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Peter A. Bär in seinem Freiluft-Atelier.

Peter A. Bär in seinem Freiluft-Atelier.

Der Stein als Einladung zur Improvisation

Peter A. Bär gibt seinen Skulpturen keine Namen und lädt die Betrachter ein, sein Werk „be-greifend“ wahrzunehmen. Glasklar sind seine Forderungen an die Politik, von der sich Bär neben Taten vor allen eines erwartet: Mut.

Peter A. Bär, 1960 in Innsbruck geboren, besuchte dort die Kunstgewerbeschule und absolvierte bereits als Siebzehnjähriger ein Ferialpraktikum im Krastal bei Otto Eder, einem der bedeutendsten österreichischen Steinbildhauer der Nachkriegszeit. Seit seinem Diplom bei Bruno Gironcoli an der Akademie der bildenden Künste in Wien ist Peter Bär freischaffend tätig, zunächst in seiner Heimatstadt, wo er 1998 den Brunnen am Landhausplatz gestaltet, später St. Leonhard am Hornerwald, wo er und seine Frau sich uneigennützig und ohne öffentliche Förderungen in ihrem Projekt „Künstlergärten“ für den Austausch mit lateinamerikanischen Kunstschaffenden engagieren. Dem Osttiroler Publikum stellte Bär sich schon 1992 im Rahmen eines internationalen Bildhauersymposiums vor, mit einer Steinskulptur, die immer noch am rechten Iselufer zwischen St. Johann und Huben zu bewundern ist.

Peter, du legst zur Bestimmung deiner Arbeit Wert auf den Begriff Skulptur.

Der Kunstwissenschaftler Eduard Trier formulierte den Unterschied zwischen Plastik und Skulptur: „Der Bildhauer nimmt weg, der Plastiker baut auf.“ Diese Abklärung ist nötig, da es heute vielfach gebräuchlich ist, zu allen dreidimensionalen künstlerischen Arbeiten den Begriff „skulptural“ zu verwenden.

Wie kann man sich dieses „Wegnehmen“ in deiner Arbeit vorstellen? 

Bei meiner Arbeit handelt es sich um Steinskulpturen. Die handwerkliche Komponente ist mir in meiner Arbeit wichtig, das Wissen darüber verschafft mir Autonomie für mein künstlerisches Tun. Der rohe Stein ist wie eine Einladung zur Improvisation. Hier kann ich mit einfachen Mitteln – die eben für das Bearbeiten des Steines benötigt werden, Hammer, Meißel und Schleifmaschinen genügen – meine Formgedanken entwickeln.

Sind diese Formgedanken angeregt durch das, was du siehst, sozusagen vom Naturmodell? Die Antwort auf die Frage, was stellt das dar? 

Das Zusammenspiel von Natur und Kunst, von geologischen Formkräften und künstlerischem Formwillen, ist einer der zentralen Aspekte in meinen bildhauerischen Arbeiten. Ich verzichte meist auf Titel, weil die Ideen für meine Skulpturen relativ spontan kommen und sich im Laufe des Arbeitsprozesses wandeln. Der Fortschritt des Werkes bleibt also fast bis zum Schluss offen. In meiner Arbeit bilde ich nichts ab, sondern bilde Neues.

Was das fertige Werk aber schon abbildet, ist der Arbeitsprozess. 

Bildhauerei ist für mich ein handwerklich-sinnlicher Arbeitsvorgang, Haptik und Rhythmik spielen eine wichtige Rolle. Bei kristallinen Gesteinen, wie bei Marmor, kann man mit dem Meißel schön formen. Dabei entsteht eine typische Oberflächentextur, welche wie ein Muster aussieht. Um konkave Formen zu machen, arbeitet man von den Rändern oder Kanten des Steinblockes von drei Seiten her Richtung Mitte. Bei konvexen Formen arbeitet man vom Zentrum nach außen, so als würde man eine Orange schälen. Diese Arbeitsweise hinterlässt Spuren, die für den aufmerksamen Betrachter nachvollziehbar sind.

Gibt es Vorbilder in der Kunstgeschichte? 

Diese Bearbeitungsmethode sieht man bei antiken Artefakten genauso wie bei neueren: bei den Skulpturen von Fritz Wotruba, besonders bei denen, die in der Schweiz entstanden sind, und vor allem auch bei Otto Eder, der es besonders verstand, mit einfachen Mitteln eine enorme Oberflächenspannung aufzubauen.

Bei den meisten Kunstwerken ist es nicht üblich, sie außer mit den Augen noch mit den Händen nachzuvollziehen. Eine Skulptur von dir anzufassen, über ihre Oberfläche zu streicheln – ist das erlaubt? 

Wir brauchen Haptik, Tastsinn, wörtliches tastendes „Be-Greifen“, wir brauchen Berührungen, sensorische Vielfalt. Über die Benutzung unterschiedlicher Sinneswahrnehmungen ist komplexe menschliche Interaktion, ja Evidenzkritik, als Basis jeglichen menschlichen Zusammenlebens möglich.

Kunst ist also nicht nur für Künstler und einige wenige Interessenten, sondern für uns alle lebenswichtig? 

Ja, denn Kunst hat mit der Fähigkeit der Imagination zu tun. Das kann man trainieren, indem man sich darauf einlässt. Niemand kann mit nur wenigen Minuten Blickkontakt mit Kunst darüber seriös urteilen. Es ist ja auch unmöglich über Musik oder Literatur zu urteilen, wenn man nichts liest oder keine Tonträgersammlung hat. Letztlich sind alle, wenn Interesse da ist, gefordert zu üben, Ausstellungen anzusehen und Fragen zu stellen. Alle Künstler zeigen durch ihre spezifischen Arbeiten ihre Weltsichten. Vielleicht haben wir uns etwas erhalten, was man noch im Spiel der Kinder beobachten kann: ein völlig banaler Gegenstand wird zu etwas Besonderem, das Kind imaginiert also. Das ist vielleicht das, was Kunst auch sein kann.

Die „Corona-Krise“ hat in letzter Zeit vor allem die darstellenden Künstler und deren aktuelle Notsituation ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. Schnelle Hilfe wurde von der Politik in Aussicht gestellt. Was kann die Politik deiner Meinung nach für bildende Künstler tun? 

Es wäre einfach, wenn man 10 Prozent vom Nettojahreseinkommen für Kunstkauf steuerlich geltend machen könnte. Es sollte daran erinnert sein, dass die gesamte Kreativwirtschaft mehr als die Autoindustrie erwirtschaftet. Es war eine schnelle Hilfe durch Abwrackprämien etc. gegeben, von den Bankenhilfen will ich nicht reden. Nur bei den Kunstangelegenheiten tun sich alle so schwer. Es hat aber keinen Sinn, dies nur für „junge“ Künstler zu tun (wir sind alle jung, 60 ist das neue 45). Ohne dümmliche Auflagen, wie z. B. nur direkt beim Künstler im Atelier kaufen, jetzt sofort absetzbar machen! Ferner sollte die Mehrwertsteuer auf Kunst von 13 Prozent wieder auf die ursprünglichen 10 Prozent abgesenkt werden, das wäre auch ein guter Stimulus für den Kunstmarkt. Es wird ja, vor allem von den Neoliberalen, so gerne von Markt gesprochen, also diesen endlich zulassen. Freie Wettbewerbe sind ein seltenes Pflänzlein geworden: Wir haben in Österreich kaum einen. Kunstwettbewerbe für einen öffentlichen Auftrag gehören unbedingt zweistufig: Eine erste Stufe als offene Einreichung, wo man seine künstlerische Arbeit vorstellt, und dann, nach Auswahl einer Fachjury, eine begrenzte Anzahl von Künstlern konkret mit der Ausarbeitung eines Projektes incl. Honorierung betrauen. Diese Vorgangsweise wäre professionell und transparent, zumal man als Profirezipient die Möglichkeit hätte, die Entscheidungen insofern nachzuvollziehen, dass bei einer Präsentation der Wettbewerbsergebnisse auch gezeigt wird, was nicht in die engere Wahl kam. Das braucht halt Mut, jetzt ist Gelegenheit, das so zu machen!

Peter A. Bär im Dolomitenstadt-Artshop.

Rudolf Ingruber ist Kunsthistoriker und Leiter der Lienzer Kunstwerkstatt. Für dolomitenstadt.at verfasst er pointierte „Randnotizen“, präsentiert „Meisterwerke“, porträtiert zeitgenössische Kunstschaffende und kuratiert unsere Online-Kunstsammlung.

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