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Der Anteil an Immunen wächst. Ist es gesellschaftlich, wirtschaftlich und ethisch vertretbar, ihr Potenzial nicht zu nutzen? Foto: Arron Choi/Unsplash

Der Anteil an Immunen wächst. Ist es gesellschaftlich, wirtschaftlich und ethisch vertretbar, ihr Potenzial nicht zu nutzen? Foto: Arron Choi/Unsplash

Potenzial der Immunen endlich anerkennen und nutzen

Ein Denkanstoß von Christian Girardi, Gründer und Organisator des Global Forum Südtirol.

Uns alle vereint ein Ziel: Wir wollen wieder normal leben wie vor Covid-19. Doch wie schaffen wir es? Wie können Gesellschaft, Wirtschaft, Sport und Kultur wieder nachhaltig und zielführend normalisiert werden? Alle konzentrieren sich immer noch nur auf die neuen Infektionen und den Impfstoff als Allheilmittel. Dies obwohl seit knapp drei Monaten weltweit angesehene Studien beweisen, dass natürliche Immunität auch bei Covid-19 nicht nur aufgrund neutralisierender Antikörper sondern vor allem auch wegen der sog. B und T-Zellen (Gedächtniszellen des Immunsystems) lange anhält (Langzeit-Immunität). Die wertvolle und entscheidende Ressource der natürlich Immunen wird aber weiterhin vernachlässigt. Die Zeit ist reif, für die Nutzung der natürlichen Immunität einzustehen. Zurück zur Normalität. Wir benötigen beides. Um zur Normalität zurückzukehren, benötigen wir beide Formen von Immunität: die mittlerweile weit fortgeschrittene natürliche und die künstliche Immunität durch Impfung. In der Summe werden sie dazu führen, dass sich die Situation schrittweise normalisiert. Natürliche und künstliche Immunität durch Impfung. Zusammenhang. Impfungen funktionieren in aller Regel nur dann, wenn die natürliche Immunität funktioniert. Impfung bedeutet – so wie bei der natürlichen Immunität – aber auch nicht volle Immunität. Ein Restrisiko besteht bei beiden Formen der Immunität. Natürlich Immune am Beispiel Südtirol. Schätzung. Die Zahl der natürlich Immunen, d.h. die von der Infektion Genesenen, ist groß und wird von Tag zu Tag größer. Sie ist somit eine der wertvollsten Ressourcen im Kampf gegen das Virus. Offizielle Statistiken vernachlässigen leider bisher die enorme Dunkelziffer. Konservativ rechnet man international mit einem Faktor 4 bis 6, d.h. vier bis sechs Mal soviel Infizierte wie in den offiziellen Statistiken erfasst. In Südtirol dürften deshalb Stand 21. Januar (bei 33.585 mittels PCR Test positiv Getesteten) zwischen 135.000 - 200.000 SüdtirolerInnen und Südtiroler (Einwohner gesamt: 533.000) unwissend mit dem Virus in Kontakt gekommen und davon genesen sein, d.h. eine natürliche Immunität aufgebaut haben. Herdenimmunität. Beispiel Gröden. Gröden ist zwar nicht für ganz Südtirol repräsentativ, stellt dennoch ein sehr gutes Beispiel dar. Eine im Juni 2020 vonseiten des Südtiroler Sanitätsbetriebes repräsentative Antikörperstudie (Astat Info nr. 38) hat bei ca. 30 Prozent der GrödnerInnen Antikörper im Blut nachgewiesen. Seither ist mehr als ein halbes Jahr vergangen, d.h. die Immunisierung (Durchseuchung) ist mittlerweile noch viel weiter fortgeschritten. Es wäre sonst nicht zu erklären, wieso man aktuell im Grödnertal, bei ca. 10.000 Einwohnern, aktuell knapp 20 aktive Fälle zählt. Relevanz der Immunen. Beispiel Südtiroler Sanitätsbetrieb. Wenn wir die – mittlerweile durch weltweit anerkannte Studien nachgewiesene – natürliche Immunität nicht nutzen, zahlen wir dafür einen riesigen Preis. Bei einem mittlerweile so hohen Anteil der Immunen ist es gesellschaftlich, wirtschaftlich und auch ethisch nicht mehr vertretbar, ihr Potenzial nicht anzuerkennen und zu nutzen. Es ist beispielsweise nicht mehr verhältnismäßig, Immune weiterhin wie Noch-Nicht-Immune zu behandeln und Ihre Freiheiten gleichermaßen einzuschränken. So muss aktuell ein Immuner immer noch in Quarantäne, wenn er in Kontakt mit einem Positiven kommt. Besonders relevant ist dies im Gesundheitswesen, das bekanntlich auch aufgrund des Personalmangels überlastet ist. Tatsächlich ist ein großer und schnell wachsender Anteil des Gesundheitspersonals immun. Wenn ihre Immunität effektiv identifiziert und genutzt würde, könnten viele Probleme weitgehend entschärft werden. In Südtirol betrifft es beispielsweise aktuell gemäß offiziellen Kommunikationen mehr als 1.400 MitarbeiterInnen im Sanitätsbetrieb. Anerkennung der natürlichen Immunität. Beispiel Island, Kanton Waadt...und Südtirol Island zeigt, wie es anders gehen kann: Seit 10. Dezember sind beispielsweise die Grenzen für Urlauber geöffnet, die nachweislich die Infektion überstanden haben. So einfach funktioniert es: Der Nachweis einer bestandenen Infektion muss über einen PCR- oder quantitativen Antikörpertest erfolgen. Zudem bestehen für die Covid-19-Immunen keine Einschränkungen mehr, wie z.B. Quarantäne. Auch der Schweizer Kanton Waadt geht mit gutem Beispiel voran und lässt Covid-19 Genesene vorerst nicht impfen. Da davon auszugehen ist, dass Island und der Kanton Waadt ihre Entscheidungen nicht auf einer anderen wissenschaftlichen Basis treffen, ist die Vorgehensweise zu begrüßen. Erfreulicherweise wurde auch in Südtirol die Kraft der natürlichen Immunität bereits anerkannt. So wurden Menschen, die in den drei Monaten vor der Massen-Schnelltestaktion postiv auf das Virus getestet wurden und in Isolation waren, vom Schnelltest mit der Begründung befreit, sie sollten ausreichend Antikörper haben, um nicht infektiös zu sein. Relevanz der Immunen. Start der Impfkampagne. Die letzten Tage und Wochen sind gekennzeichnet durch knappe Mengen an Impfdosen und Lieferengpässen. Zudem wird bekanntlich in den nächsten Monaten die Impfung ohnehin nicht für alle gleichzeitig zur Verfügung stehen. Um so mehr wird es entscheidend, zu wissen, wer bereits (unwissentlich) eine natürliche Immunität aufgebaut hat. Dies um noch besser zu priorisieren und den knappen Impfstoff noch gezielter einsetzen zu können. Zudem wäre es sinnvoll die Bürgerinnen und Bürger transparent über die unterschiedlichen Formen der Immunität (Vor-/Nachteile/Risiken) zu informieren. Dann kann jeder – je nach persönlicher Situation und nach Rücksprache mit dem Arzt – in Eigenverantwortung entscheiden, ob er eine natürliche Immunität mit einer künstlichen Impfung "auffrischen" will oder sich auf die natürliche Immunität verlässt. Teststrategie. Vorschlag Südtirol. Die Strategie Südtirols, breit zu testen anstatt die persönlichen und wirtschaftlichen Freiheiten weiter einzuschränken, war und ist richtig. Die durchgeführten und weitere geplante Virus-Schnelltests sollten durch weitere zielführende Test-Strategien ergänzt werden. Neben der gerade laufenden Virusaktivität sollte auch der Bestand an (tatsächlichen) Immunen durch quantitative Antiköpertests erfasst und in offiziellen Statistiken bzw. bei zukünftigen Strategien und Massnahmen berücksichtigt werden. Dafür sollte allen Südtirolern die Möglichkeit gegeben werden, sich freiwillig einem quantitativen Antikörpertest zu unterziehen. Diese Antikörpertestungen könnten – entsprechend neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Immunität – in regelmäßigen Abständen (am Anfang beispielsweise alle 2-3 Monate) wiederholt werden. Antikörpertestungen. Anreize. Nutzen.  Erstens: Man würde ein besseres Bild über das tatsächliche Infektionsgeschen erhalten. Zweitens: Die Impfdosen könnten effizienter und gezielter eingesetzt werden. Drittens: Gäbe es vielen Menschen mehr Gewissheit und würde auch Ihre Ängste mindern, ihre Produktivkräfte befreien und Lebensqualität erhöhen. Viertens: Es gäbe einen positiven Anreiz zum freiwilligen Testen. Sowohl bei Testaktionen der öffentlichen Hand als auch von Seiten der Privatwirtschaft. Immunität. Weitere Implikationen.  Weiters sollte – unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit – auch darüber diskutiert werden, wie künftig mit den natürlich bzw. künstlich Immunen durch Impfung umgegangen werden soll, was beispielsweise die (teilweise) Befreiung von den üblichen Bestimmungen angeht (z.B. Isolation bei Kontakt mit Positiven, etc.). Auf jeden Fall sollten künstlich und natürlich Immune gleich behandelt werden. Antikörpertestungen. Ein zielführender Südtiroler Weg. Südtirol hat die Chance – auf Basis international anerkannter wissenschaftlicher Evidenz – durch flächendeckende Antikörpertestungen den bereits eingeschlagenen Südtiroler Weg effizienter und zielführender zu gestalten. Die Zeit ist reif. Die durch weltweit solide Studien nachgewiesene natürliche Immunität ist endlich anzuerkennen und zu nutzen.
Autoren: Christian Girardi, Gründer und Organisator der Denkfabrik Global Forum Südtirol Reiner Eichenberger, Professor für Theorie der Wirtschafts- und Finanzpolitik an der Universität Freiburg, Schweiz
Vertiefende Informationen und Quellen: STUDIEN /Artikel 1. Wajnberg in Science. Eine der weltweit meist zitierten, repräsentativen und diskutierten Antikörper-Studien: https://science.sciencemag.org/content/370/6521/1227 2. Immunitäts-Studie Universität Innsbruck https://www.tt.com/artikel/30766954/innsbrucker-antikoerperstudie-belegt-konstante-stabile-immunitaet Eine Studie der Uni-Klinik Innsbruck, geleitet von Florian Deisenhammer, deckt sich mit internationalen Studien über Corona-Langzeitimmunität. Laut dem Mediziner besteht deshalb keine große Sorge vor neuerlichen Infektionen, Mutationen oder einer Übertragung durch Immune. Dafür ergeben sich Konsequenzen für die Praxis, etwa bei der Arbeit in exponierten Bereichen oder beim Impfen. Bei allen Teilnehmern konnten zu allen Zeitpunkten Antikörper, und nach sechs Monaten auch die für die Immunantwort so wichtigen, neutralisierenden Antikörper nachgewiesen werden, was für eine "konstante, stabile und zielgerichtete Langzeitimmunität" spreche. Auch wenn Antikörper mit der Zeit weniger werden, komme es bei neuerlichem Kontakt mit dem Virus über Vermittlung der Gedächtniszellen zu einer sehr raschen Reaktivierung. Laut Deisenhammer bestehe bei Genesenen keine Sorge vor einer neuerlichen Erkrankung mit dem Covid-19-Virus. "Die Ausnahmen bestätigen die Regel, aber die Ausnahmen sind eben nicht die Regel", stellte er fest, dennoch würden die Medien die Ausnahmen betonen, das "Regelhafte" komme zu wenig oft vor. 3. Astat Studie in Gröden https://astat.provinz.bz.it/de/aktuelles-publikationen-info.asp?news_action=4&news_article_id=641553 4. Beispiel Island Offizielle Regierungswebsite: https://www.covid.is/sub-categories/visiting-iceland https://www.landlaeknir.is/um-embaettid/greinar/grein/item43709/Certificates-regarding-previous-COVID-19-infection-that-are-accepted-at-the-border-in-Iceland-from-10-December-2020 5. Beispiel Kanton Waadt https://www.srf.ch/news/schweiz/immunitaet-nach-erkrankung-waadt-will-bereits-an-covid-19-erkrankte-vorerst-nicht-impfen 6. Schätzung Dunkelziffer (Robert Koch Institut) https://www.tagesschau.de/faktenfinder/dunkelziffer-corona-neuinfektionen-101.html https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/coronavirus-rki-neuinfektionen-106.html 7. Ganz aktuell: Die Studie des Osttiroler Labors Walder  https://www.authorea.com/users/382389/articles/498294-maintenance-of-neutralizing-sars-cov-2-antibodies-over-five-months-in-convalescent-sars-cov-2-afflicted-patients

4 Postings

doc-doc
vor 3 Jahren

Ein richtiger, wahrscheinlich für die "Normalbevölkerung etwas "schwieriger" Beitrag. Tatsache ist, wir lesen und hören seit einem Jahr immer das gleiche: Positiv getestete, Tote, Zahlen, Tabellen und Statistiken ohne Ende. Und "Testen" bis zum Ende, das nun mit der Impfung kommen soll. Ein Virus ist nur so stark, wie das Immunsystem schwach ist. Nun wird alles gemacht, um dieses System nicht gerade zu kräftigen: Ängste, Drohungen, Strafen, Bilder von Massengräbern und überlasteten Intensivstationen. Im 1. Lockdown unter anderen Jagd mit Hubschraubern auf Menschen, die ihr Immunsystem an der frischen Luft stärken, usw. Ob der erzwungene Abstand zu seinen Liebsten, das Nichttreffen der eigenen Familie, das Fehlen von Freundschaften und Beziehungen beiträgt, das Immunsystem zu stärken? Was aber besonders auffällt, ist das völlige Negieren von Maßnahmen, die man treffen kann, wenn man das Virus in sich trägt. Die Rolle von Bettruhe, ausleitenden Maßnahmen wie Schwitzkuren, Naturheilmittel, Ernährung, die extrem wichtige Rolle des Fiebers bei der Ingangsetzung höherwertiger Abwehrkaskaden wie Interferon-, Interleukin- und hunderter anderer Systemen, die dem Organismus zur Verfügung stehen und deren Aktivierung und Intaktheit es erst ermöglichen, die Krankheitserreger wirklich zu bekämpfen und tatsächlich aus dem Körper zu eliminieren. Natürlich: Ältere und Kranke haben diese Systeme nicht mehr, großteils durch immunsupressive Dauermedikamente, wozu u.a. alle Antirheumatica, Aspirin& Co, "Magenschutzmittel" u.v.a. zählen, das dauernde Unterdrücken regulativer Prozesse schon in jüngeren und mittleren Lebensjahren, Dauerstress und vieles andere mehr. Diese Menschen sollten in höchstem Maß geschützt werden, und nur diese brauchen es. Durchgemachte und mit richtigen Maßnahmen unterstützte Erkrankungen sind nicht nur eine Qual und Plage, sondern führen besonders bei Viren nicht nur zu einer längeren Immunität, sondern sind genauso wichtige Impulse für allgemein intaktes Immunsystem. Die Impfung wird gegen die Pandemie helfen, aber nicht in dem Ausmaß, wie es sich viele erwarten. Und die nächsten Mutationen warten schon. Das Virus "wütet" nicht, es sucht einen Organismus zum Überleben, und das Coronavirus wird dabei nicht das letzte sein.

 
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Nikolaus F. Pedarnig
vor 3 Jahren

Perspektivenwechsel helfen. Komplexe Themen erfordern eine vielseitige Betrachtung und Analyse und, es gibt selten einfache Antworten auf schwierige Fragestellungen.

 
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Sonnenstrahl
vor 3 Jahren

Ein großes Lob für diesen Bericht! Wie genial doch unser Körper mit seinem Immunsystem funktioniert. Er kennt sich bestens aus mit dem, womit uns das Leben konfrontiert. Ich bin überzeugt davon, dass unser Immunsystem - sofern es funktionstüchtig ist - ständig bemüht ist uns zu unterstützen und uns zu helfen, gestärkt aus Krisen herauszukommen... dazu müssten wir allerdings ein wenig mehr hinhören und vertrauen auf die regulativen Prozesse in unseren Organismen.

 
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anton2009
vor 3 Jahren

nach dem Lesen dieses Berichtes bin ich noch mehr verwirrt, als ich es vorher war!

 
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