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Skikurs auf dem Zettersfeld 1979. Das waren halt noch Zeiten! Fotos: privat

Skikurs auf dem Zettersfeld 1979. Das waren halt noch Zeiten! Fotos: privat

Winterferien in Osttirol – damals und heute

War wirklich alles besser? Die Erinnerung ist ein trügerisches Geschöpf.

In meiner Kindheit bin ich täglich Skifahren gegangen, das Wetter war immer super und Schnee gab es im Überfluss. Die einzigen Kinder, die Helme trugen, waren die Schwedenkinder. Gekostet hat in meiner Kindheit alles nix und immer war alles supergut. Ehrlich, so hab ich das in Erinnerung. Klar, wir hatten nicht so stylisches Equipment oder so gut gewachselte Ski, keine beheizten Sessellifte, von Überdachungen der selbigen ganz zu schweigen. Meine Freundin ist sogar einmal mit der Zunge am Liftbügel unserer Zweiersesselbahn kleben geblieben. Es gab überall Schlepplifte und niemand hat uns den Bügel bis unter den Hintern gezogen, wer das nicht selber konnte, blieb daheim. Jeder kannte jeden und nach ein oder spätestens zwei Wochen wechselten die Mützen und Helme und andere kamen. Nicht so viele, ein paar halt. Einen Rettungshubschrauber habe ich meine ganze Kindheit lang nie gesehen. Dennoch haben wir überlebt, wie, ist fraglich – aber schön wars.

Das Wetter war immer super und Schnee gab es im Überfluss ...

Seit ich Kinder habe, schneit es nicht mehr. Das Wetter ist zwar auch immer noch super, aber halt nur noch im Winter, im Sommer regnet es dafür immer. Also genau verkehrt. Helme hat heute jeder und alles, wirklich alles, kostet ein Heidengeld. Angefangen bei völlig überteuerten Liftkarten bis hin zu allem, was man konsumieren kann auf den diversen Skihütten.

Sagt einmal, gab es früher schon mehrseitige Speisekarten überall? Ich kann mich immer nur an Würstel erinnern…. Heute sind nahezu alle Lifte beheizt oder wenn es sogar noch einen so richtig schönen Old-School-Schlepplift gibt, dann ist bestimmt jemand sofort zur Stelle, der meinen Kindern – und mir – den Bügel unter den Hintern schiebt, damit wir ja genügend Komfort haben. Alle sind extrem stylish und es ist wichtig, was man trägt, welche Ski man hat und vor allem – du bist der absolute Loser, wenn du keinen Helm trägst.

Die Winter unserer Kindheit haben sich in der Erinnerung längst verklärt.

Wenn ich heute Skifahren gehe, dann fahre ich auf einem einzigen weißen Kunstschneeband talwärts, meine Ski machen zwar quasi von alleine die Schwünge die ich will, aber Platz habe ich keinen mehr. Heute muss ich meinen Kindern einschärfen, aufzupassen. Auf ihre Ski vor den Hütten, auf ihre Sachen, auf sich selbst. Viel zu viele Menschen denken sie könnten Skifahren, und können es dennoch nicht – wie denn auch, wenn sie es nur einmal im Jahr für ein paar Tage machen. Heute, wenn ich mit dem Schlepplift den kleinen Berg hinauf fahre, der Traktor neben mir das Feld mistet und die Spaziergänger die Wege bevölkern, dann denke ich mir schon, warum können wir nicht einfach das ganze Jahr über wandern. Wäre doch auch schön und viel weniger helmpflichtig.

Die Wahrheit aber ist, meine Kinder konnten schon Skifahren, als wir so viel Schnee hatten, dass wir unsere Straße mit den Ski hinuntergefahren sind (2012?). In meiner ganzen Kindheit gab es genau einmal so viel Schnee, dass er bis zum Küchenfenster reichte (1985?). Unsere schwedischen Freunde kommen immer noch, aber inzwischen, weil bei uns immer so schön die Sonne scheint – und bei ihnen ist es um diese Jahreszeit hauptsächlich dunkel. Die Nächtigungszahlen steigen oder sind wenigstens konstant gut und Schwankungen gab es immer schon. Nur die Erinnerung ist ein trügerisches Geschöpf, das uns Winter voller Schnee und günstiger Schikarten vorgaukelt. Die Wahrheit aber ist eine vergessene, andere.

Anja Kofler leitet die Lienzer Stadtbücherei und arbeitet als freie Journalistin für dolomitenstadt.at. Zu unserem Podcast steuert sie regelmäßig unterhaltsame Interviews und Audiobeiträge über die Abenteuerlust und das Lesen bei.

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