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Für einen Augenblick erwachte in Lienz die Kunst

Szenegefühl bei der Vernissage zur Ausstellung "Hin und Retour 2". Die Schau ist sehenswert.

Geht man nach dem Andrang, dann war der 25. August ein Feiertag im Lienzer Kulturkalender. Selten hat man in letzter Zeit so viele kunstinteressierte Menschen auf einem Haufen gesehen und für einige Augenblicke hatte man sogar das Gefühl, dass tatsächlich so etwas wie eine „Kunstszene“ in dieser Stadt existiert. Schon allein für diesen genussvollen Moment kreativer Bewegtheit gebührt den Machern der Ausstellung „Hin und Retour 2“ ein Dankeschön.

In der Spitalskirche stand das Publikum bei der Vernissage Schulter an Schulter und hatte über das gezeigte Patchwork an künstlerischen Aus- und Eindrücken so viel zu reden, dass die Musiker zweimal ansetzen mussten, um sich Gehör zu verschaffen. Was sich lohnte. Robert Wolf (Flöte), Romed Wieser (Cello) und Agnes Wolf (Klavier) liefen vor allem bei einer Klangexplosion von Bernhard Gander zur Hochform auf und erhielten für die herrlich schräge Performance viel Applaus.

Uwe Ladstädter, Urgestein der Lienzer Kulturlandschaft und amtierender Obmann des Kulturausschusses brachte dann auf den Punkt, was der Wermutstropfen in diesem bunten Kunst-Cocktail war: All die Arbeiten an den Wänden der Spitalskirche und des ausrangierten Postamtes stammen von Künstlerinnen und Künstlern, „die den Bezirk verlassen mussten, durften oder konnten.“ Vielleicht war es kein Zufall, dass die Bürgermeisterin der Stadt sich an diesem Abend von Ladstädter entschuldigen ließ und nicht das Mikrofon ergriff, obwohl sie längst im Publikum stand.

Vor zwanzig Jahren, als die erste Auflage von „Hin und Retour“ gezeigt wurde – auch damals schon organisiert unter tatkräftiger Mithilfe des Clubs der Osttiroler in Wien – hatte Lienz noch eine städtische Galerie und einen Kulturstadtrat. Abgeschafft wurde beides unter Elisabeth Blaniks Vorgänger Hannes Hibler. Nach der Ära der rührigen Kulturamtsleiterin Heidi Fast könnte der kommunale Impuls zur kulturellen Belebung der Stadt noch schwächer werden.

Umso erfrischender war der Vernissageabend von „Hin und Retour 2“, der seinem Motto nicht nur durch die Lienz-Wien-Beziehung gerecht wurde. Auch das Publikum wanderte hin und retour, nämlich von der Spitalskirche zum ehemaligen Postamt und wieder zurück. Dabei entpuppte sich die alte Post als genial geeigneter Ort für dieses Vorhaben. Bald wird dieses besondere Haus wieder Baustelle sein und darauf warten, ein Einkaufscenter und Hotel zu werden. Doch für ein paar Tage ist es nun Kunstschauplatz mit geradezu urbanem Flair.

Wie schnell doch aus einer deprimierenden Schalterhalle eine Bühne für schräge, provozierende, lustige, nachdenklich stimmende, schöne oder auch unbegreifliche  Kunst werden kann. Schon vor dem Schulbeginn, am 9. September, wird der Zauber im Ex-Postamt und der Spitalskirche vorbei sein. Die Künstlerinnen und Künstler sind dann mit ihren Arbeit wieder retour in der Großstadt. Wer ihnen zumindest in Gedanken folgen und sich auf eine kreative Spurensuche begeben möchte, sollte die Ausstellung unbedingt besuchen.

Gerade weil man das Gefühl hat, hier wurde ohne allzu viel fachliches Nachdenken, fast hemdsärmelig ein verblüffend breites Sammelsurium moderner Kunst an alle verfügbaren Wände gehängt, ist die Ausstellung perfekt geeignet, um unvoreingenommen und vorurteilsfrei einfach nur Kreativität zu genießen. Woher auch immer sie kommt.

Slideshow: Dolomitenstadt/Valeria Brunner
Gerhard Pirkner ist Herausgeber und Chefredakteur von „Dolomitenstadt“. Der promovierte Politologe und Kommunikationswissenschafter arbeitete Jahrzehnte als Kommunikationsberater in Salzburg, Wien und München, bevor er mit seiner Familie im Jahr 2000 nach Lienz zurückkehrte und dort 2010 „Dolomitenstadt“ ins Leben rief.

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