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VfGH kippt auch das türkis-blaue Sozialhilfe-Gesetz

Verknüpfung mit Sprachkenntnissen wie auch Höchstsätze für Kinder sind verfassungswidrig.

Der Verfassungsgerichtshof bringt ein weiteres Prestigeprojekt der an Ibiza gescheiterten türkis-blauen Bundesregierung zu Fall. Aufgehoben wurden beide bei der Reform der Mindestsicherung gegen Zuwanderer gemünzten Maßnahmen der "Sozialhilfe neu": Sowohl die Verknüpfung mit Sprachkenntnissen wie auch Höchstsätze für Kinder sind laut VfGH verfassungswidrig. Im Grundsatzgesetz selbst sieht der VfGH aber keinen unzulässigen Eingriff in die Zuständigkeit der Länder. Zwar sei die Gewährung von Leistungen bei sozialer Hilfsbedürftigkeit "an sich Sache der Länder". "Der Bund ist jedoch zuständig, auf diesem Gebiet Grundsätze für die Landesgesetzgebung aufzustellen", hieß es in einer Pressemitteilung am Dienstag. In der Regelung zu den Höchstsätzen für Kinder sieht der VfGH eine "sachlich nicht gerechtfertigte und daher verfassungswidrige Schlechterstellung von Mehrkindfamilien". Das Grundsatzgesetz sieht vor, dass der Höchstsatz der Sozialhilfeleistung für das erste Kind 25 Prozent, für das zweite Kind 15 Prozent und für das dritte und jedes weitere Kind fünf Prozent des Ausgleichszulagenrichtsatzes beträgt. Diese Regelung könne dazu führen, "dass der notwendige Lebensunterhalt bei Mehrkindfamilien nicht mehr gewährleistet ist", heißt es im Entscheid. Gegen die Höchstsätze für Erwachsene, die sich am System der Ausgleichszulage orientieren, haben die Verfassungshüter hingegen keine Bedenken. Als verfassungswidrig beurteilt der VfGH auch, dass im Grundsatzgesetz der volle Bezug der Sozialhilfe an den Nachweis von Sprachkenntnissen geknüpft ist. Wer nicht nachweist, Deutschkenntnisse auf Niveau B1 oder Englischkenntnisse auf Niveau C1 zu erreichen, dem stehen laut dem Grundsatzgesetz nur 65 Prozent der regulären Leistung zu. Die Differenz von mehr als 300 Euro auf die volle Geldleistung wurde im Gesetz als Sachleistung zum "Arbeitsqualifizierungsbonus für Vermittelbarkeit" gerechtfertigt. Mit diesem Betrag sollten also Sprachkurse finanziert werden. Der Grundsatzgesetzgeber habe "schon deshalb eine unsachliche Regelung getroffen, weil keine Gründe ersichtlich sind, weshalb ausschließlich bei Deutsch- und Englischkenntnissen auf diesem hohen Niveau eine Vermittelbarkeit am Arbeitsmarkt anzunehmen sein soll", heißt es im VfGH-Erkenntnis. "Es ist offenkundig, dass für viele Beschäftigungsmöglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt weder Deutsch auf B1-Niveau noch Englisch auf C1-Niveau erforderlich sind." Auch lasse der Grundsatzgesetzgeber außer Acht, "dass Personen aus mannigfaltigen Gründen (Lern- und Leseschwächen, Erkrankungen, Analphabetismus uvm.) nicht in der Lage sein können, ein derart hohes Sprachniveau zu erreichen, aber dennoch am Arbeitsmarkt vermittelbar sein können". Diese Regelung verstoße deshalb gegen den Gleichheitsgrundsatz, da es viele Beschäftigungsmöglichkeiten gebe, "für die weder Deutsch- noch Englischkenntnisse auf diesem Niveau erforderlich sind". Auch im Sozialhilfe-Statistikgesetz sehen die Verfassungshüter eine Verfassungswidrigkeit: Die Verpflichtung zur Übermittlung personenbezogener Daten verstößt demnach gegen das Grundrecht auf Datenschutz. Das Grundgesetz sieht vor, dass "sämtliche Behörden" verpflichtet sind, den Ländern "die zu Zwecken der Aufrechterhaltung und Vollziehung des österreichischen Sozialhilfewesens erforderlichen Daten" elektronisch zur Verfügung zu stellen. Diese Regelung lasse offen, welche Behörden im Einzelnen welche Daten zu übermitteln haben, so der VfGH. "Sie verstößt daher gegen § 1 des Datenschutzgesetzes, wonach Eingriffe in das Grundrecht auf Datenschutz nur auf Grund von Gesetzen erfolgen dürfen, die ausreichend präzise, also für jedermann vorhersehbar, regeln, unter welchen Voraussetzungen die Verarbeitung personenbezogener Daten für die Wahrnehmung konkreter Verwaltungsaufgaben erlaubt ist." Dass der Bund ein "Grundsatzgesetz" erlassen hat, ist prinzipiell nicht verfassungswidrig: Es sei dem Bund erlaubt, auch Detailregelungen zu erlassen, sofern diese "Fragen von grundsätzlicher Bedeutung für das ganze Bundesgebiet zum Gegenstand haben", hieß es seitens des VfGH. Die Bestimmungen des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes würden diese Voraussetzung erfüllen. Das Einschreiten des VfGH geht auf die Initiative der SPÖ-Bundesräte zurück: Gegen das im Frühjahr 2019 verabschiedete Sozialhilfe-Grundsatzgesetz und das gleichzeitig verabschiedete Sozialhilfe-Statistikgesetz hatten 21 SPÖ-Mitglieder des Bundesrates den VfGH angerufen.

6 Postings

iseline
vor 4 Jahren

Hoffentlich beherrschen die Europaabgeordneten von türkis und blau Englisch auf C1 Niveau!

 
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bla
vor 4 Jahren

Soviel zum neuen Stil.

 
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Nickname
vor 4 Jahren

Das nächste Pfuschgesetz das gekippt wurde! Wenn jetzt noch die Indexierung der Familienbeihilfe vom Eugh gekippt wird und die Karfreitagsregelung vom Vfgh gekippt wird dann ist bewiesen dass Kurz nicht fähig ist unser Land zu regieren!

 
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Domenik Ebner
vor 4 Jahren

Es ist mir ein Rätsel wieso so viele Menschen einem Blender - mit zugegeben guten Marketingeigenschaften - nachlaufen. Keine Prinzipien, keine Werte und vor allem keinen Plan von Rechtsstaatlichkeit und Vision für das Land. Nahezu keine Reform hat gehalten, versprochene Milliarden lösen sich in Luft auf und um immer wieder von den echten Probleme abzulenken werden thematische Rauchgranaten geworfen...

Wer es nicht schafft ein verfassungskonformes Gesetz zu schreiben sollt sich ins Jus-Studium begeben - aber sicher keine Regierung anführen.

 
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spitzeFeder
vor 4 Jahren

Zitat: "Wir können die Entscheidung absolut nicht nachvollziehen und sie widerspricht vollkommen unseren politischen Überzeugungen." Zitatende. ( https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20191217_OTS0132/woeginger-oevp-kritisiert-vfgh-entscheidung-zur-mindestsicherung-muss-sie-jedoch-zur-kenntnis-nehmen )

Muss die Verfassung den politischen Überzeugungen einzelner Parteien entsprechen oder sollten nicht die politischen Überzeugungen einzelner Parteien der Verfassung entsprechen?

 
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    iseline
    vor 4 Jahren

    Bei der ganzen Debatte ist nicht zu vergessen, dass unter dem Titel: "Zuwanderung ins Sozialsystem stoppen" bewußt Kürzungen bei ALLEN Betroffenen (Alleinerzieherinnen, Menschen,die trotz Arbeit nicht genug verdienen, Arbeitsunfähige,...) gemeint waren. A. Wöginger bestätigt eigentlich nur eindeutig, dass türkis-blau die Schwächsten in der Gesellschaft treffen wollte.

     
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