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Oliver Deutsch: „Mir fehlt nur der Sessel beim Essen!”

Unser Radreisender änderte seine Pläne und machte einen Abstecher nach Albanien.

Vor einigen Tagen trudelten per WhatsApp endlich wieder Fotos von Oliver Deutsch in der Redaktion ein. Wir mussten länger als geplant darauf warten, denn unser Radreisender hatte seine Pläne geändert und sich zu einem spontanen Abstecher nach Albanien entschlossen, ein Land mit saftigen Roaminggebühren. Doch der Reihe nach. Für alle, die unsere Serie noch nicht kennen: Oliver Deutsch, Musiker und Koch aus Lavant in Osttirol, radelt ein Jahr lang rund um das Mittelmeer. Wir begleiten ihn auf seiner „Tour Mediterraneo“ mit einer Serie von Reportagen, für die uns Oliver Bilder und Reiseeindrücke liefert. Beim letzten Mal war er gerade unterwegs in Richtung Rom. Wie war es dort? „Hallo Leute, anfangen möchte ich dieses Mal mit einem Tipp für alle Wind- und Kitesurfer. Circa dreißig Autominuten nördlich von Rom liegt der Lago di Bracciano. Dort betreiben die Brüder Tommaso und Alfredo aus Rom den Kitesurfspot ‚Riva di Polline‘. Ein guter Ort zum Chillen und Surfen mit nicer Hintergrundmusik! Ich hab dort für eine Nacht mein Zelt aufgeschlagen. Sie waren sehr nett!“
Tommaso und  Alfredo betreiben am Lago di Bracciano einen Surfspot.
Oliver radelte schließlich weiter den italienische Stiefel hinunter, am Wochenende im Landesinneren, um dem Verkehr zu entgehen, unter der Woche entlang der Küste. Rom hat ihn aus Radlerperspektive nicht überzeugt: „Schmutzig, ein Ort geht in den anderen über, viel Verkehr. Ab Sabaudia radelt man dann aber durch eine sehr interessante und überraschend schöne Küstenlandschaft. Die Berge sind extrem trocken, es gibt Dünen, weite Sandstrände und viele Seen, in denen man leider nicht schwimmen darf. Ich mag das Meer, schwimme aber lieber in einem See.“
Oliver macht eine Verschnaufpause in Sabaudia. Rom hat er hinter sich.
In der Vor- und Zwischensaison sei es hier noch gut auszuhalten, „in der Hauptsaison möchte ich allerdings nicht in der Gegend sein. Laut, überfüllt und alles überteuert.” Also zog es unseren Radwanderer weiter in den Süden, auf zunehmend schlechter werdenden Straßen und durch „teilweise haarsträubende Dörfer, Müll, illegale Prostitution, streunende Hunde!” Doch dann: eine Oase! „Das muss ein Wink Gottes gewesen sein, dass ich dort stehengeblieben bin. Kurz vor Pozzuoli machte ich auf einem kleinen, ruhigen Campingplatz halt ... mit Therme! Nach hundert Kilometern auf dem Rad ein Paradies!“
Pyramide in Sperlonga
Oliver in Herculaneum
Straßenecke in Neapel
Blick auf die Amalfiküste
Kleiner Fischmarkt in Neapel
Gut erholt erreichte Oliver Anfang Juni ein großes Etappenziel: Neapel mit Pompeji, dem Vesuv, Herculaneum und der legendären Amalfiküste – eine Radtour wert? „Die Gegend ist teilweise chaotisch und verrückt, aber auch inspirierend und spektakulär! Ein Highlight! Wer mich kennt hat schon vorher gewusst, dass es mir hier gefällt. Ich weiß nicht, was sehenswerter ist, Herculaneum oder Pompeji. Auf jeden Fall ist Herculaneum besser erhalten. Aber es gibt hier so viel zu sehen. Und jaaaa – im Süden gibt es die besten Pizzen und den besten Büffelmozarella!” Was man laut Oliver nicht unbedingt machen muss: mit dem Rad durch Neapel fahren. „Wichtig dabei: Die Augen überall haben und das Hupen ignorieren!“

Nur nichts übereilen. Lieber in aller Ruhe in der Bar um die Ecke einen Cappuccino und ein Brioche genießen, bevor eine neue Radetappe startet.
Mit anderen Plänen im Kopf entschloss sich unser Radler, nicht noch weiter in den Süden zu strampeln, sondern mit dem Bus auf die Ostseite des italienischen Stiefels zu wechseln, nach Bari. „Zugfahren ist zu teuer, dauert zu lange und ist mit einem Rad nicht einfach. Der Bus fährt drei Stunden und kostet inklusive Rad 19 Euro.“ Ein paar Tage in Bari und den Umlandgemeinden vergingen wie im Flug und brachten ein kulturelles Highlight: „Glück muss man haben, eine Ausstellung von Joan Miro – einem meiner Lieblingskünstler – in Monopoli. Das Umland von Alberobello ist sehr trocken und heiß. Geprägt von Steinmauern, Steinhäusern, Oliven- und Kirschbäumen.“
Uralte Olivenbäume prägen die Gegend um Alberobello.
Steinhäuser (Trulli) bei Locorotondo.
In der Altstadt von Alberobello besann sich Oliver plötzlich seiner beruflichen Qualitäten: „Ich hab versucht, mit einigen Omas Orecchiette zu machen. Nicht ganz einfach!“ Alles in allem ist Oliver vom Hinterland von Neapel und Bari schwer begeistert, es sei der beste Teil der bisherigen Reiseroute gewesen, schreibt er uns. Und wie waren die Quartiere? „Ich bin kein großer Fan von Hostels, aber um wieder mal selbst zu kochen und in einem Bett zu schlafen ist es schon gut. Ab und zu lernt man auch nette Leute kennen. Im Großen und Ganzen bin ich aber lieber im Zelt. Das einzige was mir da abgeht, ist ein Sessel beim Essen!“
Ein letzter Blick auf Bari vor der Überfahrt nach Albanien.
Oliver ist ein Spontanreisender. Er hat zwar einen ungefähren Plan, ist aber jederzeit für eine spontane Änderung zu haben: „Das ist wichtig! Sonst verpasst man so einiges!“ Und so beschloss unser Pedalritter, nicht den Stiefel entlang wieder nach Norden zu radeln, sondern kaufte spontan ein Ticket nach Durrës. Albanien! Und, war es die richtige Entscheidung? „Was soll ich sagen. Ich war drei Wochen dort. Am besten, man checkt zuerst alles in Tirana und dann schnell raus aus der Stadt, dabei immer aufpassen auf Ziegen- und Schafherden und auf Kanallöcher – die haben nicht immer einen Deckel. Auf dem Land hat man seine Ruhe. Ich musste mich erst an das Geld, die Sprache (mit Englisch kommt man nicht weit, besser ist Italienisch), die Straßen (noch schlechter als in Süditalien, auch gefährlicher) gewöhnen.“ Und noch etwas war gewöhnungsbedürftig: „Man hat nicht überall Internet. Schnell mal etwas auf dem Handy checken geht nicht. Interessant. Wie früher! Eine neue Herausforderung.“
Abseits der Hauptverkehrsrouten in Albanien.
Öffentliche Wasserstelle.
Schach mit alten Meistern in Berat.
Markttag!
Stone City Gjirokaster.
Land der Bunker. Hier sogar am Strand von Himar.
Man spürt die Armut.
Eine Partie Carcassonne im Hostel.
Außerhalb der Städte sei Albanien noch ziemlich wild und ursprünglich, erzählt uns Oliver, speziell in den Bergen. Er kam ordentlich ins Schwitzen: „Es war sehr heiß und gab wenig bis keinen Schatten auf den Straßen im Karst. Also darf man nicht vergessen, genug Wasser mitzunehmen. Es war aber endlich wieder möglich, wild zu Campen. In Süditalien hab ich das nie gemacht, in Albanien ist es sogar erlaubt. Alles kostet im übrigen nur noch die Hälfte. Ich bin mit 15 Euro am Tag gut über die Runden gekommen.“
Bei Melonenbauer Aron und seiner Frau findet Oliver ein Nachtquartier im fast fertigen Haus: „Es war fantastisch“.
Wildcamping nach einem harten Tag in der Gegend um Çepë.
Im Landesinneren sei überall spürbar, dass Albanien zu den ärmsten Ländern Europas gehöre, erzählt uns Oliver. Und noch etwas fiel ihm auf: „Es gibt auch in keinem Land mehr Bunker, nämlich 173.371!Es sind Überbleibsel aus dem Kalten Krieg. Wer keine Abenteuer und Überraschungen mag, sollte sich besser nur in den Touristenorten aufhalten. An der Küste ist die Infrastruktur etwas besser. Dafür dröhnen aus jeder Bar Euro-Dancebeats und Reggaetone-Musik – die schlechteste Musik, die es gibt!“ Und so radelte Oliver Deutsch weiter entlang der albanischen Riviera, nahm vor einigen Tagen in Durrës die Fähre zurück nach Italien und machte sich in Ancona auf den Weg nach Perugia. „Dort wartet mein nächstes Highlight: Das Umbria Jazzfestival!“ Und wieder einmal befällt uns in der Redaktion das Fernweh und ein leichtes Gefühl von Neid. Weiterhin gute Reise Oliver! Alle Stationen der Tour Mediterraneo!
Gerhard Pirkner ist Herausgeber und Chefredakteur von „Dolomitenstadt“. Der promovierte Politologe und Kommunikationswissenschafter arbeitete Jahrzehnte als Kommunikationsberater in Salzburg, Wien und München, bevor er mit seiner Familie im Jahr 2000 nach Lienz zurückkehrte und dort 2010 „Dolomitenstadt“ ins Leben rief.

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