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Von Seiten der Gemeinde im Studio. Foto: Alexia Fin

Von Seiten der Gemeinde im Studio. Foto: Alexia Fin

Neues Von Seiten der Gemeinde: „Almen aus Plastik“

Die „Dialektschnipsler“ aus dem (Nordtiroler) Oberland veröffentlichen ihr drittes Album.

„Iatz håm mar decht so lång a Ruah ket, auf uamål kimmt der über d Grenz nåcha der über d Grenz, iatz kema sie ålla vermehrt über d Grenz åber då wehra mar ins, weard Zeit, dass ma endli amål Grenza ziacht wenn ma Grenza it respektiert, kånn s sei, dass ma an dena Grenza stirbt“ – rappen die drei Tiroler Yo!Zepp, Chrisfader und Testa in einem ihrer aktuellen Tracks. Worauf hier angespielt wird? Natürlich auf den Wolf, der seit Monaten wieder durch die heimischen Wälder zieht, Schafe reißt und hitzige Debatten entfacht. „Wolffreie Zone“, so lautet der Titel des Hits, der nicht nur durch das aufwändig gestaltete Stop-Motion-Video für Aufmerksamkeit sorgt, sondern auch durch die gesampelten Ausschnitte aus regionalen Oberländer TV-Sendern, die darin eingewebt sind. Letztere sind das Markenzeichen der Hip-Hop-Gruppe „Von Seiten der Gemeinde“, die bei ihren Live-Shows immer größere Säle füllt – auch wenn mitunter sogar das heimische Publikum nicht immer alle Texte versteht, denn gerappt wird ausschließlich im Oberländer Dialekt. Am 7. Jänner erscheint nun ihr drittes Album unter dem Namen „Almen aus Plastik“. Ein Bild, das Assoziationen wirft zum Thema der legendären Piefke-Saga, der Fernsehsendung von Felix Mitterer. Die Anspielung kommt nicht von ungefähr – haben sich einige Szenen daraus mittlerweile bereits als Realität erwiesen. Auch die drei Hip-Hopper haben sich deren Aktualität angenommen und lassen die Tourismusdestination Tirol nun vielstimmig erklingen. Tirol isch eben it lei oans – und somit geht den Rappern auch der Stoff für das neue Album nicht aus. Berichtet wird etwa auch von der Wolfsdebatte, von Migration und Ausgrenzung oder ganz allgemein – vom allgegenwärtigen „Toad“ (Tod). Die Gruppe nimmt auf satirische Weise Stellung zu gegenwärtigen Entwicklungen und gebührt dabei zugleich dem Tiroler Dialekt alle Ehre. Wir haben uns mit Yo!Zepp, Chrisfader und Testa unterhalten – über Tirol, über Sprache und darüber, worum es genau im aktuellen Album geht, in dem auch dem wohl kürzesten Tiroler Dialekt-Wort ein eigenes Lied gewidmet ist: „I“ (Ich). Auf eurem vorigen Album „State of Gmeind“ erzählt Yo!Zepp im Track „I gib it au“ die Geschichte auf der Suche nach seiner musikalischen Heimat. Wie ist es euch dabei ergangen, in einem Tiroler Tal eine Hip-Hop-Community zu finden und aufzubauen? Hat es dort bereits früher eine Szene gegeben? Yo!Zepp: Na, des hat es damals eigentlich gar nicht gegeben. Da ist man schon ein Eigenbrötler gewesen. Mittlerweile ist das ja schon zwanzig Jahre her, das war damals eine komplette Nischenmusik. Also etwas, das wirklich nur ein paar Hände voll Leute gehört haben. Da hat man sich bald einmal untereinander gekannt, oder zumindest voneinander gehört. Und so ergibt es sich, dass man sich dann irgendwann findet. Die Szene, das waren dann eigentlich wir – knapp zehn Leute, die aktiv etwas gemacht haben. Wie es einem dabei geht? I für mi würd sagen, sobald man dann Leute gekannt hat, hat es einen extrem gestärkt, wir haben uns gegenseitig gepusht. I glaub, man merkt es heute noch ein bisschen unserem Sound an, dass wir nicht auf eine große Szene zurückgreifen haben können, wie es in einer Stadt der Fall gewesen wäre, sondern dass wir aus einem Tal kommen, wo man wirklich tun und lassen hat können, was man will und man allgemein ein bisschen freier war. Wie ist es dann dazu gekommen, dass ihr drei euch kennengelernt habt?  Chrisfader: Lukas (Testa) ist aus Zams, David (Yo!Zepp) ist aus Urgen bei Fließ und i bin aus Imst. Lukas und meine Wege haben sich in der HAK in Imst gekreuzt. Dort haben wir uns beim gemeinsamen Turnunterricht kennengelernt und herausgefunden, dass wir beide gern Hip-Hop hören. Zu der Zeit hat es wenig bis niemanden in meinem Kreis gegeben, der das gehört hat und da macht es dann schnell klick. Wir haben dann zusammen in Landeck eine Hip-Hop-Auflegerei mit Freestyle-Battle organisiert. Da ist dann Yo!Zepp, damals noch bekannt als Staffolo MC, hingekommen und so sind wir drei uns das erste Mal begegnet. Von da an haben wir sehr viel Zeit miteinander verbracht und so ist das alles organisch gewachsen. I glaub, das war so 2003, wenn i mi nit teisch.
Yo!Zepp, Chrisfader und Testa (von links) sind „Von Seiten der Gemeinde“. Foto: Alexia Fin
Wart ihr eigentlich auch einmal Mitglied bei der Musikkapelle? Testa: Na, wir spielen alle keine Instrumente (also nicht im klassischen Sinne). Wir drei haben eigentlich alle die Sachen, die man so im Dorf macht, ausgelassen. Also wir waren nicht bei der Feuerwehr, bei der Musikkapelle oder bei den Schützen… Chrisfader: …alles ausgelassen, bis aufs Ministrieren. Das war genug Community-Work. Wenn ihr jetzt im Tiroler Oberland unterwegs seid, kennt man euch da inzwischen überall? Seid ihr da quasi berühmt? Yo!Zepp: …weltberühmt im Oberland (lacht) Testa: David ist der Einzige von uns, der immer in Tirol gelebt hat. Chris und i haben eine Zeit lang in Wien gewohnt. David hat uns immer wieder erzählt, welche Ausmaße es inzwischen mit VSDG annimmt, dass uns wirklich schon viele Leute kennen, auch Leute, die sonst gar nichts mit Hip-Hop zu tun haben. Seit ein paar Monaten sind Chris und i jetzt aber auch wieder Tiroler, sozusagen. Seitdem merk i das schon auch, dass man eine gewisse Bekanntheit hat. Ihr kommt ursprünglich alle aus unterschiedlichen Gegenden im Oberland. Ergeben sich da beim Rappen auch manchmal Konflikte zwischen euch aufgrund Unterschiede in euren Dialekten? Chrisfader (lacht): Guate Frag! Yo!Zepp: Ja, Diskussionen gibt es schon. Es ist ja wirklich so: in jedem Tal redet man anders, manche Wörter sind unterschiedlich oder haben eine andere Aussprache, das sind oft Nuancen. Aber i muss sagen, i lass mir da ehrlich gesagt nicht viel drein reden, i schreib die Texte und die Jungs lassen mi da zum Glück tian wie i will. Chrisfader: Du bist halt ein „Dialekt-Purist“. David hat in seinem Wortschatz schon gewisse Ausdrücke, die i selber so noch nie gehört hab, immer wieder mal kommt da was daher, es wird nicht fad. Wieso habt ihr euch eigentlich dafür entschieden, im Dialekt zu rappen? Empfindet ihr das als eine Hommage an das Tirolerische? Yo!Zepp: Es ist auf jeden Fall eine Wertschätzung gegenüber dem Dialekt und keine Lustig-Macherei, auch wenn es oft lustig gemeint ist. I hab ja auch angefangen, auf Hochdeutsch zu rappen, so wie das jeder macht. Im Dialekt zu rappen, wäre damals noch überhaupt kein Thema gewesen. Dann haben das aber einzelne Rapper angefangen, viele in der Schweiz, das hat mich extrem geflasht, also hab i das auch probiert. Es ist ja auch so, dass Rappen auf Hochdeutsch für mi einfach falsch klingt, das ist nicht die Art, wie wir reden. Gerade im Rap geht es um Authentizität. Man merkt es sofort, wenn jemand nicht authentisch ist. Im Dialekt hat sich das Rappen glei natürlich und gut angefühlt, da hat sich eine neue Welt aufgetan. Es ist auch eine Spielwiese, auf der man noch ein bissl Pionier sein kann im Hip-Hop, der ja heutzutage schon Pop und Mainstream ist. Für eure musikalischen Projekte sammelt und sampelt ihr Schnipsel aus dem regionalen Fernsehen. Über die Jahre muss da Einiges an Material zusammengekommen sein. Habt ihr da ein System wie ihr das Archiv sortiert oder entsteht bei euch alles aus dem Chaos? Testa: So organisiert sind wir auf jeden Fall nicht. Es ist ein ziemliches Chaos. Angefangen hat es so: Als Chris und i nach Wien gezogen sind, haben wir immer wieder Kabel TV Landeck und Imst geschaut, weil wir am Stand der Dinge bleiben wollten, was so im Oberland passiert. Dabei haben wir immer viele lustige Sachen gefunden und irgendwann haben wir angefangen, diese aufzunehmen. Über die Jahre sammelt sich da einiges an Material an. Es ist aber nicht so, dass wir uns gezielt hinsetzen und was suchen, sondern wir sammeln einfach und wenn wir was Gutes finden, bleibt das im Kopf. Chrisfader: Das ist ein Fass ohne Boden. Meistens dauert es nicht lange, bis man etwas findet, das einem zum Lachen bringt und woraus sich dann automatisch eine Idee ergibt. Euer neues Album „Almen aus Plastik“ ist eine Anspielung auf Felix Mitterers „Piefke-Saga“. Wieso gerade jetzt ein Album, das dieses Thema aufgreift? Habt ihr gewisse Entwicklungen in Tirol beobachtet? Chrisfader: I glaub, das ist nicht mehr so weit weg – die aktuelle Situation in Tirol von der Absurdität in der „Piefke-Saga“. Yo!Zepp: Genau, es erinnert schon viel daran, die Connection haben wir relativ früh hergestellt, wo das Thema Ischgl so groß in den Medien war – das ganze Apre-Ski-Szenario, der Massentourismus und in welche Richtung sich das alles entwickelt. Auf dem Album befindet sich auch ein Track namens „Friaher“ – glaubt ihr, dass früher in Tirol alles besser war? Yo!Zepp: Na Testa: Na Chrisfader: Na, aber der Track ist auch gar nicht so gemeint. Bei „Friaher“ geht es darum, eine Thematik, die gesellschaftlich eine Rolle spielt, zu beleuchten. Wir präsentieren darin viele Sprüche, die man so von älteren Leuten über frühere Zeiten hört. Es spiegelt ein gewisses Klischee wider, ein nostalgisches Gefühl. Yo!Zepp: Genau, es geht bei vielen unserer Tracks darum, eine Rolle einzunehmen und aus dieser Rolle satirisch überspitzt zu formulieren. Das Album ist allgemein sehr gesellschaftskritisch – vor allem auch eure Single „Wolffreie Zone“, da schwingen gleich mehrere Themen mit. Wollt ihr da eine gewisse Message transportieren? Yo!Zepp: Alle unsere Alben greifen gesellschaftspolitische Themen auf. Wir sind aber nicht diejenigen, die mit dem Zeigefinger dastehen und auf etwas hinweisen wollen, das ist nicht unser Zugang. Aber unser Zugang ist auf jeden Fall ein satirischer und da ist auch immer eine Kritik herauszuhören, auf eine unterhaltsame Weise. Bei „Wolffreie Zone“ geht es hauptsächlich um die Radikalisierung der Sprache. Der Track ist schon zwei Jahre alt. Es ist eigentlich darum gegangen, eine Connection zur Flüchtlingskrise herzustellen, weil es mich sprachlich sehr erinnert hat, die Art und Weise wie diskutiert worden ist: Angst schüren, vor dem Fremden, das da jetzt kommt; das Ausmalen von Horrorszenarien und so weiter. Es gibt keine Diskussion darüber, was man machen könnte. Beim Wolf heißt es: „sofort abschießen!“ – ähnlich bei den Flüchtlingen: „sofort alle weck!“ Mich hat das sprachlich sehr erinnert. Es geht eben um die Sprache, die sich zunehmend radikalisiert. Ihr sampelt in eurer Musik immer wieder Leute, die ihr wahrscheinlich auch persönlich kennt, unter anderem auch Politiker, und stellt diese in neue, teilweise kritische Kontexte – bekommt ihr da manchmal auch negative Rückmeldungen? Yo!Zepp: Überraschenderweise nicht wirklich. Am Stammtisch oder hinten herum wahrscheinlich schon, was ja auch passt, aber direkt an uns, ehrlich gesagt, bisher noch nicht. Chrisfader: Eher das Gegenteil, also wenn wer was gesagt hat, dann hat es ihm total getaugt, dass er quasi mitspielen darf, in unserem Theater. I glaub, wir haben es jetzt immer noch geschafft, niemanden blöd dastehen zu lassen. Wir passen da aber schon auf. Viele Sager sind eher Mittel zum Zweck, um eine größere Story zu erzählen. Es geht nicht darum, mit der Taschenlampe auf jemanden zu zeigen und ihn blöd dastehen zu lassen. Wenn etwas lustig ist, dann in dem Kontext von der Story, die wir erzählen. Dem Ausdruck „gewaltig“ ist auf dem neuen Album ein eigener Track gewidmet. Welcher ist euer persönlicher Lieblings-Dialekt-Ausdruck (außer „gewaltig“)? Yo!Zepp: Puh, da gibt es so viele... Chrisfader: I find ja gar nicht unbedingt die raren Sachen so super, nur weil sie keiner kennt, sondern eher so kleine praktische Worte wie „freili“, die find i einfach super. Yo!Zepp: „Woll, woll“ – damit ist oft viel gesagt. Testa: Was i oft verwende ist: „so isches“. – Hast du ein Lieblingsdialektwort? Brigitte: I würd vermutlich eins wählen, das i selber gar nicht verwende, aber das i noch von meinem Opa kenne, zum Beispiel „nachten“ für gestern oder „arschlings“ für rückwärts. Chrisfader: Es gibt auch gute verniedlichende Schimpfworte. Testa: Oder Verniedlichungen von zachen Sachen wie „Schlagli“ für Schlaganfall. Yo!Zepp: Und „I hun a reischli ket”. Bei uns hat man auch immer gesagt: „Schrauf‘s Liecht o“, weil man früher noch andere Lichtschalter gehabt hat. Habt ihr eigentlich vor, in Zukunft auch einmal ein Weihnachtsalbum zu machen? Chrisfader: Das Thema kommt bei mir heute schon zum dritten Mal auf. I hör grad wieder so viele Weihnachtssongs, und denk mir nur: Wozu? Es gibt schon Millionen von Weihnachtssongs, niemand braucht mehr die fünfzigtausendste Interpretation von „Es wird scho glei dumpa“. Also wenn es nach mir geht, i brauch kein Weihnachtsalbum zu machen. Und i glab, den anderen geht es da ähnlich. Das Interview erscheint auf Dolomitenstadt.at. Seid ihr eigentlich auch schon einmal vor einem Osttiroler Publikum aufgetreten? Yo!Zepp: Na, das ist noch ein weißer Fleck auf unserer Landkarte – aber Lienz: Mia kemmen gern! Chrisfader: Überall würden wir spielen – ganz wurscht wo. Wir sind froh, dass wir zumindest schon aus Tirol rausgekommen sind, wir waren schon in Linz, in Wien, in Graz, aber außerhalb von Österreich noch nicht… außer halt in Südtirol.
Brigitte Egger, geb. 1993, hat in Innsbruck Vergleichende Literaturwissenschaft und Philosophie studiert. Sie schreibt als freie Journalistin über Kunst und Kultur und ist auch selbst in der Kulturarbeit tätig.

Ein Posting

r.ingruber
vor 2 Jahren

Ein bemerkenswertes Interview: anregende Gedanken zu Satire und Gesellschaft und ein geistreicher Clip!

 
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