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Auf den herausragenden Wandmalereien in der Burgkapelle von Schloss Bruck, angefertigt im 15. Jahrhundert von Simon von Taisten, wurden vom beginnenden 16. bis Ende des 20. Jahrhunderts insgesamt gut 780 Graffiti angebracht. Foto: Wolfgang C. Retter

Auf den herausragenden Wandmalereien in der Burgkapelle von Schloss Bruck, angefertigt im 15. Jahrhundert von Simon von Taisten, wurden vom beginnenden 16. bis Ende des 20. Jahrhunderts insgesamt gut 780 Graffiti angebracht. Foto: Wolfgang C. Retter

Schloss Bruck: Grafitti in der Schlosskapelle

Lienz: Zwei Studentinnen erforschten die teilweise jahrhundertealten Eintragungen.

Elisabeth Tangerner und Anna Petutschnig studieren Geschichte an der Karl-Franzens-Universität in Graz. Einen guten Teil des vergangenen Winters verbrachten die beiden Studentinnen in der Burgkapelle von Schloss Bruck – hier forschten sie bei klirrender Kälte im Rahmen eines Kooperationsprojekts von Schloss Bruck und dem Institut für Geschichte der Universität Graz. Dabei ging es nicht etwa um die Wandmalereien des Simon von Taisten, die bereits oftmals erforscht und kommentiert wurden, sondern um die zahlreichen Graffiti, die von Besuchern in längst vergangener – und auch jüngerer – Zeit nicht wie man es sich heute vorstellen würde an die Wände gesprüht, sondern eingeritzt oder mit Kreide und Rötelstift aufgemalt wurden. Diese wurden im Rahmen des Projekts unter der Leitung von Romedio Schmitz-Esser, Professor an der Karl-Franzens-Universität Graz und Leiter des Instituts für Geschichte, erstmals näher betrachtet.
Im vergangenen Winter machten sich die beiden Geschichtsstudentinnen Anna Petutschnig und Elisabeth Tangerner bei Eiseskälte daran, die Eintragungen zu erforschen. Foto: Romedio Schmitz-Esser
Bei Restaurierungsarbeiten in der Schlosskapelle waren die vielen nachträglich angebrachten Inschriften ins Auge gefallen – Schlossherrin Silvia Ebner wandte sich ans Bundesdenkmalamt, wo ihr Schmitz-Esser als Ansprechpartner empfohlen wurde. Schnell war man sich einig: Diese Graffiti sollten weiter erforscht werden. Was also einst eher als „Störung der Kunst“, Kritzeleien und Schmierereien abgetan wurde, wurde von Elisabeth Tangerner und Anna Petutschnig eingehend dokumentiert, katalogisiert und ausgewertet. Insgesamt handelt es sich um gut 780 Graffiti, die vom beginnenden 16. bis zum Ende des 20. Jahrhunderts angebracht wurden. Darunter entdeckten die beiden Forscherinnen fromme Sprüche, zahlreiche Namensnennungen, direkte Bezugnahmen auf die Szenen, die in den Wandgemälden dargestellt werden, und sogar Inschriften in englischer Sprache und sogar auf Altgriechisch, Hebräisch und Arabisch. Auffallend selten trugen sich vor dem 19. Jahrhundert Frauen in die Fresken ein, manche der Graffiti stammen wiederum von den Besitzern der Burg selbst. So entdeckten die Studentinnen etwa Verewigungen der Familie Wolkenstein, die möglicherweise eine Art Familienchronik darstellen – sicher können es die Forschenden noch nicht sagen. Auch Franz Sartori, ein Schriftsteller, der Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts lebte und vor allem für seine Reiseberichte bekannt wurde, trug sich auf der Wand ein.
V.l. Anna Petutschnig, Elisabeth Tangerner und Professor Romedio Schmitz-Esser. Foto: Dolomitenstadt/Unterwurzacher
Elisabeth Tangerner und Anna Petutschnig bewältigten gleich mehrere Herausforderungen: Die große Dichte der angebrachten Graffiti war eine davon, eine andere die geringe Größe – viele der Ritzereien sind nur wenige Millimeter groß. Andere, die etwa mit Rötelstift angebracht wurden, sind größer, aber dafür nicht unbedingt leserlicher. Außerdem gibt es manche Graffiti, die später wieder getilgt wurden. Gut ein Drittel der Eintragungen wurde mit Datum angebracht, beim Rest gestaltet sich die Aufgabe, eine präzise Datierung vorzunehmen, als äußerst schwierig. „Das macht es aber auch so reizvoll – wie ein Rätsel“, lachen die Studentinnen und der Professor. Besonders die ältesten Graffiti seien nicht als Vandalismus, sondern eher als eine Art Dialog mit den Fresken und ein Zeichen tiefen Glaubens zu verstehen, erklärt Romedio Schmitz-Esser. Es war zu der Zeit, in der sie entstanden, auch höchstwahrscheinlich nicht verboten, sich an den Wänden der Kapelle zu verewigen. Anders ist es heute: Neue Graffiti sollten also nicht mehr dazukommen.
Wer sich die Graffiti selbst ansehen und die Hintergründe dazu hören möchte, hat morgen, 26. Oktober, die Gelegenheit dazu: Die jungen Kunsthistorikerinnen Anna Petutschnig und Elisabeth Tangerner erklären im Rahmen einer Schlossmatinee ab 11 Uhr, was hinter den Eintragungen steckt.

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