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Osttiroler Bergbauern im Stress: „Lauf Resi, lauf!“

Die Hofer-Marke „Zurück zum Ursprung“ diktiert 365 Tage Auslauf für die Kuh.

Rund 120 Osttiroler Bergbauern, die ihre Höfe großteils in extremen Lagen bewirtschaften, sind derzeit auf Bioguru Werner Lampert nicht gut zu sprechen. Der bärtige Erfinder von „Ja natürlich“ und „Zurück zum Ursprung“ hat sich mit seiner Marketingfirma in den vergangenen Jahren als wichtige Instanz in Sachen Nachhaltigkeit positioniert. Was Lampert verkündet, gilt vor allem beim aufgeschlossenen urbanen Zielpublikum für biologische Produkte als Bergpredigt, auch wenn die echten Bergbauern damit keine Freude haben.

Aktuell sorgt ein Lampert-Credo für helle Aufregung: Milch, die unter der populären Hofer-Marke „Zurück zum Ursprung“ verkauft wird, muss künftig ausschließlich von Kühen stammen, die 365 Tage im Jahr Auslauf haben. Das bedingt entweder einen Laufstall, oder – bei sogenannter „Anbindehaltung“ – einen täglichen Spaziergang für das Rindvieh, der nur bei sehr extremen Wetterbedingungen ausfallen darf. In diesem Sommer wurde mit dem Programm „365 Tage Auslauf“ gestartet, nach dem kommenden Winter soll es evaluiert werden, meldet die Kommunikationsagentur von „Zurück zum Ursprung“ (kurz: ZzU).

Was braucht die Kuh? Werner Lampert sagt: „365 Tage Auslauf im Jahr“. Foto: Werner Lampert BeratungsgmbH

Für Klaus Unterweger, Altbürgermeister von Kals und Inhaber des Spöttlinghofs, ist das graue Theorie, erdacht fern der bergbäuerlichen Realität und für den Fortbestand der Almwirtschaft im Gebirge sogar eine Gefahr: „Kleine Bergbauern in Osttirol haben im Schnitt fünf bis sieben Kühe, die weiden 180 Tage auf Almen und verbringen die kalte Jahreszeit im Stall, in Anbindehaltung, aber natürlich unter tiergerechten Bedingungen mit mindestens zweimal Auslauf pro Woche.“ Auch Laufställe gebe es im Bezirk in fast jedem Dorf, aber primär in halbwegs ebenen Lagen.

Was braucht die Kuh? Bergbauer Alois Groder meint, genau die Pflege und Betreuung, die er seinen Tieren bietet, inklusive 180 Tage auf der Alm. Foto: Expa/Groder

„Am Steilhang ist für einen Laufstall einfach kein Platz, ganz zu schweigen von der Wirtschaftlichkeit, die bei fünf Kühen nicht gegeben ist“, erklärt Unterweger und erinnert sich an eine Begegnung mit Hofer-Guru Lampert in Tristach: „Das war vor ungefähr zwei Jahren. Da ist Lampert aufgetreten und hat uns erklärt, ‚Zurück zum Ursprung‘ sei ein Qualitätsprogramm, das ausschließlich auf die kleinteilige Landwirtschaft in den Berggebieten ausgerichtet sei und deren Gegebenheiten auch Rechnung trage.“ Nun würden die Kriterien immer schärfer und grenzten – welche Ironie – exakt jene Bergbauern aus, mit deren Bildern am Steilhang Werbung für die Marke gemacht werde.

„Für die Werbung hat man uns gebraucht“. Klaus Unterweger vermutet nicht Tierwohl sondern Marketing hinter dem Laufstall-Trend und fürchtet um die Zukunft der kleinen Bergbauern. Foto: Brunner Images

„Für die Werbung hat man uns gebraucht, jetzt ist die Marke eingeführt und da ist es dann einfacher, die Milch bei wenigen Großen anstatt bei vielen Kleinen einzusammeln“, meint Unterweger nicht ohne Bitterkeit. Eingesammelt wird vom Großkonzern Berglandmilch, der einst die Tirol Milch schluckte, die zuvor die Osttiroler Molkerei übernommen hatte. Laut Georg Lehner, Sprecher von Berglandmilch, zahlt der Konzern den Bauern für Biomilch aktuell 52 Cent, für „ZzU-Milch“ gibt es rund 54 Cent. Damit verlieren die heimischen Lieferanten also nicht mehr als zwei Cent pro Liter, wenn sie nicht mehr in Lamperts Schema passen. Doch die Sorge geht um, dass das nur der Anfang sein könnte.

Christian Moser vom Tiroler Rinderzuchtverband, der 6500 Mitglieder hat, fürchtet ein Übergreifen der Laufstall-Philosophie auf andere Marken. „Ja natürlich“ werbe bereits damit und letztlich könnte „Laufstallmilch“ für die gesamte Klassifizierung von Biomilch obligat werden. „Bei ‚Ja natürlich‘ gibt es bereits den Slogan ‚365 Tage Freilauf‘ und den besonderen Hinweis ‚keine Anbindehaltung‘. Außerdem wird betont, man sei ein großer Unterstützer der Nationalparkregion Hohe Tauern“, ärgert sich Moser und verweist auf einen Widerspruch: „Die Kulturlandschaft des Nationalparks kann ohne traditionelle Almwirtschaft nicht erhalten werden. Und genau diesen Bergbauern gräbt man nun das Wasser ab.“

Georg Lehner ist Sprecher der Berglandmilch und versteht die Aufregung nicht: „Als klar war, das nur wenige das in der Region umsetzen wollen, haben wir Lösungen gesucht und auch gefunden.“ Foto: Zittmayr-Stiftung

Ist Werner Lampert plötzlich der „Brandbeschleuniger für das Bergbauernsterben“, wie es ein Bauernfunktionär, der nicht genannt werden will, gegenüber dolomitenstadt.at markig formuliert? Bergland-Vermarkter Georg Lehner versteht die Aufregung nicht. Erst am 10. September sei man mit einer Informationskampagne in Osttirol gewesen und habe viel Zuspruch erhalten. „Das Thema Tierwohl steht ja wohl außer Streit und was gefragt ist, entscheidet der Konsument. Das sind 365 Tage Auslauf. Als klar war, das nur wenige das in der Region umsetzen wollen, haben wir Lösungen gesucht und auch gefunden.“

2015 seien für ZzU-Milch 52 Cent vereinbart worden und nun zahle man diesen Preis auch für normale Biomilch. Lieferanten, die 365 Tagen Auslauf garantieren und damit den ZzU-Qualitätsnormen entsprechen, erhalten zwei Cent mehr. So hätten alle etwas davon. Das Programm gilt bis 2020. Und dann? Lehner: „Was dann kommt, hängt davon ab, wie sich die Märkte entwickeln. Wir können nur schauen, dass wir für die Bauern auch Möglichkeiten abseits des Projekts schaffen.“ Das klingt eher vage und stimmt Klaus Unterweger nachdenklich: „Die Laufstallpflicht ist ein gemachter Trend, der nicht wirklich vom Konsumenten kommt. Wenn die dann auch noch auf das Fleisch ausgedehnt wird, dann ist der Ofen aus.“

Gerhard Pirkner ist Herausgeber und Chefredakteur von „Dolomitenstadt“. Der promovierte Politologe und Kommunikationswissenschafter arbeitete Jahrzehnte als Kommunikationsberater in Salzburg, Wien und München, bevor er mit seiner Familie im Jahr 2000 nach Lienz zurückkehrte und dort 2010 „Dolomitenstadt“ ins Leben rief.

7 Postings

blaubaer
vor 6 Jahren

auf www.transparenzdatenbank.at findet man die Subventionen des Bauernstandes - da ist wohl das Produkt nebensächlich :-)

 
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dolomitenwurm
vor 6 Jahren

Hier hat die Dolomitenstadt sehr gut das Gejammer und das Selbstmitleid eines (? Gross-)Teils der Osttiroler Agrarszene eingefangen: „Die anderen sind so böse und wir sind so arm! Die dummen Städter und die realitätsfernen Bio-Gurus haben ja keine Ahnung vom echten wirklichen Leben unter den harschen widrigen Bedingungen des eisigen steilen Osttiroler Berglandes - vom Leben ECHTER Bergbauern!“.

Dazu kann man nur knapp sagen:

Die Bio-Gurus Lampert, Gstir (Bio vom Berg), Guttmann, Zotter und viele mehr haben mit Kompetenz und Überzeugung einen Markt aufgebaut von dem eine zunehmend große Anzahl an Biobauern in Österreich und darüber hinaus (mit sicherem Absatz und steigenden Preisen), sowie Konsumentinnen (mit hochwertigen Produkten) profitieren. Auch in Extremlagen! Auch in Lagen, die vergleichbar sind, wie jene in Osttirol mit ECHTEN Bergbauern!

Mitgemacht haben Bäuerinnen und Bauern (ECHTE !), mit Gespür für den Markt, für den Wandel der Gesellschaft in Richtung einer nachhaltigen und das Tierwohl berücksichtigenden Produktion. Sie haben nicht gejammert und den Untergang bergbäuerlicher Kultur gepredigt, sondern pragmatisch nach sinnvollen, effektiven Lösungen gesucht, um selbst unter extremen Bedingungen ihre Höfe kostengünstig weiterzuentwickeln und moderne Erfordernisse anzupassen.

Wäre es nicht recht einfach jene Höfe in Osttirol und Umgebung zu besuchen, wo auch unter vergleichbaren Bedingungen 365 Tage Auslauf, Laufställe und „Bio“ problemlos, erfolgreich und noch dazu mit großer Freude funktionieren?

Anders als in Osttirol gepredigt wird, ist nicht „Regionalität“ sondern der Biomarkt das Segment im Lebensmittelhandel, das in Österreich und Europa stetig zunehmenden Absatz verzeichnet. Schade, wenn sich Osttirol da weiter abkoppelt.

 
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    Nudlsuppe
    vor 6 Jahren

    Lieber Dolomitenwurm! Eine Frage: Was ist ein ECHTER Bauer?

     
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      dolomitenwurm
      vor 6 Jahren

      Danke für die Frage! Das müsste man bei nächster Gelegenheit jene fragen, die meinen die jeweils anderen (Lampert, etc.) würden die Realität der Bergbäuerinnen und Bergbauern nicht kennen (Ich habe den Begriff aus dem ersten Absatz des Artikels entnommen.).

       
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rebuh
vor 6 Jahren

naja liebe freunde, ganz einfach der hofer kauft nicht mehr bei euch-ihr kauft nicht mehr beim hofer!

 
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genaugenommen
vor 6 Jahren

weg mit den stinkenden siloballen. gute heumilch produzieren. lienzer molkerei aktivieren und guten käse machen. jene funktionäre zum teufel jagen die die lienzer molkerei verkauft haben!,

 
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bergfex
vor 6 Jahren

Wer einen Laufstall sein eigen nennt, hat viel Kühe (die Menge macht ea), also sollte er nicht mehr bekommen als der "kleine Bauer", der sich keinen Laufstall leisten kann, bzw. ihn aus unterschiedlichen gründen nicht bauen kann. Die Bauern werden von den großen Konzernen nur als Stimmvieh genutzt. Wann kommen die Betroffenen endlich drauf, oder wollen sie weiter in der Abhängigkeit leben.

 
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