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Foto: istock/Sepp Friedhuber

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Klimaerwärmung: Ist es wirklich schon so spät?

Ein Meinungsbeitrag von Stephan Troyer zum Jahrestag des Pariser Klimaabkommens.

Vor genau einem Jahr, am 4. November 2016, trat das Pariser Klimaabkommen in Kraft. Während die Problematik kurze Zeit später wieder aus den Köpfen der meisten Menschen (Politiker inklusive) verflogen ist, ist die Bedrohung immanenter denn je. Vor wenigen Tagen wurde der alljährliche Treibhausgasbericht veröffentlicht; während ein neues Rekordhoch an CO₂ in unserer Atmosphäre zum jährlichen Usus gehört, wurde nun auch ein weiterer Rekord gebrochen: Noch nie seit Anbeginn der Erde (zumindest in der Form wie wir sie uns vorstellen können) ist die jährliche Erhöhung der Konzentration so stark angewachsen. Mit von der Partie waren diesmal allerdings auch schon verstärkt Effekte, die wir durch unseren Ausstoß der letzten 50 Jahre selbst verursacht haben. Es ist wichtig zu begreifen, dass wir die Auswirkungen unseres globalen Handelns erst mit sehr viel Verzögerung spüren werden. Selbst wenn wir vielleicht merken, dass wir gerade auf eine Wand zulaufen, entgeht uns somit, dass wir dabei immer schneller werden. Um auf Paris zurückzukommen, das Zeitfenster um nur mit starken Schrammen davonzukommen, schließt sich langsam. Schrammen sind dabei aber zu relativieren, denn selbst die angepeilten 2°C Temperaturzuwachs (welche wir mittlerweile mit den durch Paris beschlossenen Maßnahmen nicht mehr erreichen werden) werden katastrophale Auswirkungen haben. Abgesehen von intensiver auftretenden Klimakatastrophen (die sich zu einem kleinen Teil jetzt schon bemerkbar machen) lehrt uns ein Blick mehrere Millionen Jahre zurück in die Vergangenheit, zu einer Zeit, als das Feuer noch unentdeckt war und der Australopithecus am aufrechten Gang arbeitete, was diese Temperaturen langfristig bedeuten: Mag das Abschmelzen der Polkappen wie eine Randnotiz im Geografiebuch klingen, würde der dazugehörige Anstieg des Meeresspiegels über 20 Meter (kuriose Notiz am Rande: Alleine schon durch die Erwärmung des Wassers selbst vergrößert sich das davon benötigte Volumen und somit die Höhe bedeutsam) dafür sorgen, dass einerseits ganze Städte wie New York und Barcelona (für Paris und London fehlten dann höhenmäßig nur noch 16 weitere Meter) und andererseits große Teile von Ländern wie Bangladesch einfach unter Wasser stünden. Um das Abschmelzen des Eises festzustellen, muss man allerdings gar nicht so weit reisen, denn auch in Österreich haben wir genügend Beispiele. Hat man sich schon an die schlechten Nachrichten der jährlichen Gletscherberichte gewohnt, hat es heute bei genauerem Hinsehen eine neue Meldung zur Pasterze in die Medien geschafft. Deren Fazit: Falls der Gletscher weiterhin in diesem Tempo weiter schmilzt, wird die letztes Jahr noch acht Kilometer lange Gletscherzunge in 40 Jahren verschwunden sein. So dramatisch das klingt, eine immer noch zu optimistische Schätzung, wie ich glaube. Zu spüren ist die Klimaerwärmung in den Alpen aber auch andernorts, wie die Felsbrüche in der Schweiz oder zuletzt auch in Salzburg mit Gestein in der Größenordnung von Hunderttausend bis Millionen Tonnen gezeigt haben. Dabei gilt zu berücksichtigen, dass die Klimaerwärmung in den Bergen der Alpen weniger verzögert als anderswo in Europa, etwa zuhause, abläuft, sodass es sich bei solchen Ereignissen um eine Art Vorboten handelt. Während sich bei uns die Auswirkungen des Klimawandels noch vergleichsweise in Grenzen halten, entfaltet er in einigen ärmeren Regionen der Welt bereits seine volle Wirkung. Aufgrund von anhaltender Dürre oder Landverlust durch den Anstieg des Meeresspiegels, um nur zwei Beispiele zu nennen, werden so zunehmend ganze Gemeinden in die Flucht geschlagen. Natürlich können wir die Schuld den 250 Konzernen geben, die weltweit ein Drittel des CO₂-Ausstoßes verursachen und von denen der Großteil gar nicht daran interessiert ist, überhaupt über eine (auch nach dem Pariser Abkommen notwendige) Reduktion nachzudenken. Ebenso können wir meinen, dass es völlig realitätsfern ist, von heute auf morgen auf unsere Autos und überflüssige Konsumprodukte zu verzichten. Das sind aber auch nicht die einzigen Bereiche, in denen wir unser Handeln hinterfragen sollten. Es bedarf viel mehr einer breiteren gesellschaftlichen Veränderung, bis hin zu unserem Politikverständnis. Denn bei vielen Handlungen zählen die kurzfristigen Erfolge, ungeachtet der längerfristigen Auswirkungen und Zusammenhänge. Ein Beispiel dafür ist, dass Jahr für Jahr immer noch viel zu viele natürliche Flächen mit Asphalt, Beton und Gebäuden versiegelt werden, während es in Österreich leerstehende und ungenutzte Gebäude mit einer Fläche fast doppelt so groß wie Wien gibt. Da dies zunehmend in Gefahrengebieten geschieht, muss weiter verbaut werden. Auch außerhalb von Gebieten erhöhter Hochwasser- und Murengefahr steigt dadurch etwa die Hochwassergefahr, während – Detail am Rande – auch wieder weniger CO₂ gespeichert oder gar abgebaut werden kann. Allgemein gesprochen führt die steigende Temperatur zu Effekten, welche wiederum ganz ohne menschliches Zutun verstärkt Treibhausgase freisetzen. Ein Beispiel dafür sind die riesigen natürlichen Methan-Vorkommen (reines Methan ist so klimaschädigend, dass selbst die Verbrennung zu CO₂ und anschließende Freisetzung davon etwa 20 Mal umweltfreundlicher wäre), welche durch das Auftauen des Permafrostbodens freigesetzt werden. Ein noch gewaltigeres Beispiel sind die Ozeane, da das Wasser bisher etwa ein Viertel unseres CO₂-Ausstoßes unter Versauerung aufgenommen hat. Nun sind allmählich aber auch diese Speicher voll. Eine Erhöhung der Temperatur führt zusätzlich noch dazu, dass die Speicherfähigkeit abnimmt und so ein Teil unserer „Altlasten“ wieder freigesetzt wird. In dieser Richtung bleibt nur auf ähnliche Regulationsmechanismen unserer Erde zu hoffen, die stabilisierend wirken, wenngleich auch vermutlich auf einem Niveau deutlich oberhalb unseres 2°C-Ziels (mit dementsprechenden Auswirkungen). Selbst darauf wage ich allerdings nicht zu spekulieren, wobei für Spekulationen ohnehin zu viel auf dem Spiel steht. Wir werden sehr (und vor allem mehr) darauf Acht geben müssen, dass uns die Situation mittelfristig nicht aus dem Ruder läuft.
Stephan Troyer stammt aus Osttirol. Derzeit studiert er in Wien Physik, Astronomie und Meteorologie.

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