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Gin aus Osttirol

In Osttirols Bergen wird guter Schnaps gebrannt, viele Auszeichnungen bezeugen das. Weit über die Grenzen bekannt ist der Pregler, seit Generationen eine Spezialität der heimischen Brenner. Aber gibt es nicht noch mehr? Doch! Gin.

Lange Zeit war Gin vor allem eines: Medizin gegen Schnupfen und Gicht. Aber auch ein Getränk armer Leute. Besonders in Großbritannien hat er eine lange Tradition. Als Wilhelm III von Oranien-Nassau 1689 auf der Insel zum König gekrönt wurde, brachte er aus den Niederlanden das Getränk mit. Innerhalb kürzester Zeit erlebte der Wacholderschnaps eine wahre Blüte und mit der Erschließung von Anbaugebieten in Nordamerika wurde auch die Produktion rasch billiger. Der Gin wurde somit das Getränk der ärmeren Schicht. Bereits 1791 wurden dann durch den sogenannten „Gin Act“ Qualität und Herstellung reguliert und der Schnaps schaffte so den Sprung in die Oberschicht.

Spätestens seit diesem Zeitpunkt etablierte sich das glasklare Destillat als fixer Bestandteil des britischen Establishments, der Pubs und später auch der Feierabendkultur. In einem Song von Billy Joel von 1973 findet das seinen Widerhall: „It’s nine o’clock ona Saturday. The regular crowd shuffles in. There’s an old man sitting next to me. Makin’ love to his tonic and Gin…“ (Billy Joel, Piano Man) Aber was ist dran an diesem sehr speziellen Getränk, das die meisten von uns als Mixgetränk konsumieren?

Hauptsächlich ist Gin ein Kornschnaps, manchmal auch aus Mais gebrannt. Seinen charakteristischen Geschmack erhält er aber durch den Zusatz von Wacholder und anderen Gewürzen und Kräutern. So unterschiedlich wie die Geschmäcker der Fachleute ist auch das Endprodukt. Bestandteile von Gin können etwa Koriander, Ingwer, Muskat oder Orangenschalen sein, sie sind aber nicht fix reguliert und so bleibt es völlig dem Geschmack des Brennmeisters überlassen, welche Zutaten in den Gin wandern.

„Einen Gin Tonic bitte.“ Früher war das eine klare Ansage, heute ist diese Bestellung oft der Beginn eines Beratungsgesprächs, das durchaus ausufern kann. Welchen Gin? Welches Tonic? Mit Eis, oder ohne? Mit Zitrone oder besser mit Orangenschale? Der Genuss kommt dennoch nicht zu kurz. Im Gegenteil.

Auch in Osttirol gibt es vier Ginbrenner. Alleine diese vier aus derselben Region stammenden Fachleute schaffen es Destillate herzustellen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, und doch ist es immer Gin. Wie ist das möglich? Ganz einfach. Das Grunddestillat ist immer gleich, nur die Zusätze sind unterschiedlich. Und das schmeckt man. Auf dem breiten Markt für Gin-Liebhaber gibt es Gins, die sogar mit Einhorntränen werben. Soweit ist es in Osttirol zwar noch nicht, aber die Destillate sind von herausragender Qualität und behaupten sich gut im internationalen Wettbewerbsfeld.

Die Brenner

Heimo Macher brennt seit 1995 in seiner Gewerbebrennerei im Defereggental die unterschiedlichsten Spezialitäten, wie Pregler, Apfelbrand, Enzianschnaps – und seit 2014 eben auch Gin. Auf die Idee dazu kam er, weil er als Hotelier den Trend spürte und als Koch sicher war, die richtige Mischung an Gewürzen und Zusätzen herauszufinden. „Wir haben Wacholderbeeren und viele Zutaten direkt hier bei uns in der Natur und deshalb passt Gin perfekt in unsere Gegend“, so Macher. Gesagt, getan. Seither ist sein Gin bei Einheimischen und Gästen gleichermaßen beliebt. Machers Vertriebsphilosophie ist so ausgelegt, dass er seine edlen Brände nicht überall platzieren möchte. Er verkauft bewusst nur ab Hof, in seinem Hotel und über seine Homepage. Auf die Frage, welches Tonic er empfehlen würde, als perfekte Kombination zum MacGin, meint er bloß: „Für meinen Geschmack ist er pur am besten. Ich trinke ein Tonic höchstens separat dazu, aber das kann freilich jeder für sich selbst entscheiden!“

Johanna Kuenz freut sich, dass Gin das erste eigenständige Produkt der jungen, mittlerweile zwölften Generation am Kuenzhof ist. Gebrannt wird in der Familie professionell bereits seit 1998, aber Gin kam erst 2015 in die Produktpalette. „Wir wollten einfach etwas Neues machen, etwas, das zeigt, die Jungen haben auch gute Ideen!“ Ein positiver Nebenaspekt war auch, dass man bei der Herstellung von Gin unabhängig von Erntezeit und Obstmenge ist. So kann die Brennerei auch in sonst ruhigen Zeiten besser ausgelastet werden. Auf die Frage, warum ihr Produkt gerade Roter Turm heißt, kommt die Antwort genauso schnell wie plausibel: „Der Rote Turm (Anm.: ein Berggipfel) begrüßt uns jeden Morgen, wenn wir von unserem Hof in die Dolomiten schauen, er ist so markant und steht für unsere Region, für uns und für unsere Herkunft!“ Ein Jahr lang haben die jungen Kuenz-Brenner am perfekten Rezept getüftelt und mit etwas Vogelbeer, Enzian und Meisterwurz eine ausgezeichnete Mischung gefunden. Sie empfehlen klar das Tonic Water von Thomas Henry, weil es klassisch sei, ohne zu starken Eigengeschmack und so auch den des Gins nicht überdecke.

Heimo Macher: „Wir haben viele Zutaten hier bei uns in der Natur. Gin passt perfekt in unsere Gegend.“
Die 12. Generation - Johannes (links) und Florian Kuenz beweisen: „Die Jungen haben auch gute Ideen!“
Rudolf Schwarzer, der Ginpionier in Osttirol: „Meine Tochter hat mich dazu gedrängt, Gin zu brennen.“
Die Iseltaler: Brenner Josef Berger beim Fachsimpeln mit Marcel K. Steiner (links) und Michael Obwexer.

Rudi Schwarzer ist ein alter Hase, was Gin angeht, die Familie betreibt in Lienz seit 1923 eine Brennerei und seinen Tschin ohne Namen gibt es bereits seit 2014. „Wir waren mit Macher in St. Jakob in Osttirol die ersten. Erst meine Tochter hat mich dazu gedrängt, Gin zu brennen. Sie studiert in Wien und lag mir jahrelang damit in den Ohren. Sie hat dann auch das Etikett designt.“ Die Besonderheit dieses puren und unfiltrierten Gins sei die ungeheure Vielfalt an Kräutern, die er enthält, wobei Rosmarin und Lavendel eine spezielle Note geben. In Verbindung mit einem möglichst neutralen Tonic, wie etwa Thomas Henry oder Fentimans wird der Brand leicht bläulich, obwohl Schwarzer eher dazu tendiert, seinen Gin pur zu empfehlen. Zu Weihnachten bringt Rudi Schwarzer übrigens einen Sloe-Gin, aus Schlehen gebrannt, auf den Markt. „Wir haben auch einen Bio-Gin in Produktion, da warten wir nur noch auf ein Zertifikat!“

Marcel K. Steiner legt bei seinem Isel°Gin großen Wert darauf, dass er von Anfang bis Ende handgemacht ist. „Wir arbeiten mit einem sehr erfahrenen Brenner zusammen, der selbst Qualitätsfanatiker ist. Beim Brennvorgang gibt es nichts, das nicht von Hand erledigt wird, vom Einheizen über die Temperaturkontrolle bis zum Destillat, alles echte Handarbeit!“ Der Brenner Josef Berger – vulgo Innerjörgler – ist auch verantwortlich für eine Reihe weiterer Schnäpse in den wohl sortierten Bars der beiden Gastronomen Marcel K. Steiner und Michael Obwexer, die zwar erst seit Frühjahr 2017 Gin selbst herstellen, aber eine beachtliche Sammlung der verschiedensten Gins – über sechzig Stück – ihr Eigen nennen. Aus dieser Sammelleidenschaft entstand dann auch die Idee, ein eigenes Produkt zu entwickeln, das alpin-mediterran sein sollte und die Noten von Zirbe, Bergthymian und Preiselbeeren besonders hervorhebt.

„Wir brennen nur in kleinen Mengen, sind aber sehr erfolgreich damit und inzwischen in der österreichischen Spitzengastronomie angekommen“, so Steiner. Er empfiehlt das ebenfalls sehr intensive florale Fever Tree Tonic zum Isel°Gin.

Die Verkostung

Anfang Oktober. Am Südtiroler Platz in Lienz trifft sich eine Gruppe motivierter Menschen mit einem Spezialauftrag von Dolomitenstadt: Wir sollen die vier Osttiroler Gins unter die Lupe nehmen und „blind“ verkosten. Kleine Notizblöcke werden verteilt. Niemand weiß, welche Sorte in welchem Glas ist. Die Gastgeber Laura und Andreas Unterweger kennt man als kulinarischer Insider aus dem Drauparkcafé, heute sitzen wir in ihrem neuen Lokal „Garage“. „Wir bieten Gin an, aber ein richtiger Kenner bin ich nicht. Vielleicht ändert sich das heute“, lacht Andreas Unterweger.

Beim ersten Kennenlernen der Gin-Verkoster stellt sich schnell heraus, dass niemand in der Gruppe ein wirklicher Experte ist und so wird recht locker das gemeinsame Halbwissen erörtert, wobei ich ein bisschen im Vorteil bin, weil ich wenigstens schon in Vorbereitung auf den Artikel einiges zum Thema gelesen habe. Nachdem alle Flaschen auf dem Tisch stehen und Laura perfekte Schwenker gebracht hat, ist die große Frage natürlich, trinken wir jetzt den ganzen Schnaps wirklich? Schnell wird klar, dass das wohl unsere Kapazitäten nachmittags um drei stark überschreiten würde. Also holen Andreas und Laura noch eine große Karaffe Wasser und einen Bottich – falls jemand die Kostproben ausspucken möchte. Wir wollen das ganz professionell angehen, wie die Weinkenner. Kurz überlege ich, ob ich nach Salzstangen oder Weißbrot fragen soll, lasse es dann aber doch bleiben. Ich möchte nicht zu spießig wirken. Auch die Frage, ob wir das jetzt pur oder mit Tonic probieren, ist schnell geklärt. Natürlich ohne, weil wir Sorge haben, Tonic könnte unsere Geschmacksknospen verwirren.

Im „Garage“ am Südtirolerplatz in Lienz trifft sich eine illustre Runde zum Gintest am Nachmittag. Es ist unsere erste Verkostung – ein klarer Genuss mit Spaßfaktor! Von links: Barbara, Anja, Renate, Christian – und die Gastgeber Laura und Andreas.

Also los geht’s. Erste Blindverkostung. Gin. Naja, Gin halt. Doch nach und nach kommen die verschiedenen Nuancen heraus und die Erkenntnis: Wir können etwas schmecken! Die Tester fangen an, unterschiedliche Begriffe zu nennen, wie Nadelwald, oder „ist eher scharf“, „vielleicht doch zitronig“? Alles aufschreiben, penibel jeden Gedanken notieren. Oh je, versehentlich habe ich den ersten Gin jetzt doch getrunken, gänzlich. Ich sehe meiner Co-Testerin Barbara an, dass es ihr ähnlich geht – und die anderen scheinen unseren gemeinsamen Vorsatz, hier jetzt KEIN Gelage zu starten, vor lauter Gin-Verkostungs-Euphorie auch über Bord geworfen zu haben. Ein großer Schluck Wasser, Salzstangen wären jetzt doch prima, und auf zum nächsten Gin.

Er ist anders, milder irgendwie und viel – na viel – wie soll man das sagen, ... mädchenhafter. Weicher, weniger scharf und orangiger … Das ist jetzt sicher kein Fachbegriff denke ich noch, notiere es aber trotzdem. Am Ende wird sich herausstellen, es ist doch ein guter Begriff, denn alle haben ihn verwendet. Diesmal trinke ich den Gin nicht, sondern halte mich an mein mir selbst gegebenes Versprechen, irgendwann muss ich ja auch wieder heimfahren. Mit dem Auto. Miriam, unsere Fotografin, erzählt bei einer Probe, dass der Brenner ihr verraten habe, er würde Koriander hinzufügen. Und auf einmal, einfach so, konnten wir genau Koriander herausschmecken. Was für großes Nicken – AHA! – und viel Gelächter sorgt. Wir haben offensichtlich Talent als Verkoster, vielleicht haben wir da aber auch schon etwas zuviel probiert … Es war ein schöner Nachmittag in einem tollen Lokal mit hervorragenden Gastgebern, Mitverkostern, Freunden und Gin. Viel besser könnte unsere erste Osttiroler Ginverkostung nicht gelaufen sein.

Anja Kofler leitet die Lienzer Stadtbücherei und arbeitet als freie Journalistin für dolomitenstadt.at. Zu unserem Podcast steuert sie regelmäßig unterhaltsame Interviews und Audiobeiträge über die Abenteuerlust und das Lesen bei.

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