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„Weitermachen und nach vorne schauen!“

Eine Beraterin und zwei Jugendliche sprechen über Arbeitslosigkeit in Osttirol.

Sandra Gliber berät jugendliche Arbeitslose – und ist selbst noch jung. Wir treffen uns zum Interview beim Arbeitsmarktservice in Lienz. Der AMS-Eingangsbereich ist offen und freundlich, die Atmosphäre entspannt und locker. 82 Jugendliche zwischen 15 und 19 Jahren betreut Sandra Gliber derzeit, 75 von ihnen suchen eine Lehrstelle. „Das ist ein großer Rückgang“, sagt sie und wirkt zufrieden mit dem Stand der Dinge. Es habe schon schlechtere Jahre gegeben. Derzeit gibt es 46 verfügbare Lehrstellen im Bezirk Lienz, Tendenz steigend. Das Phänomen, dass Jugendliche einerseits arbeitslos sind, aber andererseits in vielen Branchen händeringend nach Arbeitskräften und Lehrlingen gesucht wird, erklärt die junge Expertin so: „Die Interessen, Eignungen und Neigungen jedes Einzelnen sind unterschiedlich. Wir versuchen auf die individuellen Talente und Eigenschaften der jungen Menschen einzugehen, um für sie den bestmöglichen Arbeitsplatz zu finden.“ Geburtenschwache Jahrgänge spielen auch eine Rolle. Die Demografie trage dazu bei, dass in der Handelsschule und der Hotelfachschule ganze Jahrgänge ausfallen.
Beim AMS in Lienz weihnachtet es. Das schönste Geschenk für rund 80 Jugendliche im Bezirk wäre ein Arbeitsplatz.
Sandra Gliber versichert mir, dass es den Teenagern nicht an Motivation mangelt. Allerdings sei in Osttirol ein Arbeitsplatz im Wunschberuf oft schwer zu finden, der Trend gehe daher eher in Richtung Schulen – etwa die LLA – die eine gute Vorbereitung und Basis für eine Lehrausbildung und das Arbeitsleben bilden. „Mir ist zudem aufgefallen, dass sich viele Jugendliche eher an Freunden als an den eigenen Interessen orientieren", erzählt Sandra Gliber, „dabei ist es immer besser, sich selbst zu fragen, was man machen und erreichen möchte." Das Berufsinformationszentrum (BIZ) in Lienz bietet Interessensberatung und Neigungstests an. Die Jugendberatung unterstützt die jungen Menschen bei der Lehrstellensuche. Diese wird vom AMS finanziert und die Teenager sind über die Beratungsstelle versichert. Maximal zehn Monate können sie in dieser Einrichtung verweilen, doch die meisten finden schon viel früher einen Lehrplatz. Kaum verändert haben sich die Vorlieben bei der Jobsuche. Noch immer wollen die meisten Mädchen in den Einzelhandel, als Bürokauffrau oder als Friseurin arbeiten, „aber das Interesse an handwerklichen Berufen wächst bei jungen Frauen deutlich“, erzählt die Beraterin. Auch die Jungs bleiben klassisch, sie sind vorwiegend fokussiert auf Metalltechnik, Elektrotechnik und Kraftfahrzeugtechnik.
Nach wie vor unter den Top-3-Berufswünschen bei Mädchen: Ein Job im Einzelhandel. Foto: iStock/Ikonoklast
Angesagt ist auch die Matura. „Es gibt viele Jugendliche, die keine höhere Schule anstreben, aber dennoch nicht auf die Reife- und Diplomprüfung verzichten wollen“, erklärt Sandra Gliber und unterstreicht mit einem Lächeln: „Man kommt über jede Ausbildung zu seinem Wunschabschluss, sei es eine Fachschule, Lehre oder die Matura, die man durch eine weiterführende höhere Schule, in Kombination mit einer Lehre oder in einem Abendkurs absolvieren kann. Auch Studienberechtigungsprüfungen sind kein Problem. Wer ein Ziel hat und es im Auge behält, schafft das.“
Die Beraterin und zwei ihrer jungen Klienten – Sandra Gliber (Mitte) mit Dominik und Michelle, die beide auf Jobsuche sind. Foto: Dolomitenstadt/Girstmair
Nach diesen aufmunternden Worten führe ich noch Blitzinterviews mit zwei Jugendlichen, die bereit sind, das Thema aus ihrer persönlichen Sicht zu beleuchten. Dominik ist fünfzehn Jahre jung und hat im Juli die Pflichtschule abgeschlossen. Die gestartete Kochlehre überzeugte ihn nicht, jetzt sucht er eine Lehrstelle als Einzelhandelskaufmann, im Idealfall im Bereich Elektronik. Auch Medien interessieren ihn. „Ich würde gerne in Lienz bleiben, wäre aber auch nicht abgeneigt, auswärts zu gehen“, betont Dominik. Seiner Meinung nach gibt es für handwerklich begeisterte Jugendliche vor Ort sehr gute Chancen, aber für elektrotechnische Bereiche oder Medien würden größere Städte einfach bessere Möglichkeiten bieten. Wieso haben manche Jugendliche heutzutage keine Lust mehr auf Arbeit und Weiterbildung, frage ich ihn? Dominik findet, dass die Sozialen Medien den Teenagern vorgaukeln, dass man mit dem Posten von Bildern leicht und schnell Geld verdienen kann. Dabei hätten auch die meisten Stars der Szene vor ihrer Karriere einen „normalen“ Beruf ausgeübt und seien nicht durch das Internet gleich im Geld geschwommen. Zum Abschluss möchte ich von ihm wissen, was ihm Sorgen bereitet, wenn er an seine zukünftige Laufbahn denkt. Dominik sagt: „Am meisten Sorgen mache ich mir, wenn ich die Lehre abgeschlossen habe, mein Beruf nicht mehr gefragt ist und ich keine Stelle finde.“ Er wünscht sich für seine Zukunft nämlich einen guten Lehrabschluss, einen sicheren Job, ein Haus und Familie. Meine zweite Interviewpartnerin heißt Michelle. Sie ist sechzehn Jahre jung und sucht ebenfalls seit Juli eine Lehrstelle – am liebsten als Holztechnikerin oder Malerin. „Mich fasziniert die Vielseitigkeit von Holz und das Arbeiten mit Farben. Ich brauche Beschäftigung mit körperlicher Bewegung, das ist mir sehr wichtig“, betont sie. Sie hatte eine Malerlehre schon fast in der Tasche, als der Betrieb aufgrund interner Veränderungen kurzfristig absagte. Michelle sucht unermüdlich weiter und wäre auch bereit, aus Lienz fortzugehen. „Für mein Ziel, eine gute Lehrstelle zu finden, mache ich alles, auch wenn ich sehr sehr gerne daheim bin, denn daheim ist es nun mal am schönsten.“ Man spürt den Enthusiasmus der jungen Frau, die mir aber offen auch von Ängsten und negativen Erfahrungen in der Schule erzählt. Manchmal hat sie ein mulmiges Gefühl bei der Lehrstellensuche. „Die Angst macht Vieles kaputt.“ Aber Michelle gibt sich kämpferisch: „Ich möchte eine gute Ausbildungsstelle und mich nicht von Gefühlen leiten lassen.“ Was rät sie Jugendlichen in einer ähnlichen Situation? „Durchziehen. Auch wenn es nicht leicht ist oder man Angst hat. Vor allem bei negativen Rückmeldungen ist es wichtig, nicht aufzugeben! Weitermachen und nach vorne schauen – nur das zählt!“

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