? Ich jedenfalls finde es von der Fam. Taschapeller-Miglar absolut toll! Kann nur gratulieren, und da das Ganze auf eigene Kosten getragen wurde, sollten ja wohl auch da die Stimmen derjenigen, die vor Zuwanderern Angst haben und die Kosten als Ausreden benutzen, etwas gedämpft sein. Ich jedenfalls habe die Erfahrung gemacht, dass die Flüchtlinge hier in Lienz sehr freudig darauf reagieren, wenn man sie freundlich anlächelt und grüßt. Natürlich können wir nicht alle aufnehen, das ist mir schon klar. Aber es hat ja wohl auch seinen Grund dass die Menschen aus ihrer Heimat fliehen. Ich würde mir wünschen, etwas mehr über den Tellerrand hinauszuschauen und auch einmal das Herz sprechen zu lassen. Wer weiß, vielleicht brauchen wir oder unsere Kinder einmal die Hilfe von denen, die wir jetzt möglicherweise im Stich lassen..... Auf jeden Fall Danke noch einmal an die Tschapeller-Miglars!

 
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Osttiroler9900
vor 8 Jahren

Man kann nur hoffen, dass die Integration klappt. Wie ernst es diesen ganzen Zuwanderern mit der Integration ist, sieht man an dem Problem mit islamistischen Kindergärten in Wien. Österreich muss langsam an ein Aufnahmestopp denken, wir können nicht jeden aufnehmen, der auf der Suche nach einem besseren Leben ist. Die Grenzen der Belastbarkeit für unser Sozialsystem sind schon mehr als erreicht. Helfen kann man nur, wenn man selbst keine Hilfe benötigt. Wenn wir weiter sovielmal aufnehmen, werden bald wir Hilfe benötigen.

 
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hannes
vor 8 Jahren

Liebe Andrea ( und Harald ) , lieber Sepp:

Danke ...nur so kann es gehen !, Danke nochmals.

 
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