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Als man zum Schwimmen in Lienz noch in die Schule ging …

… und das städtische Bad von den Bauern als „Focknstall“ bezeichnet wurde.

Das Baden hat in Osttirol eine lange und zum Teil glorreiche Tradition. Schon die alten Römer in Aguntum liebten ihre Therme, ein Sauna-, Wellness- und Fitnessstudio der Antike, das mit heutigen Anlagen in mancher Hinsicht mithalten konnte. Mit dem Aufblühen des bürgerlichen Lebens im Mittelalter wurde in den Großstädten das private Baden zur Lebenssitte. In Lienz gab es fast bei jedem Haus, aber auch bei zahlreichen Bauernhäusern auf dem Land eine private Badstube direkt an die Wohnhäuser angebaut oder etwas abseits davon. 

Heiße Steine wurden damals mit Heublumensud begossen, um eine gesundheitsfördernde Wirkung zu erzielen. Die meisten dieser hölzernen Hütten verbrannten beim großen Stadtbrand von 1609. Die neue Feuerordnung verbot ihren Wiederaufbau. Offiziell ging es um Brandverhütung, inoffiziell wohl eher um die strengeren Moralvorstellungen jener Zeit. Es wurde befürchtet, dass in den Lienzer Badstuben nicht nur hygienische, sondern auch andere Bedürfnisse befriedigt würden. Die einzige erhaltene Badstube in Lienz ist der unscheinbare Anbau an die „Riepler Schmiede“ beim Klösterle, die schon 1597 erwähnt wird.

Schließlich gewannen die Wildbadln mit ihren alles versprechenden Heilquellen an Beliebtheit. Überall entstanden einfache Bäder, die „Bauernbadln“. Das letzte seiner Art ist das Aignerbadl in Abfaltersbach. Zu alten Gepflogenheiten und heutigen Vergnügungen dort gibt es eine Hintergrund-Reportage hier zum Nachlesen in unserem Magazin. 

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Im "Aigner Badl" in Abfaltersbach kann man sich auch heute noch entspannen. Foto: Miriam Raneburger

Im 19. Jahrhundert wurden mondänere Badeanstalten errichtet und erholungsbedürftige Großstädter kamen mit der neuen Pustertalbahn auf Sommerfrische zu uns. Bad Leopoldsruh verzeichnete 779 Besucher im Jahr 1850 und auch Bad Jungbrunn und Bad Weitlanbrunn erreichen Spitzenwerte für ganz Tirol!

Im Jahr 1890 erfüllte sich endlich der seit Jahrzehnten von vielen gehegte Wunsch nach einer Badeanstalt in Lienz. Das dafür eigens gegründete Schwimmschul-Comitée ließ nicht locker und der Bau wurde bei der Gemeinderatssitzung am 2. Mai beschlossen. Nach nur zweieinhalb Monaten Bauzeit wurde die „Städtische Schwimm- und Badeanstalt“ eröffnet, kurz "Schwimmschule" und zwar dort wo heute bei der Union Tennis gespielt wird. Die große Beliebtheit bei Gästen und Einheimischen wurde auch durch den „Schwimmschul-Skandal“ nicht getrübt. Gegen Bauleiter Ing. Pupp wurde wegen Unterschlagung prozessiert. Man sprach ihm fachliches Können ab und Zweifel an der Echtheit seines Ingenieurtitels wurden laut.

Im Bad galt damals selbstverständlich strikte Geschlechtertrennung: die Herren badeten am frühen Vormittag und am späten Nachmittag, die übrige Zeit war den Damen vorbehalten. Trotzdem fand die bäuerliche Bevölkerung in der Umgebung schnell einen anderen Namen für das Schwimmbad: „der Focknstall“, so erzählt es zumindest Anna Waldeck in ihrem Buch „Lienzer G’schichten“. Woraus sich diese Benennung gründet, kann man nur vermuten. Verglichen mit heutigen Maßstäben war auch die Wasserqualität nicht ganz lupenrein. Waren die Becken frisch mit Drauwasser gefüllt, leuchtete das Wasser himmelblau, war aber eiskalt. Mit der Zeit wurde es immer grüner und erst nach einigen Wochen, wenn das Badewasser völlig undurchsichtig und bachlwarm war, wurde es gewechselt.

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Zwar lockerten sich die Baderegeln im Lauf der Jahrzehnte, die Wasserqualität der "Schwimmschule" pendelte aber weiterhin zwischen "klar und arschkalt" und "bachlwarm aber undurchsichtig".

So blieb das, wenngleich mit moderneren Baderegeln, bis das „Dolomitenbad“ endgültig die Moderne einläutete. Es wurde 1975 als damals hochmodernes Hallenbad mit Freibadanlage eröffnet. Die alte städtische Schwimmschule hatte endgültig ausgedient. Das nächste Kapitel der Schwimmbadgeschichte wird derzeit geschrieben. Ende November eröffnet das um- und ausgebaute Hallenbad mit weitläufiger Saunalandschaft. Wer weiß, vielleicht gibt es auch dort das eine oder andere Skandälchen? Aber was lehrt uns die Geschichte? Die Freude am Baden und Schwitzen lassen wir uns von nichts und niemanden verderben!

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Hier zum Drüberstreuen noch eine Aufnahme vom Tristachersee und dessen Strandbad, das irgendwie an einen Sandstrand erinnerte.

Die historischen Bilder zu diesem Artikel haben uns das Tiroler Archiv für Photografie TAP und Peter Unterweger zur Verfügung gestellt.

Evelin Gander ist nicht nur Stadtführerin und Biobäuerin, sondern auch Ideenlieferantin und Geschichtenerzählerin mit viel Einfühlungsvermögen. Thema ihrer Reportagen und Podcasts ist das Leben in all seinen Facetten.

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